Selbstgebaute Holzkutter und Chinaflitzer: "Abfahren" beim Schiffsmodellclub
28.10.24 - Schiffsmodellbau als Hobby, das klingt erstmal altbacken. Der Schiffsmodellclub Fulda hat trotzdem keine Nachwuchssorgen - auch weil der Einstieg durch Modelle aus China günstiger ist als nie. Am Sonntag zum "Abfahren", dem Saisonende am Aueweiher, flitzen die Teenager mit ihren Fertigmodellen über den See. Alte Hasen wie Johann Lennartz gehen es langsamer an.
Lennartz baut seit beinahe sechzig Jahren Schiffs- und Flugzeugmodelle. Weil er mit 86 Jahren nicht mehr so gut laufen kann, hat er sich für den Weg vom Parkplatz zum südlichen Bleichhaus, dem Vereinsheim, ein Elektromobil mit Anhänger für seine Modelle gebaut. Das Holzdeck eines Kutters ist aus Einweg-Rührstäbchen für den Kaffee gebaut, auch sonst ist der Veteran stolz auf seine Lösungen Marke Eigenbau. "Die Funktechnik ist ja schon Luxus: Anfangs hatten die kleinen Boote gar keine Steuerung. Man hat den Motor gestartet und musste ein Ziel auf der anderen Seite des Sees treffen. Erst in den 1960er-Jahren wurde die Funktechnik populär. Ich habe als 12-Jähriger meine erste Fernsteuerung gebaut. Meine älteste Schwester hatte einen Amerikaner geheiratet, von dem bekam ich die Teile dafür. Die erste Fernsteuerung hatte eine Sendeleistung von 110 Watt - im Umkreis von 500 Metern sind erstmal die Radios gestört gewesen, da musste ich nacharbeiten", so Lennartz, der unweit der Wasserkuppe wohnt und dort 40 Jahre lang Modellflugzeuge geflogen ist.
"Das Boot zerschießen ist leicht"
Viele der Vereinsmitglieder des Schiffsmodellclubs Fulda kommen entweder vom ferngesteuerten Modellauto oder dem Modellflugzeug. Während Lennartz seine Modelle mit Bohrmaschinenmotoren und viel Liebe zum Detail ausstattet, ist den jüngeren Mitgliedern das Fahren wichtig, vor allem das schnelle. Christian Martin hat sich ein kleines Rennboot zugelegt, das für 140 Euro erstaunlich schnell über den See flitzt. "Das Boot zerschießen ist leicht - wenn die Zuleitungen für die Wasserlüfter im Aueweiher zu nah an der Oberfläche sind, kommt man beim Drüberfahren mit dem Seitenruder dran", erklärt Martin. Der 37-Jährige Fuldaer ist am See vorbeigelaufen, als die Vereinsmitglieder sonntags ihre Modelle ausgefahren haben - nach kurzer Zeit hat er sich selbst eines zugelegt."Es ist vieles einfacher geworden: Früher musste noch gequarzt werden, Sender und Empfänger auf dieselbe Frequenz gestellt werden, damit man die anderen nicht stört. Heute läuft alles auf 2,4 Gigahertz und die Modelle suchen sich in 150-Kanal-Schritten selbst etwas aus. Außerdem ist der Einstieg heute wesentlich günstiger: Ein einfaches Modell mit Fernbedienung und Akku gibt es schon für 40 Euro. Die Chinesen haben unheimlich aufgeholt, was die Qualität betrifft: Motoren und Akkus sind inzwischen wirklich ordentlich - da kann jeder seinem Kind ein Modellschiff schenken, ohne zu tief in die Tasche greifen zu müssen", erklärt Georg Franke, der erste Vorsitzende des Vereins. Schon seit 1960 wird am Aueweiher Modell gefahren, im Vereinsheim reihen sich die Pokale und Urkunden.