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Wotans Söhne sind heute IT-Berater: "Blakylle" machen Pagan Metal
29.12.23 - Die Wälder Buchonias laden nicht nur zum Wandern ein, sondern bringen auch manch hartes Gewächs hervor: Die Pagan Metal-Band "Blakylle" aus Fulda besingt germanischen Kriegergeist, Weltenesche und Götterwut - beruflich kämpfen die Bandmitglieder aber eher an der Tastatur.
Wer Sandro, Adrian, Albert und Alex im Wald posieren sieht, meint, die Zeit wäre stehengeblieben: Schild, Speer und Schwert, Tunika, Bart und langes Haar verleihen ein archaisch-martialisches Aussehen. Die in düster-schrammeligen Klangteppichen eingewobenen Liedtexte verheißen auch nichts Gutes: Eichenherz, Klingenschmerz, Blut und Wut beschwören eine Zeit herauf, in der wackere Männer für ihren Lieblingsbaum und darin wohnende Geister starben. Oder auch nicht: "Wir profitieren davon, dass eine geschichtliche Zeitspanne, aus der vergleichsweise wenig überliefert wurde, viel Platz für künstlerische Ausschmückungen lässt. Die schwarzen Flecken, die Historiker bis heute nicht völlig erhellt haben, füllen wir mit etwas Eigenem. Wir nehmen ein historisches Grundgerüst und spinnen selbst ein paar neue Fäden dazu", erklärt Gitarrist Sandro aus Lauterbach, beruflich IT-Berater.
Bei den wilden Ur-Hessen
Pagan Metal, das heißt: Skandinavische und germanische Mythologie liefern den Stoff für die Lieder, halbwegs authentische Kostüme sind Teil der Inszenierung, mit der die Zuhörer ein Gefühl dafür bekommen sollen, wie das Leben in vorchristlichen Zeiten gewesen sein mag, bei den wilden Ur-Hessen. "Die Region Osthessen ist natürlich durch die vielen Wälder und die archaische Natur eine große Inspirationsquelle. Durch die starke Präsenz der katholischen Kirche in Fulda wurden heidnische Wurzeln herausgerissen, aber wenn man etwas genauer hinschaut, hat man mehr als genug regionale Sagen, die einen heidnischen Ursprung haben. Die Leute sind auch immer überrascht, wenn sie entdecken, wie viele Hügelgräber in der Region existiert haben."Der Bandname "Blakylle" bezieht sich auf eine Meeresgöttin des germanischen Volksstammes der Kimbern. Für den mythologischen Unterbau haben die Bandmitglieder Bücher gewälzt, Götterglaube hat sich dabei nicht eingestellt: "Allgemein sind wir alle am ehesten Atheisten. Keiner von uns ist praktizierender Asatru, keiner glaubt also an germanische Götter. Uns geht es vor allem darum, eine bestimmte Atmosphäre zu erzeugen, aber dafür muss man nicht wirklich die germanische Götterwelt als eigenen Glauben annehmen. Trotzdem ist es gerade durch den regionalen Bezug eine Glaubenswelt, von der wir angezogen und inspiriert werden", erklärt Sandro.
Kraftorte überall
"Für mich persönlich war es schon immer spannend, mich mit alten Mythen zu beschäftigen. Gerade auch was den nord- und mitteleuropäischen Raum angeht. Die Bräuche, die Gedankenwelten und Riten der damaligen Menschen wirken auf den ersten Blick sehr weit weg für uns heute - und trotzdem erkennt man auch viele Parallelen zur modernen Gesellschaft. Man muss deswegen nicht gleich spirituell davon beeinflusst werden, um eine Faszination dafür entwickeln zu können", erklärt Sänger Adrian, beruflich Teamleiter im Bereich Online-Marketing.
Trotz mannigfaltiger Kraftorte in der Region wie der von den Bandmitgliedern bevorzugten Kneipe "Zum Stadtwächter" in der Fuldaer Innenstadt ist Osthessen ein weißer Fleck auf der Karte von Heavy Metal-Freunden: "Eine Art lebendige Subkultur ist nur schwer auszumachen. Jüngere Fans kommen kaum nach, da Subkulturen im Allgemeinen gerade ziemlich out sind, und ältere Metal-Fans machen den Jüngeren den Zugang zur Szene unnötig schwer.
Kaum existente Szene in Osthessen
Dazu kommt noch, dass viele damalige Szene-Hotspots, also Kneipen, Clubs oder Konzerthallen, mittlerweile zu sind. Das Schrumpfen der Szene, zusammen mit den explodierenden Pachten, hat viele zur Aufgabe gezwungen", so Sandro. "Wie schwer Metal-Konzerte in Osthessen geworden sind, kann man auch daran sehen, dass wir noch nie in Fulda oder der direkten Umgebung gespielt haben. Die meisten Konzerte spielen wir tatsächlich im Rhein-Main-Gebiet, wo es allein durch die höhere Bevölkerungsdichte einfacher ist, genug Menschen für lokale Konzerte zu mobilisieren", erklärt Adrian.2019 erschien das bisher einzige Album "Wo uralte Wasser fließen", nicht zuletzt durch Social Media hat sich die Band unter Tunikafreunden einen soliden Ruf erarbeitet. "Oft denken die Leute bei Pagan Metal leider an Methörner, Plastik-Hörnerhelme, Kilts und Saufsongs, aber damit haben wir nichts am Hut. Wir spielen ja auch eine düstere Spielart des Pagan Metal, stark vom Black Metal beeinflusst. Das unterscheidet uns von vielen Bands aus dem Genre, die eher in eine Symphonic- oder Folk Metal-Richtung gehen. Für jüngere Hörer ist unsere eher ernsthafte Musikrichtung deshalb anscheinend nicht sonderlich zugänglich. Darum freut es uns natürlich besonders, wenn auch jüngere Leute zu unseren Shows kommen, da uns die Nachwuchsförderung am Herzen liegt. Es wäre einfach schade, wenn ein so facettenreiches Genre wie Pagan Metal einfach an den Jüngeren vorbeigehen würde. Da verpasst man so einiges", erklärt Sandro. (mau) +++