Donald Trump kehrt zurück an die Macht. - Fotos: Evan Vucci/AP/dpa

WASHINGTON/WEST PALM BEACH US-Wahl

Amerika hat sich entschieden: Donald Trump wieder Präsident

06.11.24 - In seiner ersten Amtszeit hielt Donald Trump die USA und die Welt in Atem. Nun kommt er zurück - entfesselter und extremer denn je. Mit dramatischen Folgen. Donald Trump ist die Genugtuung ins Gesicht geschrieben. «Es ist ein politischer Sieg, wie ihn unser Land noch nie erlebt hat», ruft der Republikaner seinen Anhängern in einem Tagungszentrum im Bundesstaat Florida zu. Er steht umringt von seiner Familie und seinem Vizekandidaten J.D. Vance auf der Bühne, lässt sich feiern und verspricht eine blühende Zukunft für das Land: «Dies wird wirklich das goldene Zeitalter Amerikas.»

Der Trump-nahe Sender Fox News hat ihn kurz zuvor zum Sieger der Präsidentschaftswahl ausgerufen. Andere Sender und die Nachrichtenagentur AP folgen ein paar Stunden später. Erst dann herrscht Gewissheit - und viele Menschen wachen damit am Morgen nach der Wahl in einem anderen Amerika und einer anderen Welt auf.

Die große Überraschung in der Wahlnacht

Eigentlich hatte alles nach einem extrem knappen Rennen zwischen ihm und der Demokratin Kamala Harris ausgesehen – und nach einer tagelangen Zitterpartie für das Land. Doch am Ende ging alles ganz schnell. Trump legte einen unerwarteten Durchmarsch hin, gewann einen Swing State nach dem anderen und erklärte sich danach noch in der Wahlnacht selbst zum Sieger - nach der Kür durch Fox News und bevor das Ergebnis wirklich feststand.

Mit Trump rückt zum ersten Mal in der US-Geschichte ein verurteilter Straftäter auf das höchste Staatsamt auf. Eine zweite Trump-Präsidentschaft hat dramatische Folgen: Die Amerikaner müssen um ihre Demokratie bangen, die Ukrainer um die Existenz ihres Landes, die Europäer um ihre Sicherheit ihres Kontinents, und die Menschen im globalen Westen um das Machtgefüge auf der Welt.

Trump 2.0: Entfesselter, extremer, erratischer

Die USA und die Welt können sich auf einen entfesselten Donald Trump einstellen: selbstbewusster und erbarmungsloser denn je. Und noch extremer und unberechenbarer als in seiner ersten Amtszeit. Der Republikaner hat bereits damals mit nahezu jeder Konvention gebrochen, schwere internationale Verwerfungen ausgelöst und das Verfassungssystem der USA an den Rand des Zusammenbruchs gebracht.

Seit dem Abschied aus dem Amt hat er unbeschadet eine Vielzahl an Skandalen, Affären und juristischen Desastern überstanden, die jedem anderen längst die politische Karriere gekostet hätten. In einer neuen Amtszeit dürfte er deshalb erst recht nicht mehr davor zurückschrecken, weitere Grenzen zu überschreiten und Tabus zu brechen.

Gleichzeitig ist Trump gealtert. Im Wahlkampf wirkte der 78-Jährige mitunter noch erratischer als in seiner Regierungszeit, gab teils zusammenhanglose Monologe von sich, endlose Schimpftiraden und Pöbeleien in alle Richtungen – vor allem rassistische und entmenschlichende Ausfälle gegen Migranten.

Trump ist in den vergangenen Jahren noch mehr ins Extrem gerutscht. Und in einer zweiten Amtszeit dürfte er auch nicht mehr viele moderate Republikaner an seiner Seite haben, die mäßigend auf ihn einwirken – sondern vor allem radikale Konservative, die ihn in extremen Positionen nur bestärken. Als Außenminister etwa ist der Hardliner Richard Grenell im Gespräch, der als Botschafter in Deutschland mit seiner rabiaten Art aneckte.

Was Trump vorhat

Trump hat eine radikale Agenda für seine zweite Runde im Weißen Haus. Er plant die «größte Abschiebeaktion in der amerikanischen Geschichte», um im ganz großen Stil Migranten aus dem Land zu jagen. Er möchte etwa das Bildungsministerium abschaffen, Straftäter der Kapitol-Attacke begnadigen, im Staatsapparat aufräumen und sich an politischen Gegnern rächen.

Der Republikaner kokettiert, «Diktator» wolle er nur am ersten Tag einer zweiten Amtszeit sein, und tatsächlich könnten die USA unter ihm autokratische Züge bekommen. Er hat Gegnern, Journalisten und Medienhäusern vielfach mit Vergeltung gedroht. Er sprach sich zuletzt sogar dafür aus, das Militär gegen «Feinde im Innern» einzusetzen – also gegen US-Bürger, nämlich gegen «linksradikale Irre». Als Beispiel nannte er prominente Demokraten.

Und international? Trump behauptet unter anderem, dass er den Ukraine-Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden und auch den Nahost-Konflikt im Handumdrehen lösen könnte. Gleichzeitig droht er damit, die gewaltigen US-Militärhilfen für die Ukraine dramatisch zurückzufahren oder ganz einzustellen, Russlands Präsident Wladimir Putin bei dessen Eroberungszug in der Nachbarschaft freie Hand zu lassen und anderen Nato-Staaten im Falle eines Angriffs den militärischen Beistand zu verweigern.

Trump stellt sich selbst gerne als den starken Mann dar, mit dem sich international niemand anlegen wolle und vor dem Autokraten aus anderen Teilen der Welt schlicht Angst hätten. Tatsächlich ist er aber vor allem eines: unstet und unberechenbar. Damit hatten in seiner ersten Amtszeit Staats- und Regierungschefs aus aller Welt zu kämpfen. Und damit bekommen sie es nun wieder zu tun – mit unabsehbaren Folgen. Europa und die Nato müssen sich vorwerfen lassen, dass sie zu lange die Möglichkeit einer Trump-Rückkehr verleugnet und sich nicht ausreichend darauf vorbereitet haben.

Der Unantastbare

Nach der Attacke von Trump-Anhängern auf das US-Kapitol Anfang 2021 hatte es für einen kurzen Moment so ausgesehen, als habe sich der Republikaner auf alle Zeit für jedes Staatsamt disqualifiziert. Damals gingen zunächst selbst treue Weggefährten auf Distanz zu ihm, doch nach und nach kehrte einer nach dem anderen an seine Seite zurück. Zu sehr hat Trump die Basis im Griff. In den vergangenen Jahren hat Trump bewiesen, dass ihm nichts, aber rein gar nichts politisch etwas anhaben kann. Nicht das Chaos während seiner Amtszeit, nicht die Amtsenthebungsverfahren, nicht sein Angriff auf die Demokratie, nicht mehrere Anklagen, nicht die Verurteilung in einem Strafverfahren, kein Skandal, keine öffentliche Pöbelei – egal wie rassistisch, sexistisch oder vulgär sie auch sein mag. Nichts.

Das große Warum

Die Amerikaner haben ihn trotzdem gewählt – oder gerade deswegen. Dass Trump einmal mehr mit einer Kampagne Erfolg hat, die vor allem auf Hass und Angstmacherei aufgebaut war, sagt viel über den Zustand der amerikanischen Gesellschaft aus. Manche haben ihn aus Frust gewählt, andere aus Überzeugung, wieder andere aus einem einzelnen politischen Grund – etwa wegen seiner Wirtschaftspolitik, wofür sie über den Rest großzügig hinwegsehen.

Die hohe Inflation trieb besonders viele Wähler um. Die Amerikaner trauten Trump beim Thema Wirtschaft mehr zu und stellten ihre eigenen Finanzen damit über menschliche Tugenden der Kandidaten.

Harris konnte mit ihren Warnungen vor Trumps diktatorischen Ambitionen und mit dem Paradethema Abtreibung bei vielen nicht durchdringen. Sie hatte damit zu kämpfen, dass sie als Vizepräsidentin eher unsichtbar blieb und auch die miesen Beliebtheitswerte des Amtsinhabers Joe Biden auf sie abfärbten.

Harris konnte zwar bei Frauen mehr punkten als Trump, aber kaum mehr als Biden vor vier Jahren. Trump wiederum schnitt etwa bei Schwarzen und Latinos besser ab als erwartet - aller Hetze gegen Minderheiten und Migranten zum Trotz. Bei Latinos etwa lag er ersten Wähleranalysen des Senders CNN zufolge ganze zwölf Prozentpunkte vor Harris. Und das Attentat auf ihn Mitte Juli, das er nur knapp überlebte, hat ihn im Wahlkampf politisch auch nur stärker gemacht.

Jener Mann also, der als 45. Präsident der Vereinigten Staaten der Nato mit einem Ausstieg der USA drohte, Grönland kaufen wollte und vorschlug, das Coronavirus durch Injektion von Bleiche in den menschlichen Körper zu bekämpfen rückt erneut auf das mächtigste Amt der Welt auf.

In den USA kann jemand zwei Amtszeiten lang Präsident sein, egal ob diese aufeinanderfolgen oder nicht. Trump bleiben also «nur» noch vier Jahre im Weißen Haus. Er hat jedoch in seiner ersten Amtszeit bewiesen, dass dies genug Zeit ist, um das Land auf den Kopf zu stellen - und die Welt. (Christiane Jacke, Andrej Sokolow, Julia Naue, Magdalena Tröndle, Luzia Geier, dpa) +++

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