Wie ein echtes Kind der Natur: Herzberg macht erst bei Regen richtig Spaß
28.07.24 - Ein trockenes Herzberg-Festival ist kein richtiges: Erst mit Gummistiefeln, Poncho und im strömenden Regen erschließt sich der Charme von Europas ältestem Hippie-Festival. Am Samstag gab es ordentlich Matsch und jede Menge gute Musik auf die Ohren.
Ich war das letzte Mal auf dem Herzberg-Festival, da dröhnten Steppenwolf ihr "Born to Be Wild" von der Bühne. Elke ist Apothekerin im Bergischen Land und kann sich noch an Festivals oben auf der Burg erinnern, Ende der Neunzigerjahre. "Das war damals schon sehr reggaelastig geworden, nicht mehr so viel Krautrock wie ursprünglich. Aber seitdem komme ich immer, wenn ich es einrichten kann. Auch wegen der Musik, aber Herzberg ist wie eine Zeitkapsel, hier wurde viel von dem Hippie-Geist bewahrt - und der wird auch weitergegeben und zelebriert: Ich war vorhin an einem Essens-Stand, wollte bezahlen, da sagten die: 'Das Essen ist umsonst, aber wenn du etwas geben willst, gib soviel es dir wert ist.' Aber auch die sozialen Gruppen und Umweltgruppen vor Ort, die zeigen, wie tragfähig und zukunftsfähig manche Ideen sind. Es ist eben nicht nur das Retro-Feeling, das die Leute anzieht."
"Letztes Jahr war's schlimmer"
Mit den Gummistiefeln geht es quer über die Matschpiste, stoisch schieben Eltern Kinderwagen den Berg hoch. "Letztes Jahr war's schlimmer" kommt als Antwort auf die ungestellte Frage, Glücksblumen-Mann Jan Johl spielt lächelnd einen Shuffle Groove auf dem Mini-Schlagzeug vor seinem Zelt. Der wird abgelöst von wummernden Progrock-Klängen, je näher ich in Richtung "Höllenschuppen" matsche, einer der insgesamt fünf Bühnen, die dafür sorgen, dass Fans unterschiedlichster Stilrichtungen auf ihre Kosten kommen. Mona-Lisa-Lächeln überall, das Phänomen ist von Metal-Konzerten bekannt: Je aggressiver die Musik, desto friedlicher die Menschen. Den Rest erledigt Gras.Aber Herzberg wäre kein Hippie-Festival ohne die spirituellen Angebote: Stimmheilung, Klangmassage, Trommeln, Hexerei - die Zeltklappe geht auf und es eröffnen sich neue Welten. Wer früher Pech hatte, fand sein Zelt in der Nähe eines Trommler-Zelts - heute gibt es erstaunlich viel Elektro-Musik bis spät in die Nacht. "Junge Leute halt", meint Festival-Geschäftsführer Gunther Lorz, der auf ein paarhundert Meter Matschstrecke begleitet, bis zum Zelt von Konstantin aus Pforzheim, der sich jedes Jahr zufällige Leute für Herzberg aussucht, dieses Mal an der Bushaltestelle in Alsfeld. "Wenn es richtig schüttet, bleibt keiner im Zelt, egal wie spät: Als es gestern richtig stark geregnet hat, sind wir alle in Parkas zur Techno-Bühne, um zwei Uhr nachts. Hauptsache raus." (mau) +++