PhonurgiaKlangOrchester mit Komponist Delf Maria Hohmann
10.11.24 - Am Samstagabend, dem 9. November 2024, erklangen in der Aula der Alten Universität Fulda ganz besondere Töne. Musiziert wurde mit Papier, Weingläsern, Stühlen, Füßen, Rachen und Nasen. Aber auch klassischen Musikinstrumente wie Geigen, Blockflöten, Cajón, Cello, Gitarren und die Orgel aus dem Baujahr 1734 kamen zum Einsatz. Das Konzert des PhonurgiaKlangOrchesters der Marienschule Fulda, geleitet von Dirigent Salomon Ebert, setzte unter Anleitung des Komponisten Delf Maria Hohmann ein Klangerlebnis in Anlehnung an Athanasius Kirchers Phonurgia Nova (veröffentlicht 1673) um, Andreas Hippert las dazu. Unterstützt wurde die Darbietung von der Buchnandlung Ulenspiegel, die Organisation, Management und Verpflegung der Musikerinnen und Musiker übernahm.
"Die sind einfach super, die machen das richtig gut!" stellte Delf Maria Hohmann schon kurz nach der Generalprobe klar. "Nur um das klarzustellen: Ich bin zwar der Komponist, aber das hier macht der Salomon Ebert. Der Dirigent hilft den Musikerinnen, das umzusetzen – einfach klasse." Anders als ein konventionelles Konzert war die Vorführung in der Aula der Alten Universität mit ihrer hervorragenden Akustik nicht darauf ausgelegt, das Publikum mit feinen Klängen zu erhalten. Stattdessen schuf Delf Maria Hohmann dreidimensionale akustische Landschaften, sogenannte soundscapes, die die Musikerinnen mithilfe ihres Dirigenten und durch die Interaktion mit dem in zwei konzentrischen Ovalen angeordneten Publikums umsetzten. Es war weniger ein Konzert als vielmehr ein Gesamtwerk aus lebhaft und anschaulich gelesenen Textstellen aus der Phonurgia Nova (Andreas Hippert las), von Delf Maria Hohmann per Lautsprechersystem geschaffenen soundscapes, Geräuschen aus dem Publikum und den von den Musikerinnen geschaffenen Tönen und Musikstücken, die spontan entstanden. Damit war der musikalische Teil des Konzerts in weiten Stücken improvisiert.
Abgrenzung unmöglich: Publikum wurde von Musik umspielt
Die Lautsprecher waren außen um den Raum herum angeordnet, Delf Maria Hohmann steuerte sie über sein Laptop einzeln an und spielte verschiedene, selbst aufgezeichnete akustische Erlebnisse ein. Die Bandbreite reichte von religiösen Gesängen, Wind und Naturgeräuschen über ein im leeren Stadion ohne Zuschauende aufgezeichnetes Fußballspiel bis hin zu politischen Reden und dem Lärm von Flugzeugturbinen. Andreas Hippert las die Textstellen aus dem Hintergrund und blieb weitestgehend unsichtbar für das Publikum. Die Musikerinnen dagegen bewegten sich mit ihren verschiedenen Klangquellen und Musikinstrumenten frei im Raum, umkreisten die beiden Zuschauerreihen, schritten dazwischen hindurch. So wurde das Werk Phonurgia Nova akustisch erlebbar für das Publikum. Die Textstellen waren chronologisch gewählt, sodass die Entwicklung in Athanasius Kirchers Gedanken ebenfalls klar wurden – bis hin zu der Feststellung, dass die Musik selbst gottgegeben sei.Im Mittelpunkt des Raums stand ein Kunstkopf aus Holz mit seitlich angebrachten Ohren aus medizinischem Silikon, ausgestattet mit In-Ear-Mikrofonen. Daneben hatte Delf Maria Hohmann zwei Stabmikrofone aufgebaut – er zeichnete die gesamte Darbietung auf. "Mit den In-Ear-Mikrofonen höre ich später – hoffentlich – das, was das Publikum auch gehört hat. Die beiden anderen Mikrofone zeichnen das auf, was hinter dem Kopf passiert, denn da hört der Kunstkopf ja nichts. So bekomme ich ein umfassendes Bild", erklärt der Komponist, wie er seine sound scapes versteht und bearbeitet.
Wissenschaft der Akustik, begründet im 17. Jahrhundert
Der Jesuitenmönch Athanasius Kircher befasste sich in seinem Werk Phonurgia Nova als Erster überhaupt wissenschaftlich mit dem Thema Akustik und Klangerzeugung. Er untersuchte die Funktionsweise der Äolsharfe (Windharfe) und legte im ersten Teil des umfassenden Werks dar, wie Schall entsteht und wie er sich im Raum bewegt. Seiner Theorie nach reflektieren Oberflächen Geräusche, so wie ein Spiegel Licht reflektiert. In den folgenden Kapiteln der Phonurgia Nova legt er dar, wie man mit verschiedenen Gegenständen (gebogenen Oberflächen, Röhren, Schalen und so weiter) Schall aufnehmen, verändern, verstärken kann. In Zeichnungen versuchte der Wissenschaftler und Mönch, Töne und Schall darzustellen – auch das ist sehr ungewöhnlich für diese Zeit, die Phonurgia Nova wurde 1673 veröffentlicht.Basierend auf diesen frühen Theorien des umfassend gebildeten Wissenschaftlers Athanasius Kircher hatte Delf Maria Hohmann, der selbst Gitarre, Banjo, Flöte, Konzertina, Dulcimer (Bordunzither) und verschiedene Percussioninstrumente spielt, zusammen mit Dirigent Salomon Ebert, den Schülerinnen und den von Andreas Hippert ausgewählten Textstellen die Klanglandschaften des Abends entwickelt.
Projekt zum Wachsen und Lernen – für Publikum und Musikerinnen
"Jetzt haben wir die Möglichkeit, mit einem Profi zusammenzuarbeiten, der das wagt. Der mit uns in die Öffentlichkeit geht", erläutert Salomon Ebert, was hinter der ungewöhnlichen Zusammenarbeit des international renommierten Musikers und Komponisten Delf Maria Hohmann, der Fuldaer Buchhandlung Ulenspiegel und den Schülerinnen der Marienschule Fulda steckt. "Normalerweise erleben wir musikalische Veranstaltungen der Schule ja so, dass die Profis für die Schulgemeinschaft musizieren. Jetzt haben wir hier einen Komponisten und Musiker gefunden, der mit den Schülerinnen arbeitet, die Schülerinnen musizieren selbst unter seiner Anleitung! Das ist ein ganz besonderes Projekt" Salomon Ebert betont insbesondere die Vernetzung mit außerschulischen Partnern, die, so hofft er, auch für künftige Projekte der Schule genutzt werden können.
Als Musiker befasst sich Delf Maria Hohmann mit zeitgenössischer und traditioineller Musik aus verschiedenen Kulturkreisen, ist musikalisch in der Folklore Frankreichs und Englands sowie in der jüdischen und deutschen musikalischen Tradition beheimatet. Aktuell lebt der Musiker und Komponist, der ursprünglich aus Fulda stammt, in Neufundland.
Das PhonurgiaKlangOrchester der Marienschule Fulda besteht aus Mathilda Loos, Lucia Hernandez Sanchez, Eva Zechmeister, Victoria Stein, Paula Obermayer, Ruth und Elisabeth Schneege, Julia Scholz, Evelyne Schulz, Fryderyka Rutynska, Melissa Merz, Emi-Marie Weber und Dirigent Salomon Ebert.
Hinweis im Sinne der Transparenz: Das Bildmaterial für diesen Beitrag entstand zum Teil schon während der nachmittäglichen Generalprobe, weil die Vorführung am Abend weitgehend in Dunkelheit stattfand. (mbw)
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