Das Wohltätigkeitskonzert des Heeresmusikkorps Kassel in der Orangerie - Fotos: Henrik Schmitt

FULDA Akkuratesse und Leidenschaft

Das Heeresmusikkorps begeistert in der Orangerie

12.09.24 - Blasmusik kann schrecklich sein, wenn sie gestümpert wird. Auf dem Niveau des Heeresmusikkorps aber ist sie hinreißend. Denn die haben es einfach drauf – und wie! Das Datum des Wohltätigkeitskonzerts war sehr bewusst gewählt – der 11. September ist der Tag des schrecklichen Angriffs auf das World Trade Center in New York (2002), aber auch der Tag des ersten großen Bombenangriffs auf Fulda (1944).

Polizeipräsident Michael Tegethoff und SMOG-Vorsitzender Erwin Maisch

Akkuratesse und Leidenschaft

Liebe Fuldaerinnen und Fuldaer, ich muss Ihnen jetzt leider ein wenig die Nase lang machen. Viel zu wenige von Ihnen waren in der Orangerie, und das ist wirklich schade. Dieses Konzert zeigte den Klangreichtum von Blasmusik auf höchstem, professionellem Niveau. Eine traditionelle Aufgabe des Heeresmusikkorps sind militärische Anlässe wie Gelöbnisse oder große Zapfenstreiche. Es nimmt aber auch an großen Musik-Events wie dem Royal Edinburgh Military Tattoo und der Steuben-Parade in New York teil und macht Konzertreisen durch Europa und die USA. Fast 200 Auftritte pro Jahr absolvieren die ca. 50 Musikerinnen und Musiker.

Viele Märsche und der Walzer der Walzer

Oberstleutnant Tobias Terhardt, der das Heeresmusikkorps leitet, hatte sich für eine eher klassische und gesetzte erste und eine rockig-populäre zweite Konzerthälfte entschieden. Klar, dass bei einem Heeresmusikkorps einige Märsche auf dem Programm standen – die militärischste aller Musiken. Zu Beginn erklang Albert Segebrechts "Graf-Eberhard-Marsch" aus dem 19. Jahrhundert, den Abschluss machte der "Marsch der Medici" von Johan Wichers (1938). Mit der berühmt-berüchtigten Familie aus Florenz hat der Marsch allerdings nichts zu tun, Wichers widmete ihn den Ärzten (lat. ‚medici‘), die ihn während eines längeren Krankenhausaufenthalts behandelten.

Der Marsch "Freiheitsfarben" wurde zum 100-jährigen Jubiläum der Organisation Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold von alten Schellackplatten rekonstruiert, denn es gab keine Noten. Das Reichsbanner setzte sich in der Weimarer Republik für das ein, was wir heute freiheitlich-demokratische Grundordnung nennen. Einen sehr ähnlichen Spirit hat James L. Hoseys Marsch "Guardians of Peace" – es ist der Marsch der Amerikanischen Nordatlantikflotte. Zwischendurch wurde es wienerisch und kaiserlich – Johann Strauss‘ "Kaiserwalzer" (1889) erklang. Das Stück wurde zu Ehren der neu geschlossenen Allianz zwischen Deutschem Reich und der Donaumonarchie komponiert. Die preußisch-habsburgische Verbundenheit zeigt der Walzer auch feinsinnig musikalisch, denn er beginnt nicht etwa im Dreivierteltakt, sondern im Marschrhythmus, bevor es sich ganz der Walzerseligkeit hingibt.

Von Kap Hoorn bis Camelot

Das Kap Hoorn galt lange als eine der gefährlichsten Schiffspassagen überhaupt – weit über 800 Schiffe und mehr als 10.000 Seeleute sollen hier in den Fluten untergegangen sein. Geradezu Programm-Musik ist das Stück "Kap Horn" von Otto M. Schwarz, der v.a. als Filmkomponist bekannt ist. Schwarz zeichnet die Schönheit und die Gefährlichkeit dieser Gegend musikalisch nach – und wählt als Solo-Instrument ein Waldhorn (nach dem Instrument ist das Stück auch benannt). Solist Eckhart Vollbrecht beherrschte dieses äußerst schwierige Instrument bravourös.

Vor der Pause wurde es dann mystisch, denn es erklang José Alberto Pinas "Excalibur". Stellen Sie sich eine musikalische Version von Marion Zimmer Bradleys Roman "Die Nebel von Avalon" vor, dann wissen Sie ungefähr, wie es klang. Man sah Cornwalls grüne Hügel förmlich vor sich, die Nebelschwaden, Zauberer Merlin und natürlich Artus, der als einziger das Schwert Excalibur aus dem Stein zu ziehen vermochte und folglich König wurde.

Von der Steeldrum zur Generation Golf

Was für ein Glück, dass das Heeresmusikkorps beim Royal Military Tattoo in Edinburgh dabei war und dort auch Musiker aus Trinidad & Tobago kennenlernte. Hauptfeldwebel und Schlagzeugerin Claudia Römer verfiel dem Steelband-Sound sofort und wollte eine Steeldrum kaufen. Geht nicht, bedeutete man ihr, die machen wir doch selbst. So bestellte die Musikerin eine Steeldrum für sich, die nach langer Reise auch irgendwann im Kasseler Zollamt landete und dort für einige Verwirrung sorgte. Man hielt das Dingsda nämlich nicht für ein Instrument, sondern für ein ganz abgefeimtes Drogenschmuggel-Behältnis. Das konnte musikalisch aufgeklärt werden – und wir wurden erfreut mit einem Steeldrum Medley, in dem auch Melodien von Harry Belafonte und den Drifters zu erkennen waren.

Für’s Publikum war das Generation Golf-Medley sicher der Höhepunkt. Von "Final Countdown" (Europe) über "Reality" (Richard Sanderson, La Boum – die Fete), zu "Garden Party" (Mezzoforte) und "Still got the Blues” (Gary Moore) bis "Wake me up” (Wham) wurde ein 80er-Jahre-Bogen gespannt. Wahrscheinlich hätten das Publikum alles mitsingen können, denn das waren natürlich Hits, die Erinnerungen wachriefen. Es war faszinierend zu hören, wie das Heeresmusikkorps den spezifischen Sound dieser Songs traf. Sagen wir so: Hardrock und Blasmusik ist ein ‚match made in heaven". Blues und Blasmusik ist zwar keine naheliegende Kombination, so gespielt überzeugt sie aber sofort. Schmachtfetzen werden durch Blasmusik deutlich erträglicher, Popmusik verträgt sich hervorragend mit Blasmusik, statt George Michael eine Piccoloflöte zu hören, funktionierte z.B. grandios. Nicht zu vergessen die beiden tollen Saxophon-Solos in den Stücken von Mezzoforte und Gary Moore, die hätten sicherlich ihren Spaß an diesen Versionen gehabt.

Äußerst gut gelaunt verabschiedeten sich Musiker und Publikum voneinander, und es gab viel Beifall für das Heeresmusikkorps. Die Erlöse des Konzerts kommen der sozialen Arbeit von DAFKS (Deutsch-Amerikanischer Freundschafts-, Kultur- und Sportverein) und SMOG e.V. (Schule machen ohne Gewalt) zugute. (Jutta Hamberger) +++


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