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20 Stunden im A7-Stau: Julia Wiederhold (24) schreibt den Einsatzkräften
07.03.24 - "Die Autobahn 7 war schneebedeckt, vereist und es gab dann diesen langen Stau. Die ganze Nacht verbrachte ich im Stau. 20 Stunden habe ich geduldig gewartet, bis sich etwas tut", schreibt Julia Wiederhold (24) in einem persönlichen Brief an die Einsatzkräfte in Osthessen. Unserer Redaktion liegt der Brief vor.
Sie ist an jenem Mittwochabend im Januar im schwäbischen Burgau nahe Günzburg gestartet, um nach Kassel zu fahren. Rund 400 Kilometer beträgt die Strecke. Ihr kleines Auto ist vollgepackt, da die Logopädin nach Nordhessen umziehen will. In Hessen zieht derweil ein Schneegebiet über das Land. Auf den Autobahnen in Osthessen geht in der Nacht fast gar nichts mehr. Die A7 ist praktisch von Unterfranken bis ins Weserbergland dicht, Lastwagen blockieren die Steigungsstrecken.
"Es war kein schönes Gefühl"
Die Autofahrerin aus Burgau strandet zwischen der Rastanlage Großenmoor und der Anschlussstelle Niederaula. "Es war kein schönes Gefühl, die Zeit alleine in einem kleinen Auto zu verbringen". Die Einsatzkräfte der Feuerwehren entlang der Autobahnen, die Betreuungszüge vom Deutschen Roten Kreuz und das Technische Hilfswerk wurden alarmiert, um gerade auch den Menschen in den Autos zu helfen. Sie rückten aus, besetzten Posten an den Anschlussstellen.
Und genau diese Hilfe ist es, die Julia Wiederhold sichtlich berührt. "Ich bin so dankbar, dreimal kamen in dieser Zeit Feuerwehrleute. Zuerst haben sie sich informiert, wie es mir geht, ob ich Hilfe benötige. Sie haben mir eine Decke angeboten. Ich war so blöd und habe sie abgelehnt", sagt Wiederhold im Telefongespräch mit OSTHESSEN|NEWS. Jetzt, ein paar Wochen später kann sie darüber schmunzeln. Sie wusste ja nicht, wie lange sie noch zwischen all den Lastwagen im Stau stehen würde. Mit ihren Jacken und Schals habe sie sich in der Nacht zugedeckt. Zum Glück hatte sie kurz vorher bei Fulda ihr Auto vollgetankt. So konnte sie immer mal wieder ihr Auto anstellen.
"Ihre aufmunternden Worte haben mir Mut gemacht"
Später kamen die Einsatzkräfte wieder, brachten ihr warme Getränke, belegte Brote und ein warmes Würstchen mit Brötchen. "Aber was mir geholfen hat und mich wirklich beeindruckt hatte, das war der Einsatz von Ihrer Feuerwehr. Ihre aufmunternden Worte haben mir Mut gemacht, weiter durchzuhalten", schreibt sie in ihrem handschriftlichen Brief, den sie an mehrere Feuerwehren und Behörden der Region schickt. Etwa an die Feuerwehr Kirchheim-Ibratal und an den Landkreis Hersfeld-Rotenburg.
Nach 15 Stunden Stau traut sie sich, zur Rastanlage Großenmoor zu laufen. Nach einer halben Stunde Fußweg durch den Schnee am Fahrbahnrand freut sie sich auf eine Toilette. Und nach 20 Stunden erreicht sie am Donnerstagabend dann ihr Ziel in Kassel.
"Mir geht der Vorfall nach Wochen nicht aus dem Kopf. Ich weiß nicht, welche Feuerwehr zu dieser Zeit zuständig war, aber ich möchte allen Danke sagen für ihre Hilfe", schreibt sie. Wir erreichen Julia Wiederhold in der Logopädischen Praxis Petzoldt in Kassel. Sie ist froh, dass ihr Brief ganz offensichtlich angekommen ist und die Einsatzkräfte sich über die Wertschätzung freuen. Es gibt sie, die Menschlichkeit, das Miteinander und den Respekt. Briefe, wie der von Julia Wiederhold motivieren die ehrenamtlichen Einsatzkräfte, da zu sein, wenn Hilfe gebraucht wird. Sie schließt ihren Brief mit einem biblischen Vers aus den "Sprüchen": "Für andere da zu sein, zeichnet einen Menschen aus." (Hans-Hubertus Braune) +++