Schwartenmagen-Segnung im Gnadenraum: Thorsten Waap ist Diaspora-Dekan
06.11.24 - Von 73 Gemeinden auf 24, von 70.000 Gläubigen auf 40.000: Thorsten Waap ist seit Mai dieses Jahres Dekan des Kirchenkreises Fulda und kommt von der protestantischen Hochburg Hersfeld-Rotenburg in die katholische Barockstadt, um hier an den Veränderungsprozessen seiner Kirche mitzuwirken.
Waap war mehr als 22 Jahre Gemeindepfarrer in Heringen (Werra), zuletzt mit halber Stelle als stellvertretender Dekan des Kirchenkreises Hersfeld-Rotenburg. Als der Ruhestand von Dekan Bengt Seeberg bevorstand, wurde Waap gefragt, ob er sich das Amt in Fulda vorstellen könne. Keine leichte Entscheidung: Nicht nur wurde der 54-Jährige in Bad Hersfeld geboren und war dort und in Heringen (Werra) durch vielerlei Freundschaften gebunden, das historisch-religiöse Umfeld in beiden Regionen könnte auch kaum unterschiedlicher sein.
"Diasporal" für Muskeln und Nerven
Während die Bevölkerung in Heringen (Werra) bereits kurz nach dem Beginn der Reformation geschlossen zum neuen Glauben übertrat, konnten Protestanten in Fulda erst ab 1803 nach Jahrhunderten wieder Gottesdienste feiern, die neugotische Christuskirche wurde 1896 erbaut. Zum Abschied bekam Waap dann auch eine Packung "Diasporal" für Muskeln und Nerven geschenkt. Die eigentliche Diaspora sieht Waap allerdings im Leben von Christinnen und Christen in einer inzwischen beinahe komplett säkularisierten Welt:"Fulda ist in dieser Hinsicht phasenverschoben: Hier ist die Kirche weiterhin ein wichtiger Player im Gemeinwesen. Und doch können wir uns keine zentrifugalen Kräfte in der Gesellschaft erlauben. Vor allem die absolute Individualisierung des Menschen ist auf dem Vormarsch, in Hessen leben inzwischen 42 Prozent der Menschen in Single-Haushalten. Wir müssen Menschen intensiv auch mit neuen Formaten ansprechen, Drop-In-Taufe und Theatergottesdienst sind da Beispiele. Gleichzeitig darf dabei die Tiefe nicht verloren gehen: Unsere Aufgabe ist es zu vermitteln, was es heißt, aus dem Glauben zu leben und Menschen Gnadenräume offenzuhalten."
Einnahmesituationen generieren
Erst im April wurde auf der Landessynode in Hofgeismar verkündet, dass der Mitgliederschwund in der Kurhessischen Kirche einen Verzicht auf voraussichtlich 30 Prozent der Kirchengebäude notwendig machen wird. Für den Kirchenkreis Fulda mit seinen nur 24 Gemeinden von Flieden im Süden bis Mansbach und Buchenau im Norden sowie von Großenlüder im Westen bis nach Hilders und Tann im Osten sieht Waap diese Notwendigkeit nicht so ausgeprägt - wenn auch nur wegen der vergleichsweise geringen Anzahl an Gebäuden. Doch in insgesamt drei Auswahlgesprächen fürs Dekansamt in Fulda musste Waap seine Ideen pitchen, wie der notwendige Transformationsprozess im Kirchenkreis auch finanziell gestaltet werden kann. "Es muss auch darum gehen, neue Geldquellen zu erschließen: Fundraising in Gemeinden ist ein wichtiges Thema, ebenso Fördervereine für die Gemeindearbeit. Kirche kann nicht mehr alles staatsanalog leisten. Wir müssen Einnahmesituationen generieren. Aber die Menschen sollen gerne bei der Kirche arbeiten, weil wir gut miteinander umgehen, im Geiste Jesu Christi."
Der Verkehr umfließt die Christuskirche, über den Garten geht es direkt ins Dekanat in der Heinrichstraße, wo Waap mit seiner Familie lebt. Die Barockstadt hat Eindruck gemacht: "Ich komme vom Dorf und selbst Bad Hersfeld ist immer noch recht beschaulich. Was hier als Erstes auffällt: wie viel kulturell geboten wird. Ob Bonifatiusmusical oder Domplatzkonzerte, das kenne ich so aus keiner anderen Stadt dieser Größenordnung. Und neulich galt es, einen Schwartenmagen zu segnen, das dürfte auch einzigartig sein. Ich habe immer noch den Blick von außen und will mir den auch noch etwas bewahren." (mau) +++