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Tierschützer demonstrieren: "Abknallen von Rehen am Friedhof ist unmoralisch"
06.05.24 - Sieben Rehe auf dem Fuldaer Zentralfriedhof sorgen weiter für Aufregung: Die scheuen Tiere fressen den Grabschmuck, Besucher fühlen sich gestört. Mit einer Sondergenehmigung bläst die Stadt Fulda zur Jagd auf die Rehe, am Sonntag demonstrieren dagegen Tierschützer vor dem Friedhof.
Zur Demonstration aufgerufen hat der Tierschutzverein Fulda, an der Künzeller Straße stehen am Sonntagnachmittag rund 80 Tierschützer, manche davon mit Transparenten. Im Vorfeld der Demo haben sich die Fronten verhärtet: Die Landestierschutzbeauftragte und sogar ein Sprecher des NABU Hessen befürworten den Abschuss der Friedhofs-Rehe, Tierschutzverein Fulda, "Pfötchenrettung Fulda", der Tierschutzverein "Hayriye Er" und der Vertreter der Staatlichen Vogelschutzwarte Hessen für die Stadt Fulda sprechen sich dagegen aus.
"Die stören doch niemanden"
Kesseltreiben, Betäubungsgewehr oder einfach auf dem Friedhof weiterleben lassen: Drei grundsätzliche Möglichkeiten, auf die tödlichen Schüsse zu verzichten, werden von den Tierschützern vor Ort vorgeschlagen. "Vielleicht hätte man einen Profi ans Gewehr lassen sollen. Es wird so dargestellt, als ob ein Betäubungsgewehr kein Präzisionsgewehr wäre, nur ein Jagdgewehr. Das ist nicht plausibel", erklärt Matthias Kuschke. Schlupflöcher sorgten zudem dafür, dass die Tiere auch nach der Vertreibung wieder aufs Friedhofsgelände kämen. Ein Versuch, die Rehe zu betäuben, war gemacht worden, der war laut Aussagen der Verantwortlichen nicht erfolgreich. Aber nicht jeder hat sich mit der Vertreibung der Rehe, ob durch vorherige Betäubung oder durch ein Kesseltreiben, abgefunden: "Ich fände es schön, wenn die Rehe einfach bleiben könnten, die stören doch niemanden", sagt Jennifer Schüssler.Schon seit Jahren streifen Reihe über den Zentralfriedhof. Etliche der Demonstranten pflegen selbst Gräber auf dem Friedhof: "Wir haben drei Gräber hier - früher hat sich niemand beschwert über die Rehe. Eher über Kaninchen, vor acht Jahren, da wurde der Friedhof gesperrt und die wurden abgeschossen", erklärt Thomas Schmidt. "Es ist nicht schön, was mit den Tieren gemacht wird - was nicht gefällt, muss weg. Das Abknallen der Rehe am Friedhof ist unmoralisch. Ich finde es unglaublich, was sich die Stadt Fulda erlaubt", empört sich Martina Beck-Dollhausen.
Zweifel an den offiziellen Angaben
Für Organisatorin Heike Schüßler-Kuschke ist die Demonstration ein voller Erfolg: Der Tierschutzverein hat aufgerufen zur Aktion, die "Pfötchenrettung Fulda" schließt sich an, nach wenigen Minuten kommen am Sonntag auch Unterstützer des Tierschutzvereins "Hayriye Er" mit Transparenten. Der Tross bewegt sich in Richtung Innenstadt, um dort die Aufmerksamkeit möglichst vieler Menschen zu erreichen. Ein älterer Herr überreicht einen Zettel. Albrecht Keil ist Tierfotograf und dokumentiert seit inzwischen 15 Jahren Rehe im Revier Künzell: "Es sind nicht sieben Rehe, sondern nur sechs, davon drei Böcke und drei Ricken. Außerdem befindet sich in der Gruppe gar kein Schmalreh. Für die drei Ricken, die in Kürze ihre Ricken zur Welt bringen, gilt die Schonfrist bis zum 31. August.Aber auch nach dem 1. September genießen die Kitze führenden Ricken noch den Muttertierschutz, sie dürfen nicht vor den Kitzen erlegt werden. Deshalb ist deren Abschuss ohnehin erst im Spätherbst möglich", erklärt Keil. Eines der Kitze sei zu Tode gekommen, weil es von der Ricke nach Kontakt mit einem Menschen nicht mehr angenommen worden sei, ein zweites habe sich im Zaun so schwer verletzt, dass es an den Verletzungen eingegangen sei: "Also nichts mit Inzuchtdefekt. Die Friedhofrehe sind wie alle Künzeller Rehe Inzuchtprodukt, jedoch kerngesund und vital", so Keil. (mau) +++