Das Forschungsteam aus Studierenden und Menschen mit Beeinträchtigungen gemeinsam mit der Projektleitung auf dem Campus der Hochschule Fulda - Foto: Annika Buchspies

FULDA Gemeinsam für ein barrierefreies Fulda

Menschen mit Beeinträchtigungen und Studierende starten Forschungsprojekt

23.06.24 - Sich frei bewegen können, ein selbstständiges Leben führen – für die meisten Menschen ist das selbstverständlich. Für Menschen mit körperlichen und kognitiven Beeinträchtigungen dagegen hängt all das maßgeblich davon ab, wie ihre Umwelt gestaltet ist. Ist das Gebäude zugänglich, der öffentliche Nahverkehr problemlos nutzbar, die Technik bedienbar, die Sprache verständlich?  

Die UN-Behindertenrechtskonvention – 2008 von Deutschland unterzeichnet – formuliert den gleichberechtigten Zugang zu Einrichtungen, Diensten, Kommunikation und Transport als Menschenrecht. Denn frei zu sein von Barrieren bedeutet, selbstbestimmt leben zu können. Dennoch treffen Menschen mit Beeinträchtigungen nach wie vor auf zahlreiche Hindernisse, die sie in ihrer alltäglichen Lebensführung einschränken und ihre Teilhabechancen mindern.

Menschen mit Beeinträchtigungen als Co-Forschende

Antonius : gemeinsam Mensch und die Hochschule Fulda haben daher ein partizipatives Forschungsprojekt gestartet. Barr-Frei lautet der Titel, der bewusst den Freiheitsaspekt betont. Das Projekt wird im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2024 – Freiheit vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Barr-Frei beteiligt Menschen mit überwiegend kognitiven Beeinträchtigungen an der Forschung. Als Expertinnen und Experten in eigener Sache werden sie in den gesamten Forschungsprozess eingebunden und arbeiten gleichberechtigt daran mit, ein tieferes Verständnis für die Herausforderungen rund um Barrierefreiheit zu entwickeln. 

Die Hochschule Fulda Fotos: O|N Archiv/ Christopher Göbel

Blinden-Markierungen auf dem Campus der Hochschule Fulda.

"Wir wollen nicht über Menschen mit Beeinträchtigungen forschen, sondern mit ihnen", erklärt Professorin Wiebke Falk, Leiterin des Projekts. "Um Fortschritte in Richtung besserer Teilhabemöglichkeiten zu erzielen, müssen wir die aktive Beteiligung von Menschen mit Beeinträchtigungen in der Forschung fördern. Denn ihre Erfahrungen aus erster Hand erweitern unser Wissen." 

Sebastian Bönisch, Mitglied der Geschäftsführung von antonius, sieht noch einen weiteren Vorteil des partizipativen Ansatzes: "antonius und die Hochschule Fulda verbindet das gemeinsame Ziel, junge Menschen zu fördern und sie dabei zu unterstützen, ihre Potenziale bestmöglich zu entfalten. Mit dem inklusiven Forschungsprojekt Barr-Frei ist es uns nun gelungen, auch Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen Zugang zur Hochschule zu verschaffen. Das ist nicht nur eine große Chance für die Teilnehmenden, sondern auch ein echtes Innovationsprojekt für die Hochschulforschung." 

Wie barrierefrei ist Fulda wirklich?

Der Forschungsgruppe gehören neun Personen mit Beeinträchtigungen und 20 Studierende an. Gemeinsam werden sie in den kommenden Wochen Einrichtungen, Angebote und Dienstleitungen in Fulda in puncto Barrierefreiheit unter die Lupe nehmen. 

Damit die Zusammenarbeit im Projekt funktioniert, muss die Arbeit im Forschungsseminar selbst möglichst barrierefrei sein: Unterlagen in leichter Sprache, Kleingruppenarbeit, Wiederholungen, angemessene Aufgabenverteilung, genug Pausen – all dies soll dazu beitragen, dass das gemeinsame Arbeiten funktioniert.

Hendrik Pudlow, Co-Forscher von antonius, freut sich, mehr über Forschung zu erfahren: "Endlich geht es los. Ich freue mich drauf zu lernen, was Forschen überhaupt ist. Das Kennenlernen war schon super", sagte er nach der Auftaktveranstaltung. Als Mensch mit Beeinträchtigung ist der Zugang zu Bildung und Wissenschaft für ihn bislang erschwert. Das Projekt Barr-Frei bietet ihm nun die Chance zu erfahren, wie Wissen zustande kommt und was Forschung bewirken kann. 

Larissa Hohmann, Studentin der Hochschule Fulda, hat sich "für dieses Seminar entschieden, weil es praxisnah ist." Sie sagt: "Die Arbeit im Forschungsteam mit Menschen mit kognitiven Einschränkungen ist etwas Besonderes. Außerdem können wir direkt umsetzen, was wir gelernt haben." Und Erik Grieß, Student an der Hochschule Fulda, will vor allem auf Barrieren aufmerksam machen: "Ich habe mich für das Projekt entschieden, da ich bisher noch keine Berührungspunkte mit Menschen mit Behinderungen hatte. Ich möchte daran mitarbeiten, die Gesellschaft für das Thema Barrierefreiheit zu sensibilisieren." 

Das Thema geht uns alle an

Dass unter der Perspektive von Freiheit alle gefordert sind, den Blick für die Bedürfnisse anderer zu schärfen, steht für Professor Markus Schäfers außer Frage: "Freiheit bedeutet nicht nur Toleranz. Sie geht auch mit der Verantwortung einher, dass Menschen mit besonderen Unterstützungsbedarfen gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können", sagt er. Denn es gehe um viel mehr als nur die Zugänglichkeit von Gebäuden. Es gehe um den möglichst uneingeschränkten Zugang und Wahlmöglichkeiten, damit jede und jeder ein Leben nach eigenen Vorstellungen führen kann. 

Die Forschungsgruppe hat sich folglich vorgenommen, nicht nur Barrieren zu identifizieren, sondern auch für das Thema zu sensibilisieren und Veränderungsprozesse in der Gesellschaft anzustoßen. Über öffentlichkeitswirksame Aktionen in den kommenden Monaten, die ebenfalls gleichberechtigt entwickelt und umgesetzt werden, will sie so viele Menschen wie möglich erreichen und zum Nachdenken, Austauschen und Handeln anregen. Schließlich ist Behinderung von der Häufigkeit her kein Randphänomen. Im Gegenteil. Von 223.500 im Landkreis Fulda lebenden Menschen haben fast 12 Prozent eine Schwerbehinderung. Mehr als die Hälfte davon ist älter als 65 Jahre. Hinzu kommen Menschen mit Beeinträchtigungen ohne anerkannte Schwerbehinderung sowie Menschen mit Migrationshintergrund, geringer Sprach- und Lesekompetenz sowie Familien mit Kinderwagen. Auch sie sind potenziell auf eine barrierefreie Umwelt angewiesen. 

"Wir wollen zur Gestaltung einer inklusiveren Stadtgesellschaft beitragen", sagt Carmen Raschka, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt. "Es heißt: Barrierefreiheit ist für 10 Prozent der Bevölkerung erforderlich, für 30 Prozent hilfreich und für 100 Prozent komfortabel." (pm) +++


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