Musikalische Power mit Faber und Goran Koč y Vocalist Orkestar Band
21.06.24 - Das neue Album ist gerade erst herausgekommen, es war der erste Auftritt mit der neuen Bühnenshow – und Faber hatte Spaß, man sah es ihm und seinen Bandmitgliedern einfach an. Zwei Stunden lang gaben Julian Vincenzo Pollina (Faber), Tillmann Ostendarp (Posaune und Schlagzeug), Goran Koč (bürgerlich Silvan Koch, Keyboard), Janos Mijnssen (E-Bass, Cello), Max Kämmerling (E-Gitarre, Darbuka) mit Unterstützung durch Dino Brandão (Singer, Songwriter, Gitarre, E-Gitarre, Percussion) alles. Ebenfalls mit dabei: Unterstützung von Geige, Bratsche, Gesang. Und Sophie Hunger.
Bevor um etwa 21:00 Uhr tatsächlich Faber von einer Eröffnungs-Ouvertüre auf die Bühne geholt wurde, war jemand anders an der Reihe. Faber selbst kündigte seinen "sehr guten Freund und Musiker-Kollegen Dino Brandão" an, der gerade sein zweites Studioalbum veröffentlicht hat und einige Songs daraus vorstellte. Dino Brandão ist Sänger und Gitarrist der Schweizer Band Frank Powers und seit einiger Zeit auch solo unterwegs. Er beherrscht Akustik- wie E-Gitarre, nutzt die Effektpedale ausgiebig und stimmte hervorragend auf das ein, was danach kam. Denn Dino Brandão ist, wie Faber und Band, sowohl sprachlich als auch musikalisch multilingual unterwegs.
Wer sich bei in Schwytzerdütsch und Englisch vorgetragenen Songs zu brasilianisch anmutenden Melodien und Rhythmen in einer Identitätskrise sieht, ist von Faber ohnehin überfordert. Denn der Sohn des italienischen Cantautore Pippo Pollina sang zwar auf Deutsch, aber auch auf Italienisch und Schwyzerdütsch – wie der Rest seiner Band. Und auch die Instrumente rotierten: Faber drückte auf halber Strecke durch den Song Janos Mijnssen das Mikrofon in die Hand und forderte dessen E-Bass, Rollentausch. Nach ein paar Takten ging es dann wieder zurück in die übliche Besetzung.
Klassik, Rock, Pop, Punk, Elektro – keine Schublade geht zu
Faber hat seine Fangemeinde, 1.500 Menschen waren im Museumshof, fast voll. Viele davon kamen aus dem Umland, das ist klar, aber zahlreiche Gäste waren auch von weiter her angereist. 200 Kilometer Anreise und mehr waren nach Angaben des Veranstalters keine Seltenheit. Die Musik, die Faber macht, ist eigenwillig. Wenn die Streicher sanft säuseln und zur Ouvertüre die Sängerin die Grenzen ihrer Stimmlage austestet, fühlt man sich in vergangene Jahrhunderte versetzt. Musikalisch mag man in der Gothic-Szene Vergleichbares finden – unter dem Label "German Pop", das Faber gerne aufgedrückt wird, sicherlich nicht. Man merkte der Band bei Kultur.Findet.Stadt. deutlich die klassische Musikausbildung an. Rockelemente kamen zu jazzigen Passagen, die Texte waren eigenwillig punkig bis schmerzhaft ironisch. Und was der Herr am Keyboard zauberte, ließ sich sowieso nicht kategorisieren. Faber ist Indie, und zwar ursprünglicher Indie, der sich noch nicht der Beschränkung auf eine einzige Richtung unterworfen hat.Beschränken will Faber sich auch gar nicht, er selbst bezeichnet seine Musik als "Akustik-Punk für Mädchen". Punk ist nicht tot, das merkte an diesem Donnerstagabend im Museumshof. Das Publikum war jung, zu gut 60 Prozent weiblich, und sehr gechillt. Aber nur, bis Faber die Bühne betrat. Dann wogte die Menge. Und Faber wogte mit. Die Band hatte Spaß, man tanzte sich auf der Bühne gegenseitig an. Faber drehte sich zwischendurch einfach um, spielte die Gitarre auf Brusthöhe und wackelte rhythmisch mit dem Po – das Publikum liebte es, die Band machte mit. Minimalbewegungen statt aufwendiger Choreografie, Akrobatik brauchte es nicht (abgesehen von der bisweilen eigenwilligen Gitarrenhaltung). Minimalismus auch in der Kleidung, so kennt man das bei Faber: weißes Shirt, schwarze Hose. Der Rest der Band stand in klassischem Schwarz da, auch das eine Anleihe an die "hohe Kunst" und Kontrastprogramm zu den teils brachialen Klängen.
Bunte Abfolge alter und neuer Songs
Ein Stilbruch mit dem neuen Album, so hatte man im Vorfeld in der Presse oft vernommen. Im Museumshof gab Faber alte und neue Stücke zum Besten, "Sei ein Faber im Wind" (2017), "Tausendfrankenlang" (2015/2022) und "Das Letzte" (2022) wurden im Wechsel mit neuen Stücken gespielt. Stllbruch? Dazu müsste erstmal ein einheitlicher Stil vorhanden sein, Faber ist Bruch mit Stil, und zwar stilvoll, sozusagen. Nach zwei Stunden durfte die Band nicht von der Bühne, eine Zugabe musste sein. Und Faber gewährte die Zugabe. Erst eine. Dann wurden Wünsche laut. Auch davon gewährte er zwei. Und immer wieder bedankte er sich, betonte den unglaublichen Support seiner Fans, um die er sich in den letzten Jahren nach eigenen Angaben nicht gekümmert hat. Einen Ausblick auf künftiges Schaffen gab es mit der Liebesgeschichte von "Julian und Lisa", die nach Fabers Angaben in den nächsten Jahren auch wieder zusammenfinden müssen, auch noch.Das Publikum genoss einen ganz entspannten Abend und feierte Faber, sich selbst und die Musik. Trotz der anspruchsvollen Texte, die zum Teil Zähne hatten. (mbw) +++