Haus "Zum Roten Ochsen" - einst Kircher-Ludwig - ist Hingucker der Mittelstraße
20.11.24 - Es ist ein echter Hingucker - das dreigeschossige Geschäftshaus, das den Einmündungsbereich Zitronemannsgässchen/ Mittelstraße beherrscht und am Dienstag eine weitere wichtige Aufwertung erfuhr: die Replik der Kartusche mit dem Roten Ochsen, die dem ehemaligen Gasthaus seinen Namen gab, komplettiert die Fassade des mit großem handwerklichem Aufwand sanierten Gebäudes. Die Anbringung des 100 Kilo schweren Schilds per Hubsteiger war bei heftigem Wind und Regen wirklich abenteuerlich und die Freude und Erleichterung bei allen Beteiligten schließlich riesengroß.
Bereits im Dezember vor einem Jahr berichtete OSTHESSEN|NEWS über die Restaurierung des Originalschildes, dem Tauben, Holzwürmer, Autoabgase und der Zahn der Zeit ordentlich zugesetzt hatten. Das raumgreifende Aushängeschild der heimischen Metzger-Innung mit dem Schriftband sah zu Beginn der Restaurierung wirklich arg mitgenommen aus. Dort wurde die von Fachleuten Kartusche (ein Zierrahmen um Wappen, Porträts, Gemälde oder Inschriftfelder) genannte Holzplastik 2010 abgenommen, weil sie sonst Passanten auf den Kopf zu fallen drohte. "Das Lindenholz war so mürbe geworden, dass man es mit dem Finger eindrücken konnte", berichtet Restaurator Jörg Büchner vom maroden Zustand des Originals. Im Keller des Hauses verschwand es für viele Jahre und geriet fast in Vergessenheit, bis das imposante Eckgebäude am Eingang zum Zitronemannsgässchen schließlich neue Besitzer bekam. Das restaurierte Original schenkte die Eigentümerfamilie dem Vonderau-Museum, um es vor weiterer Verwitterung zu schützen und damit es dort für die Nachwelt erhalten bleibt. Die jetzt am Haus installierte Replik entstand in Zusammenarbeit mit dem Instrumenten- und Flötenbauer Sibu Kunath in dessen Werkstatt in Maberzell.
Neue Besitzer mit Sinn für die historische Substanz
Das Ehepaar Mans hatte das Eckhaus 2020 vom Vorbesitzer Kircher gekauft, war natürlich auch am "Vorleben" des Gebäudes interessiert und recherchierte in alten Quellen im Stadtarchiv nach dessen Geschichte. Ursprünglich hatte an dieser Stelle ein Vorgängerbau gestanden, dessen Eigentümer wohl der Ochsenwirt Hanns Helmershausen war. Der Grundstein des Gasthauses "Zum roten Ochsen" ist auf 1578 datiert. In den folgenden Jahren wechselte das Gasthaus mehrfach die Besitzer. 1699 kaufte Christoph Kramer das Haus sowie die angrenzenden Grundstücke samt Schlachthaus, Schweineställen und Keller. Der neue Eigentümer war Metzgermeister und eine bekannte Fuldaer Persönlichkeit. Der "rote Ochse" galt schließlich als Zunftherberge der Bäcker, Tuchmacher, Glaser, Häfner, Hutmacher, Metzger, Perückenmacher und Schmiede und genoss hohes Ansehen.
Ein späterer Besitzer, Casper Makorn, erwarb 1856 den Meistertitel im Gerberhandwerk, eröffnete im Nachbarhaus ein Ledergeschäft und stellte den Gastbetrieb des Ochsen ein. Seine Tochter heiratete 1882 den Schuhmachermeister Johann Robert Kircher, der in das Ledergeschäft eintrat. 1906 wurde das Gasthaus abgerissen und ein dreigeschossiger Neubau in Renaissanceform mit gaubenbesetzten Mansarddach gebaut. Das Wirtshausschild wurde wieder am Erker der Nordfassade angebracht. 1923 entstand schließlich das heutige, große Geschäftshaus Mittelstraße 13/17 mit dem Maschinengeschäft "Kircher-Ludwig", dessen freigelegtes Emblem die Seitenfassade ziert. Anschließend zog 1984 ein Drogeriemarkt und schließlich ein Haushaltsdiscounter in das Gebäude ein.
Herausforderung für ein Gebäude dieses Baujahrs: Energieeffizienz, Brand- und Schallschutz
Das Fahrrad und Nähmaschinengeschäft Kircher-Makorn in der Mittelstraße ... ...Foto: Stadt-Archiv Fulda
Ein Foto von 1906 zeigt die Abbrucharbeiten am Haus "Kircher-Makorn", dem früheren ...Foto: Stadt-Archiv Fulda
Das Kulturdenkmal in der "Mittelstraße 13-17" wurde hochwertig und mit großem handwerklichem Aufwand saniert. Der Eigentümerfamilie war von Beginn an klar, dass sie aufgrund der Hausgeschichte eine große Verantwortung trägt und die Sanierung behutsam und mit fachlicher Expertise angehen wollte. Die Eigentümer planten die denkmalpflegerischen Arbeiten in enger Zusammenarbeit mit der unteren Denkmalschutzbehörde und dem Landesamt für Denkmalpflege Hessen. "Diese Vorgehensweise legte den Grundstein, um die ursprüngliche Schönheit des Gebäudes neu erstrahlen zu lassen." Die baulichen Gegebenheiten bedingten besondere Herausforderungen zur Erfüllung der Anforderungen an Energieeffizienz, Brand- und Schallschutz, berichtet die Besitzerfamilie. Mit dem Ergebnis sind sie vollauf zufrieden: "Durch die Nachbildung der historischen Schaufenster sind die Räume nun wieder lichtdurchflutet und das neue Schieferdach hält hoffentlich wieder 120 Jahre", scherzen die Bauherren. Die Fassade wurde an unterschiedlichen Stellen von einer Restauratorin auf historische Farbschichten untersucht und so konnte in Anlehnung an die Originalbefunde die heutige Farbgebung gefunden werden."
Mehr als 20 regionale Betriebe haben zum Gelingen des Gesamtprojektes beigetragen. Durch ihren Einsatz stehen der gastronomischen Nutzung nun rund 740 qm Gesamtfläche zur Verfügung. Bemerkenswert war die von Beginn an engagierte Zusammenarbeit mit der Betreiberfamilie Krejbich, die ebenfalls zum Erfolg des Familienprojektes beitragen konnte. Am Standort des ehemaligen Wirtshauses nimmt das neue Restaurant "Tondas" die Tradition des Roten Ochsen unter anderem durch zwei Hörner über dem roten O in seinem Logo auf. Und alle Feinschmecker können sich vorfreuen: nach einer feierlichen Eröffnung werden die Pforten ab dem 29. November für Gäste geöffnet sein. (Carla Ihle-Becker)+++