FULDA Berührende Geschichtsstunde

Theaterstück von und mit Jessica Stukenberg "Über das Meer" im Marianum

14.12.24 - "Ich liebe das Meer", sagt die Frau auf der Bühne zu Beginn - und beschreibt das, was wohl jeder sofort an angenehmen Bildern im Kopf hat: Tief durchatmen, Erholung, Weite, Blick bis zum Horizont, Salz auf den Lippen, Muschelnsammeln. Dabei erzeugt sie das Geräusch der Wellen mit zwei Bürsten auf einem Kissen. Doch so idyllisch geht es nicht weiter im Ein-Personen-Stück "Über das Meer", einer Theater-Recherche-Produktion des Freien Theaters Fulda. Den Oberstufen-Schülern des Marianum stehen an diesem Vormittag einige Zumutungen bevor.

Übers Meer - damit? Jessica Stukenberg überzeugt mit eindringlichem Spiel ...Fotos: Carina Jirsch

Es sind wahre Geschichten, die hier erzählt werden

Auf dem Gut in Ostpreußen ist vom Krieg noch wenig zu spüren

Es gibt genug Essen und viel Platz für Kinderspiele wie "Eckstein, alles muss versteckt ...

Denn Schauspielerin und Theaterpädagogin Jessica Stukenberg erzählt in kurzen Sequenzen wahre Geschichten von Frauen und Kindern, die ihr bisheriges Leben zurücklassen, um sich notgedrungen übers Meer aufzumachen. Ihr einziger Weg in die Freiheit führt übers große Wasser - und das ist keine Urlaubsreise, sondern gefährlich und vielfach tödlich.

"Fang mich doch!"

Doch die Front rückt näher, sie müssen fliehen

Es ist bitterkalt und beginnt zu schneien

Das Silber und den Familienschmuck für eine Schiffspassage

"Wir müssen unbedingt mit!"

Da ist Gisela, die auf einem Guthof in Pommern eine unbeschwerte Kindheit genießt. Der Krieg scheint weit weg, es gibt genug zu essen, die Kinder haben viel Freiraum für ihre Spiele. Doch die Front rückt unaufhaltsam näher, die Höfe brennen und werden geplündert, ein Exodus beginnt. Doch was packt man ein, wenn man gar nicht weiß, wohin es geht und nur einen kleinen Koffer mit auf die Flucht nehmen darf? Den Familienschmuck, das Tafelsilber oder das Spitzendeckchen, an dem die Großmutter so lange gehäkelt hat? Die Stimme von Gisela, der Tante von Jessica Stukenberg im Original zu hören, die im eiskalten Januar 1945 mit tausenden anderen Flüchtlingen Richtung Ostsee unterwegs ist, hat die jungen Zuschauer tief beeindruckt. Die Einspieler lassen keine Illusion zu, dass es ja "nur ein Theaterstück" ist.

Es ist geschafft, ein Platz auf dem Schiff ist gesichert

Es ist die Wilhelm Gustloff

Und die Flucht wiederholt sich bis heute

Sie alle haben sich auf die gefährliche Reise übers Mittelmeer gemacht ...

Das grausame Schicksal der Fliehenden, die all ihre Hoffnung auf die Überfahrt mit dem Kabinen-Fahrgastschiff Wilhelm Gustloff gesetzt hatten, endet am 30. Januar 1945 für 9.300 Menschen tödlich, als das völlig überfüllte Schiff von einem sowjetischen Torpedo getroffen wird. Sie ertrinken im eiskalten Wasser. Mit minimalistischen Requisiten zeichnet Stukenberg die Tragödie eindrücklich nach. Von den jugendlichen Zuschauern, die nie zuvor von der Wilhelm Gustloff gehört hatten, vernimmt man keinen Laut.

Doch dieses Drama der übers Meer Flüchtenden wiederholt sich bis heute.

Für die Recherche zum Stück hat Jessica Stukenberg mit Frauen gesprochen, die sich aus Syrien, Afghanistan, Palästina und dem Iran auf den lebensgefährlichen Weg übers Mittelmeer begeben haben, um sich und ihre Kinder in Sicherheit zu bringen. Die horrende Summen an kriminelle Schlepper zahlen, die sie dafür in rostigen Fischkuttern, in lecken Schlauchbooten dem Meer überlassen. Auch ihre Stimmen werden eingeblendet und verdeutlichen, welche Verzweiflung sie zu diesem Schritt getrieben hat.

"Das war so krass", sagt eine der Schülerinnen in der anschließenden Fragerunde tief beeindruckt. Das sei eben anders als im Fernsehen oder auf der Leinwand - so unmittelbar, dass man alles mitfühlen könne. "Man denkt hinterher, man hätte viele verschiedene Personen auf der Bühne gesehen - dabei war es ja nur diese eine Schauspielerin in verschiedenen Rollen", lobt ein 17-Jähriger. Ein Glanzstück der Darstellerin, ein anderer lebendiger Geschichtsunterricht, der im Kopf, vor allem aber im Herz bleibt.

Das Stück ist mobil und kann auch als Klassenzimmerstück ab der 8. Klasse inklusive Nachgespräch gebucht werden. Alle Infos, sowie weitere Termine finden sich auf der Homepage des Freien Theaters Fulda www.ftf-theater.de. (Carla Ihle-Becker)+++


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