Posthume Verleihung des Hessischen Friedenspreises - Vivian Silver geehrt
02.07.24 - Der Hessische Friedenspreis der Albert Osswald-Stiftung für das Jahr 2023 wurde am Montag an die kanadisch-israelische Friedensaktivistin Vivian Silver verliehen. Sie ist die erste Preisträgerin, die den Preis posthum erhält. Stellvertretend für seine Mutter nahm Yonatan Zeigen, einer ihrer beiden Söhne, die mit 25.000 Euro dotierte und international renommierte Auszeichnung entgegen. Die Laudatio auf die Preisträgerin sprach der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Israel, Steffen Seibert.
Landtagspräsidentin Astrid Wallmann würdigte vor rund 130 geladenen Gästen das Engagement der Friedensaktivistin für die Menschen in Israel und Palästina. "Vivian Silver hat sich über ein halbes Jahrhundert lang in verschiedenen Organisationen und Projekten engagiert und sich mit ganzem Herzen für den Frieden in der Region eingesetzt. Sie war eine Brückenbauerin und für viele auch eine Hoffnungsträgerin für ein friedliches Zusammenleben von Israelis und Palästinensern. Ihre Fähigkeit, Dialoge zu fördern und Menschen zu verbinden, hat vielen den Weg zu einem tieferen Verständnis geebnet. Mit dieser Auszeichnung verbinden wir die Hoffnung, dass Vivian Silver zahlreiche Menschen dazu inspiriert, ihren Weg fortzusetzen und sich für die Versöhnung in der Region einzusetzen. Gerade in der heutigen Zeit ist es wichtig, ihr Vermächtnis als Beispiel zu nehmen – ihre Arbeit erinnert uns daran, dass jeder Beitrag, sei er noch so klein, einen Unterschied machen kann."
Besondere Tragik Der Antisemitismusbeauftragte der Landesregierung Staatssekretär Uwe Becker erklärte in seinem Grußwort: "Die besondere Tragik bei unserer diesjährigen Preisträgerin Vivian Silver liegt darin, dass sie als engagierte Aktivistin für den Frieden zwischen Israelis und Palästinensern Opfer genau jenen Hasses geworden ist, über den hinweg sie über so viele Jahre selbst Brücken gebaut hat und der leider in so vielen Gesellschaften zuhause ist, auch wenn im Falle der Verbrechen der Terrororganisation Hamas die Singularität der Massaker vom 7. Oktober keine Relativierung verträgt."
Laudator Steffen Seibert, der gegenwärtig der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Israel ist, würdigte Vivian Silver als "Hoffnungsanker" mit den Worten: "Optimismus und Tatkraft und die ausgestreckte Hand zur anderen Seite – damit hat Vivian Silver die Welt um sich herum über Jahrzehnte besser gemacht. Das ist ihr Vermächtnis."
Der Vorsitzende des Kuratoriums Hessischer Friedenspreis Karl Starzacher sagte: "Vivian Silver widmete ihr gesamtes Leben dem Streben nach Frieden im Nahen Osten sowie dem Einsatz für soziale Gerechtigkeit und für Frauenrechte. Ihre zahlreichen Initiativen und ihr beindruckendes Engagement zeugen von ihrer tiefen Hingabe zu einem friedlichen Miteinander und zur interkulturellen Verständigung zwischen Jüdinnen und Juden einerseits und Palästinenserinnen und Palästinensern andererseits."
"Fackel des Kampfes für Gerechtigkeit" Yonatan Zeigen, der Sohn der Preisträgerin, sagte in seinen Dankesworten: "Die Tatsache, dass der Preis posthum verliehen wird, bedeutet nicht, dass er nur für die Vergangenheit relevant ist. Vielmehr würdigt und bestätigt er die lebenslange Friedensarbeit meiner Mutter. Vivian war einzigartig, aber nie allein in ihrem Wirken. Über Generationen hinweg haben Israelis und Palästinenser zu viel Blut vergossen. Die ‚Fackel des Kampfes für Gerechtigkeit' ist von meiner Mutter auf mich übergegangen. Es liegt nun an uns, gemeinsam dafür zu sorgen, dass diese Fackel erlischt und nicht auf unsere Kinder übergeht."
Silver setzte sich seit ihrer Studienzeit für ein friedliches Zusammenleben von Israelis und Palästinensern ein. Auch für die Rechte der Frauen engagierte sich die Aktivistin. Sie wurde am Morgen des 7. Oktobers 2023 im Alter von 74 Jahren in ihrem Haus im südisraelischen Kibbuz Be’eri nahe der Grenze zum Gazastreifen während des Terrorangriffs der Hamas ermordet.
Die Preisträgerin
Vivian Silver wurde am 2. Februar 1949 im kanadischen Winnipeg geboren. Im Jahr 1968 kam sie während eines Hochschuljahres erstmals nach Israel. Sie studierte Psychologie und englische Literatur an der Hebräischen Universität Jerusalem. 1974 zog sie mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen Yonatan und Chen nach Israel und half dort bei der Gründung des amerikanisch-israelischen Kibbuz Gezer in Zentralisrael. Sie gründete das United Kibbutz Movement’s Department to Advance Gender Equality (zu Deutsch: Vereinte Bewegung der Kibbuzim für die Weiterentwicklung der Geschlechter-Gleichbehandlung) und setzte sich für die Gleichstellung der Geschlechter in den Kibbuzim ein. In den 1990er-Jahren zog sie mit ihren zwei Söhnen ins sozialistische Kibbuz Be’eri nahe der Grenze zu Gaza, wo sie in engem Kontakt mit Mitgliedern der beduinischen Gemeinschaft stand.Jahrzehntelang engagierte sich Vivian Silver in verschiedenen Organisationen für ein friedliches Zusammenleben von Israelis und Palästinensern. So war sie unter anderem Mitbegründerin der Nichtregierungsorganisation AJEEC-NISPED (the Arab-Jewish Center for Equality, Empowernment, and Cooperation – Negev Institute for Peace & Economic Development), die das Zusammenleben von Arabern, Beduinen und Juden in Teilen Südisraels organisiert. Darüber hinaus war sie Vorstandsmitglied der Menschenrechtsgruppe B’Tselem.
Im Jahr 2014, kurz nach dem Gazakrieg, gründete sie mit anderen Frauen die Friedensbewegung Women Wage Peace (zu Deutsch: Frauen schaffen Frieden) mit. Mit aktuell mehr als 45.000 Mitgliedern gilt Women Wage Peace als derzeit größte Basis-Friedensbewegung Israels. Hier engagieren sich Jüdinnen, Musliminnen und Christinnen gleichermaßen für ein friedliches Zusammenleben und dabei auch für ein neues Friedensabkommen im Nahost-Konflikt. Noch am 4. Oktober 2023 nahm Vivian Silver an einer Kundgebung der Initiative teil. Darüber hinaus engagierte sich Vivian Silver ehrenamtlich im Projekt Road to Recovery (zu Deutsch: Straße zur Genesung), bei dem sie palästinensische Patientinnen und Patienten in israelische Krankenhäuser brachte.