Viele Menschen aus Gersfeld (Rhön) und darüber hinaus haben Angst. "Wir lassen unsere Kinder selbst zur Ferienzeit nicht mehr alleine raus", heißt es von manchen. Grund dafür ist ein Thema, was schon seit Jahren immer wieder auftaucht - der Wolf. - Archivfotos: O|N/ Hans-Hubertus Braune

GERSFELD (RHÖN) "Es muss etwas getan werden"

In Schachen herrscht die Angst vor dem Wolf

31.07.24 - Viele Menschen aus Gersfeld (Rhön) und darüber hinaus haben Angst. "Wir lassen unsere Kinder selbst zur Ferienzeit nicht mehr alleine raus", heißt es von manchen. Grund dafür ist ein Thema, was schon seit Jahren immer wieder auftaucht - der Wolf. Ebenso faszinierend wie gefürchtet, sorgt das Rudeltier immer wieder für teilweise blutige Schlagzeilen, wenn auch manchmal zu Unrecht. Doch aktuell gibt es im Gersfelder Stadtteil Schachen nur eine Meinung: Es muss etwas getan werden.

Fast schon täglich werden neue Begegnungen geschildert. In diversen Social-Media Gruppen werden minuziös alle Vorkommnisse bei Gersfeld aufgelistet, denn die Unzufriedenheit über den Status quo ist groß. Ein Ausschnitt:

  • 24.07. Ein Wolf verfolgt nachmittags eine 14-jährige Reiterin.
  • 23.07. Ein neunjähriger Junge wird vom Wolf abends angelaufen und flüchtet auf seinem Fahrrad vor dem Wolf.
  • 21.07. Ein Schäfer tritt an seiner Schafherde und einer benachbarten Büffelherde auf zwei Wölfe, welche die Herden umkreisen. Auf den Versuch des Schäfers hin, die Wölfe durch Hupen zu vertreiben, laufen die Raubtiere erneut auf den Schäfer und die Herde zu.

Zwar wurden in diesem Zeitraum wohl keine Tiere gerissen oder Menschen verletzt, doch heißt das trotzdem nicht, dass niemand zu Schaden gekommen ist. Die Hirten und Schäfer müssen mit der Zusatzbelastung klarkommen. Schäfer Klaus Keidel kennt die "ewige Jagd" der Wölfe und erzählt gegenüber O|N, was erst am Wochenende passierte. "Bei einer Kontrollfahrt am Freitagabend bemerkte ich zwei Wölfe, die meine Herde umkreist hatten. Meine Versuche, mit Lauten und Rufen die beiden Wölfe zu verjagen, waren vergeblich. Glücklicherweise kam ein Jagdpächter zur Hilfe. Zusammen konnten wir die Wölfe in Flucht schlagen." Die Wölfe kehrten allerdings zurück und machten wieder Jagd auf Schafe, Rinder und Wasserbüffel. "Die ganze Nacht haben wir damit verbracht, die Nutztiere zu schützen. Die Wölfe haben sie kreuz und quer durch die Felder gejagt", erzählt er.

Das Tier wurde stundenlang durch den Stromzaun geschockt. Fotos: Privat

"Schachen hat Angst"

Zwei Tage später der nächste Vorfall. "Als ich am Sonntagmorgen zu meiner Schafsherde bin, war sie komplett zerstreut. Die ganzen Zäune und Absperrungen waren herausgerissen." Für Keidel besteht kein Zweifel: das Werk des Wolfes. "Dabei fand ich ein Schaf komplett in den Elektrozäunen verheddert. Es stand über Stunden unter Strom und hatte Bisswunden. Wahrscheinlich wurde es nur nicht gerissen, weil die Wölfe die Stromschläge bekommen hatten." Solche Vorfälle gehören wohl schon fast zum Alltag. Gemeldet wurden die ganzen Vorfälle zwar offiziell noch nicht, aber es sei "in Planung". Mittlerweile haben sich einige Leute zusammengetan, die regelmäßig "auf Streife" fahren. Denn der Wolf kommt mittlerweile bis zu zehn Meter an die Häuser heran. "Das ganze Dorf steht unter Anspannung", betont Keidel. "Schachen hat Angst."

"Es besteht Handlungsbedarf"

Angst, die vielleicht manchmal übertrieben ist, wie ein langjähriger Jagdpächter der Region gegenüber O|N erklärt. "Der Wolf ist schon seit zwei, drei Jahren hier. Es kommt natürlich immer wieder zu Rissen, auch wenn einige nicht eindeutig dem Wolf zugeordnet werden konnten. Ich persönlich habe keine Angst vor dem Wolf - ebenso wenig wie meine Kinder", betont er, fügt aber hinzu: "Nichtsdestotrotz besteht Handlungsbedarf. Sehr viel Wild und Weidetiere werden aufgescheucht. Alleine für die Schäfer und Hirten muss etwas getan werden. Die Wolfspopulation vermehrt sich immer mehr, das war bei den Waschbären genau so, jetzt sind sie eine Plage, der wir kaum Einhalt gebieten können"

Seine Hinweise für die Menschen vor Ort: "Es ist ratsam, den Hund an der Leine zu halten, denn der Wolf gewinnt immer. Grundsätzlich sollte man auch auf den Wegen bleiben und im Wald die ausgewiesenen Wege benutzen. Wenn man einem Wolf dann doch noch begegnet, gilt es sich groß und bemerkbar zu machen. Auf keinen Fall wegrennen oder sogar losstürmen. Langsam entfernen und dem Tier seinen Rückzugsraum geben."

Archivfotos: O|N/ Hans-Hubertus Braune

Vorfälle immer melden

Was sagt das Wolfzentrum Hessen vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) zu diesen Vorfällen? "Bei uns wurden wenige bis keine dieser Vorfälle der letzten Wochen gemeldet. Der letzte gesicherte Wolfnachweis (Stand 29.07.24) war ein Nutztierschaden am 3. Juli in Gersfeld" wird uns erklärt. "Wenn es zu Vorfällen kommt, sollten diese umgehend über die Wolfshotline gemeldet werden. Bilder oder Videos werden dann von unseren zuständigen Mitarbeitern geprüft und vor Ort verifiziert, denn es kommt oft vor, dass solche Dinge in den sozialen Medien kursieren und dabei dann gar nicht zu den Ortsmarken passen. Erst wenn diese Verifizierung abgeschlossen ist und der sachgerechte Grundschutz für Nutz- und Weidetiere gegeben war, können Proben entnommen werden und auch Entschädigungen veranlasst werden." Wahrscheinlich nichts Neues für die Betroffenen aus der Rhön. Ihr Unmut ist auch für die HLNUG verständlich - jedoch betont das Amt abschließend:

"In der Region gibt es den Wolf seit 2021/2022. In Wildflecken gibt es auf dem Truppenübungsplatz ein Wolfsrudel sowie auf der bayrischen Seite bei der Langen Rhön. Manche können sich verirren oder Gemeinden zu nahekommen. Doch das ist nicht automatisch ein auffälliges Verhalten. Wenn ein Wolf jedoch wiederholt Nähe zu Menschen sucht, dann sollte man dies melden. Dann gilt es, diese Situation zu beobachten und zu erörtern, ob weitere Maßnahmen nötig sind."

Was bleibt, ist auf die Politik zu hoffen. Die hessische Landesregierung hat den Wolf auf die Agenda gesetzt. Erst im April hieß es, dass ein Maßnahmenpaket nicht nur eine aktive Bestandsregulierung ermöglichen, sondern auch Weidetierhalter unterstützen soll (O|N berichtete). Die Lage bleibt jedoch bis dahin weiterhin mehr als nur angespannt. (ms) +++


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