Jetzt hat er die UEFA Pro Lizenz - und darf jede Mannschaft der Welt trainieren
13.06.24 - Als Markus Pflanz am Dienstagnachmittag das Trainingscenter in Tubize, das im Besitz des Belgischen Fußballverbandes ist, verließ, da hatte er etwas geschafft, wonach sich viele sehnen: Der Langenschwärzer hatte die UEFA Pro Lizenz erworben - die höchste Lizenz im Profifußball. Sie erlaubt es ihm, jede Fußball-Mannschaft der Welt zu trainieren.
Der 48-jährige Pflanz ist damit der Erste in der osthessischen Region, der die Pro-Lizenz erwarb. Er abreitete zuletzt für einige Wochen beim Regionalligisten VfR Aalen tätig und zuvor drei Jahre in Oostende und St. Truiden in der Jupiler Pro League, der Ersten Liga Belgiens.
"Ich musste meine Spielidee zu Papier bringen und die auf ein paar Folien erklären", sagt Pflanz - und bereits nach kurzer Zeit bekam er das Okay und Urteil des Prüfungs-Gremiums: bestanden. "Ähnlich einer Doktor-Arbeit, wenn man etwas vorstellen und verteidigen muss".
Pressen und Gegenpressen: eine Spielidee mit vier Phasen
Und was verbirgt sich hinter seiner Spielidee? "Die Belgier finden das sehr interessant. Union St. Gilloise spielt das, Cercle Brügge auch." Diese Idee, die das Pressen und Gegenpressen zum Thema hat, besteht aus vier Phasen.
1. Spiel gegen den Ball, 2. Umschaltphase, 3. Spiel mit dem Ball, 4. Umschalten in die andere Richtung - wenn man den Ball verloren hat
Der 48-Jährige erklärt: "Mein Spiel ist kein Ballbesitz-Fußball, sondern es richtet sich zunächst gegen den Ball." Und er gibt zu: "Man merkt mir meinem favorisierten Fußball schon an, dass ich aus dem Kosmos RB Leipzig komme." Eindreiviertel Jahre hat er in Oostende mit dem Ex-Leipziger Alex Blessin als Co gearbeitet; Blessin coacht aktuell den belgischen Pokalsieger Union St. Gilloise.
Pflanz hospitierte dreieinhalb Tage im "Kosmos RB Leipzig"
Zudem hospitierte Pflanz vom 22. April dreieinhalb Tage beim Bundesligisten in Leipzig. Tag eins gehörte dem Nachwuchs; die Profis hatten frei. Training mit der Jugend stand an, der Langenschwärzer sah sich ein Leipziger U19-Spiel an - und er führte ein aufschlussreiches Gespräch mit Bartosz Gaul, dem Leiter der dortigen Nachwuchs-Abteilung; der Ex-Augsburger Manuel Baum ist Head of Academy. Beim Gespräch mit Gaul, der seit Februar im Amt ist, wurde deutlich, dass es Leipzigs Ziel ist, wieder den ursprünglichen Weg, den der Club unter Ralf Rangnick eingeschlagen hatte, verfolgen möchte.
Ab Dienstag nahm Pflanz komplett am Training der Profis teil. Mannschaftstraining, Teambesprechung, Video-Analysen und mehr zählten dazu zum üblichen Programm. Positiv, dass Cheftrainer Marco Rose den Hospitanten aus Langenschwarz mit einbezog und ihn ein- zweimal fragte, wie er denn Dinge sehen und sie dann lösen würde. "Da kann man schon arbeiten in dieser Akademie. "Sie ist zwar ziemlich neu, aber sehr gut aufgebaut und fortschrittlich eingerichtet. Spiele der Frauen und beiden Jugend-Leistungsteams, der U19 und der U17, werden im kleinen Stadion ausgetragen." All das hinterließ beim 48-Jährigen bleibenden Eindruck. "Ich habe 'ne Menge von dort mitgemommen."
16 Monate oder 530 Stunden, "bin schon privilegiert"
Die Bedeutung der UEFA Pro Lizenz. "Sie ist mir schon sehr viel wert. Ich bin sehr privilegiert. In diesen Genuss kommt nicht jeder, jede Mannschaft der Welt trainieren zu dürfen. Und das kann nicht jeder von sich sagen. Ich muss schon sagen, dass ein bisschen stolz darauf bin." Und er räumt ein: "Das ist schon ein entscheidender Schritt, im Profi-Bereich zu arbeiten als Chef-Trainer."Dauer und Inhalte der UEFA Pro Lizenz. 16 Monate dauerte sie, im März vergangenen Jahres begann sie in Tubize. Und Pflanz konnte sie mit seiner Arbeit gut kombinieren. Ausgangs seiner Tätigkeit in St. Truiden begann sie, in seiner Pause ohne Job ging's erst recht, auch in Aalen funktionierte das sehr gut.
180 Stunden Theorie, 270 Stunden Praxis, 80 Stunden Work Experience - und noch mehr
Natürlich beinhaltet die UEFA Pro Lizenz Pflichtstunden, die zu erfüllen sind. 530 sind es insgesamt, und Pflanz sagt: "Ich war schon ein bisschen auf Achse." Diese Stunden-Anzahl teilt sich wie folgt auf: 180 Stunden Theorie und 270 Stunden Praxis. Dazu kommen: Psychologie (Pflanz: "Darauf wird in Belgien viel Wert gelegt"), IQ-Test, Scouting, Match-Analyse, Hospitation - und 80 Stunden Work Experience. Zu Letzterem gehörte auch ein Treffen mit dem DFB und dem Niederländischen Fußball-Verband KNVB. Die Teilnehmer hätten erfahren, wie andere Verbände arbeiten. Ein Austausch und eine Spiel-Analyse standen da selbstverständlich auch auf dem Programm.
Bekannte Teilnehmer der Lizenz kommen selbst deutschen Fußball-Insidern - oder besser gesagt denen, die sich dafür halten - nur schwer über die Lippen. Da wären: Will Still, Trainer des französischen Clubs Reims, Steven Defour oder Gillaume Gilett. Pflanz "fühlt sich eigentlich schon am Anfang einer Profi-Karriere. Ich habe drei Jahre auf höchstem Niveau trainiert - in der ersten belgischen Liga, einer Liga, die wirklich im Kommen ist. Das sieht auch Europa so. Die Jupiler Pro League ist entwicklungsfähig. Auch talentierte junge Spieler bekommen da ihre Chancen."
Noch kein neuer Job - komplett andere Wertschätzung im Ausland
Fehlt noch eins: der nächste Job von Markus Pflanz. Er sagt nur: "Im Ausland genießt man schon eine komplett andere Wertschätzung als in Deutschland. Ich würde das Ausland in der Tat bevorzugen." Ob er als Chef arbeiten wolle demnächst? "Das kommt darauf an, was es für ein Verein ist, um wen es sich handelt. Ich würde auch wieder als Co-Trainer arbeiten." Und wie steht's mit der ganz aktuellen Nachfrage? "Aktuell hab' ich nichts vorliegen. Aber das macht auch mein Berater. (wk)Wer den neuen UEFA Pro Lizenz Inhaber Markus Pflanz einmal live erleben möchte, hat dazu in der kommenden Woche Gelegenheit: am Donnerstag auf der Bornwiese bei der SG Bad Soden. Beginn: 18 Uhr. Das Thema: Pressen und Gegenpressen. Organisiert hat das über den Hessischen Fußball-Verband Angebotene Trainerkollege Heiko Breitenberger. +++