Emotionaler Ausnahmezustand: Kirtorfer Fußball-Lehrer beim Klopp-Abschied
02.06.24 - Ein Deutscher beendet seine mehrjährige berufliche Tätigkeit in England – das Aufsehen hielte sich ganz sicher in sehr engen Grenzen, wenn es nicht um den Abschied von Erfolgstrainer Jürgen Klopp beim FC Liverpool ginge. So aber herrschte in der ganzen Region emotionaler Ausnahmezustand.
Der osthessische Fußball-A-Lizenztrainer Michael Dörr war kürzlich mit seinem Sohn Robin eigens zu Kloppos Abschied an die Anfield Road gereist. "Das war der Wahnsinn!", sagt Trainer Dörr, der auch auf eigene internationale Betätigungen zurückblicken kann (O|N berichtete). An seinen Eindrücken und der Begründung, warum Klopp das Bundesverdienstkreuz erhalten sollte, will er die Leser durch ein Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS teilhaben lassen.
"Der Klopp passt nach Liverpool wie der Deckel auf den Topf" Das besondere Klopp-Feeling verspürte Dörr schon während Klopps Trainerstationen in Mainz und Dortmund, während die Sympathie zum FC Liverpool durch das Europapokalfinale der Reds gegen Mönchengladbach in Düsseldorf entstanden war – der junge Fußballfan Dörr saß 1978 auf der Tribüne. "Der Klopp passt als Trainer und als Persönlichkeit nach Liverpool wie der Deckel auf den Topf", war Dörr von vornherein überzeugt – Dörr kannte Liverpool als Stadt und Verein aus einem Aufenthalt in 2010.
Das Vorhaben, während Klopps neunjähriger Amtszeit mal zu einem Spiel zu fahren, wollte einfach nicht gelingen: Es war schon immer schwer, an LFC-Karten zu kommen. Bei Ankündigung des Abschieds Anfang des Jahres intensivierte Dörr dann aber die Bemühungen um Karten – letztlich sogar erfolgreich, wären da nicht die horrenden Preisvorstellungen gewesen: Eine Karte sollte etwa 2.100 Euro kosten – das sprengte dann doch die Portokasse. Der Fußballverrückte aus dem Kirtorfer Stadtteil Lehrbach war sich allerdings schnell mit seinem Sohn einig, die Reise aus Anlass dieses besonderen Spiels am 19.5., Liverpool FC versus Wolverhampton Wanderers, auch ohne Karte anzutreten.
Sportlich ging es für beide Vereine um gar nichts mehr, doch der Abschied von Ikone Jürgen Klopp elektrisierte schon lange vorher nicht nur Verein und Stadt, sondern ganz England. Die einzigartige "Kloppomania"-Atmosphäre, wenn schon nicht im, dann aber direkt am Stadion, in den klassischen FC-Pubs wie "Albert", "The Park" und "Twelfth Man" sowie im Hotel Anfield haben Vater und Sohn Dörr vor Ort aufgesaugt. "Der Antritt der Reise war eine tolle Entscheidung!", blickt Dörr im O|N-Gespräch glücklich zurück. Und natürlich wurde auch das legendäre Stadion der Reds an der Anfield Road von innen besichtigt – am Tag vor dem Spiel.
Liverpool hat eine Wandlung erlebt: von "Doubters zu Believers" An sich seien die Bewohner der Stadt schon immer viel aufgeschlossener und weltoffener als der Rest des Landes, erläutert Dörr - bedingt durch den Hafen und die Nähe zu Irland. Das habe sich nun noch einmal spürbar verstärkt: "Die ganze Stadt war mit Kloppo plakatiert, Engländer liefen mit deutschen Fahnen durch die Gegend, das muss man sich mal vorstellen. Als ich das einer Bekannten erzählte, die in England gearbeitet hat, konnte sie es nicht zu glauben, bis ich ihr die Fotos schickte. Doch, das hat der Klopp gemacht – der hat die Menschen durch seine Art umgepolt! Aus 'Doubters wurden wirklich Believers', habe ich ihr versichert."
Dörr ist noch immer fasziniert davon, zu welchen Veränderungen der Fußball und ein so charismatischer Mensch wie Jürgen Klopp imstande sind. "Er ist eben auch unglaublich nahbar, bodenständig und authentisch, so tauchte er manchmal einfach im Pub zwischen ihnen auf und trank ein Bier mit ihnen, oder er setzte sich für die Rechte von Behinderten ein. Selbstverständlich für ihn ist auch, dass er als gläubiger Christ ohne Vorbehalte den Gläubigen anderer Religionen gegenübertritt. Wenn der Kloppo noch kein Bundesverdienstkreuz hat, dann muss der das unbedingt bekommen, denn der Mann hat in England in idealer Weise das moderne Deutschland verkörpert und unserem Land damit einen Riesen-Dienst erwiesen – übrigens genauso wie Toni Kroos das in Madrid getan hat und dort nun auch völlig zu Recht mit großem Bahnhof höchst emotional verabschiedet wurde!"
Gestern Klopp und Kroos, morgen Du und ich Mit Blick auf die unsäglichen Eindrücke, die durch "die Rattenfänger an allen extremen Rändern der politischen Bandbreite" entstehen, könne sich Deutschland nach Dörrs Überzeugung glücklich schätzen, Botschafter des Landes wie Klopp und Kroos zu haben: "Die verkörpern tatsächlich in der Welt ein positives Bild von uns Deutschen, wie wir alle es bei der Sommermärchen-WM 2006 getan haben und nun bei der Heim-EM hoffentlich wieder tun werden!"
Zur Person Michael Dörr:
Michael Dörr ist Fußball-Pädagoge durch und durch. Der hauptberufliche IT-Experte besitzt das DFB-Ausbilderzertifikat, die DFB-Torwarttrainer-Lizenz für Leistungszentren, die DFB-A-Lizenz und ist "Life Kinetik® Trainer, DFB-Jugend-Scout und HFV-Lehrreferent. Einige Jahre war er im Leistungszentrum der Offenbacher Kickers tätig, in 2017 als dessen Leiter. (goa)+++