Hochwasserlage spitzt sich zu - Weitere Evakuierungen
16.09.24 - In Tschechien, Polen und Österreich entwickelt sich die Lage aufgrund anhaltender Unwetter dramatisch. Auch in Deutschland steigen langsam die Pegelstände.
Die Hochwasserlage spitzt sich in Teilen Europas weiter zu: In Polen brach ein Staudamm, in Tschechien finden weitere Evakuierungen statt, und in Österreich ist ein Stausee kurz vor dem Überlaufen. Auch in östlichen Regionen in Deutschland steigen die Pegelstände langsam, aber stetig. In Dresden werden Schutzmaßnahmen für die Altstadt vorbereitet.
Auch in Tschechien sind die Regionen im Osten des Landes am stärksten betroffen - dort werden weitere Menschen evakuiert. Nach Angaben der Feuerwehr wurden bereits mehr als 10.000 Personen in Sicherheit gebracht. Die Zahl könnte demnach auf bis zu 30.000 steigen. Im Altvatergebirge sind bereits mehrere Häuser nach den Überflutungen eingestürzt.
Tschechischer Regierungschef appelliert an Bürger
Der tschechische Regierungschef Petr Fiala hat an die Bürger appelliert, angesichts von Hochwasser und Überschwemmungen den Anweisungen der Einsatzkräfte zu folgen. Manche Menschen weigerten sich, den Evakuierungsbefehlen Folge zu leisten und ihre Wohnungen oder Häuser zu verlassen. «Damit gefährden sie nicht nur sich selbst, sondern auch diejenigen Menschen, die dann versuchen müssen, sie zu retten, wenn es dramatisch wird», sagte der liberalkonservative Politiker im öffentlich-rechtlichen Fernsehen CT. Wer glaube, dass die präventiven Maßnahmen unnötig seien, irre.In Opava an der Grenze zu Polen musste die Feuerwehr bereits mit Booten ausrücken, um in einer überfluteten Plattenbausiedlung Zurückgebliebene zu retten. Andernorts warteten Menschen auf Dächern auf Hilfe. Mindestens vier Menschen gelten seit Beginn des schweren Unwetters als vermisst. An mehreren Pegel-Messstationen an Nebenflüssen der Oder wurde ein Jahrhunderthochwasser gemeldet. «Wir müssen damit rechnen, dass das Schlimmste noch nicht hinter uns liegt», warnte Fiala.
Staudamm in Polen bricht Im Südwesten Polens brach unterdessen ein Staudamm. Nachdem das Bauwerk im niederschlesischen Stronie Slaskie nachgegeben habe, ströme das Wasser jetzt den Fluss Biala Ladecka hinunter und nehme Kurs auf das Gebiet der Glatzer Neiße, teilte das Meteorologische Institut auf X mit. Es sei eine «ernste Bedrohung» für die Orte entlang dieser Flüsse. Die Polizei habe einen Rettungshubschrauber in die Gegend geschickt, um vom Wasser eingeschlossene Menschen in Sicherheit zu bringen. Auch Soldaten der Armee und des Heimatschutzes seien im Einsatz.
Der Ort Stronie Slaskie liegt im Glatzer Schneegebirge an Polens Grenze zu Tschechien. Am Samstagabend war in der gebirgigen Gegend bereits ein Staudamm in Miedzygorze übergelaufen.
Auch in dem schlesischen Dorf Glucholazy bei Oppeln (Opole) mussten Bewohner mit Hubschraubern in Sicherheit gebracht werden. Die Wassermassen rissen eine provisorische Brücke weg, auch der Neubau einer Brücke in der Nähe wurde beschädigt.
Die Behörden in Polen rechnen nicht mit einer Entspannung der Lage. Der Sicherheitsberater von Präsident Andrzej Duda, Jacek Siewiera, schrieb nach Beratungen mit der tschechischen Seite auf X, besonders in den Nebenflüssen der Oder, die in Tschechien entspringen, werde der Wasserstand in den kommenden Stunden noch weiter steigen.
Stausee in Österreich kurz vor dem Überlaufen In Niederösterreich schauen Einsatzkräfte gebannt auf die Staumauer am Kraftwerk Ottenstein am Fluss Kamp. Weil der Dauerregen anhält, rechnet der Krisenstab damit, dass das Wasser am Nachmittag aus dem Staubecken über die Mauer läuft.
Im Kamptal wird mit einer Flutwelle gerechnet. «Die Situation wird sich heute Nachmittag sicherlich noch einmal zuspitzen», warnte der Bürgermeister von Gars am Fluss Kamp, Martin Falk, im Sender oe24. Im Ort mit rund 300 Einwohnern wurden gut 151 Menschen in Sicherheit gebracht. Im ganzen Bundesland Niederösterreich waren die Einwohner von 1.100 Häusern vorsichtshalber evakuiert worden. Das Kraftwerk Ottenstein liegt rund 120 Kilometer nordwestlich von Wien.
«Wir haben es mit einer noch nie dagewesenen Extremsituation zu tun», sagte der Stellvertreter der Landeshauptfrau (Ministerpräsidentin) von Niederösterreich, Stephan Pernkopf. In einigen Hochwassergebieten Österreichs ist innerhalb von vier Tagen so viel Regen gefallen wie sonst im gesamten September. Das berichtet Geosphere Austria, die Bundesanstalt für Geologie, Geophysik, Klimatologie und Meteorologie. Zum Beispiel seien unter anderem an der Wetterstation in St. Pölten, der Hauptstadt des Bundeslandes Niederösterreich, 300 bis 350 Millimeter gefallen. Das entspricht 350 Litern pro Quadratmeter.
Schutzmaßnahmen für Dresdner Altstadt Auch in Deutschland steigen die Pegelstände langsam. So soll die Dresdner Altstadt durch mobile Schutzwände vor dem steigenden Hochwasser geschützt werden. Entsprechend aktueller Pegelstandprognosen sind die Aufbauarbeiten für Montagmorgen geplant, wie die sächsische Landeshauptstadt mitteilte. So soll verhindert werden, dass Wasser über das Terrassenufer in die Altstadt fließt. Sollte der Wasserstand schon früher 5,50 Meter erreichen, wird der Beginn der Arbeiten vorgezogen.
Für Dresden meldete das Landeshochwasserzentrum zuletzt einen Wasserstand von 4,56 Metern, es gilt Alarmstufe 1. Der Normalstand der Elbe liegt am Dresdner Pegel bei 2 Metern, beim Jahrhunderthochwasser 2002 waren es 9,40 Meter. Am Nachmittag oder frühen Abend soll der Richtwert von 5 Metern für Alarmstufe 2 erreicht werden, am Montagnachmittag dann 6 Meter (Alarmstufe 3).
Für den Elbepegel in Schöna an der Grenze zu Tschechien wird laut aktuellen Prognosen für Dienstag das Erreichen der höchsten Alarmstufe 4 erwartet. Der entsprechende Pegelstand von 7,50 Metern soll dort gegen Dienstagmittag überschritten werden, wie aus Daten des Landeshochwasserzentrums (Stand: 12.45 Uhr) hervorgeht.
Seit dem frühen Morgen gilt in Schöna Alarmstufe 2, bei zuletzt 5,59 Metern Wasserstand. Der Mittelwert liegt dort bei 1,58 Metern. Bereits heute Abend soll der Richtwert von 6 Metern für Alarmstufe 3 erreicht sein. (Von Doris Heimann und Michael Heitmann, dpa) +++