"Jahr voller Veränderung": Vogelsberg verliert Menschen und braucht Fachkräfte
26.11.24 - Zum Ende eines Jahrs "voller Veränderungen" begrüßte Landrat Jens Mischak (CDU) am Montagabend im Ristorante Roma in Lauterbach. Neben dem mysteriösen Verschwinden von rund 4.500 Menschen stand auch der Neubau des Kreiskrankenhauses in Alsfeld auf der Tagesordnung.
Streit in Berlin, Harmonie im Vogelsberg: Landrat und Erster Kreisbeigeordneter aus unterschiedlichen Parteien und doch in trauter Verbundenheit, die Kreisverwaltung mit inzwischen 1.000 Mitarbeitern belastet von Bundesangelegenheiten wie dem Konsumcannabisgesetz - so führte Mischak in die Jahrespressekonferenz ein. Vor allem die Ausnahmeregelungen rund um die Anbauvereinigungen würden die Verwaltung strapazieren: Ein 20-seitiger Checklistenkatalog für die Kontrolle der Cannabis-Anbauvereinigungen stehe drei Anfragen im Landkreis bisher gegenüber.
Auch sonst könne die allgemeine Lage als schwierig bezeichnet werden - Hessen müsse sparen, das ginge auch nicht am kommunalen Finanzausgleich vorbei, so Mischak. Der Haushalt wird im Dezember eingebracht und werde nur mit erheblichen Einschnitten möglich sein, vor allem beim Personal könne es keinen Zuwachs geben. Der Personalhaushalt macht ein Viertel des Gesamthaushalts aus. Auch die freiwilligen Leistungen müssten auf dem Niveau von 2024 eingefroren werden, erklärte Mischak. Eingliederungshilfe und Teilhabe seien ebenso mit extrem steigenden Kosten verbunden.
"Wir wissen nicht, wo die Einwohner hin sind"
Dazu komme der Zensus als Großherausforderung: Der Vogelsbergkreis verliert Einwohner, "und wir wissen nicht, wo die hin sind", so Mischak. 4.500 Vogelsberger weniger weisen die kürzlich vorgelegten Zahlen des Zensus 2022 auf, auch die Bürgermeister wüssten nicht, wo die Verluste herkommen. Heiko Siemon, Bürgermeister von Schlitz, sei zudem aufgefallen, dass die vermeintlich Abgängigen noch Abfallgebühren zahlten. Nachforschen dürfe man aus Datenschutzgründen aber nicht, so Mischak. Wie hoch die Einbuße an finanziellen Zuweisungen sein werde, sei zudem noch unklar.
Schuldezernent Patrick Krug berichtete über die Schulbaumaßnahmen bis 2028, die eine hohe Priorität in der Planung genössen. 38 Schulen müssen im Landkreis unterhalten werden, die Ganztagsbetreuung, auf die ab 2026 ein Rechtsanspruch besteht, bringe rund 4,5 Millionen Euro Fördergelder, benötige aber mehr als 15 Millionen Euro an Investitionen. Volker Röhrig, Geschäftsführer des Alsfelder Kreiskrankenhauses seit dem 1. Januar 2023, berichtete nicht nur zum Zeitplan des Krankenhaus-Neubaus, sondern auch zu den vermuteten Auswirkungen der Krankenhausreform auf die medizinische Versorgung im ländlichen Raum: "Wir können nicht mehr an jedem Standort alles machen - in der Hinsicht stimme ich Herrn Lauterbach zu. Die Reform führt zu einer Zentralisierung von komplexen Leistungen, die Qualität könnte aber davon profitieren."
Auch nach Neubau Basis- und Notfallversorger
Auch nach dem Neubau, der im letzten Quartal 2028 für insgesamt 95 Millionen Euro fertiggestellt werden soll, bleibe man Basis- und Notfallversorger: "Das macht uns systemrelevant. Auf dem Land müssen ambulante Leistungen von den Krankenhäusern erbracht werden. Auf unserem Campus wird am Ende durch das nahe Medizinische Versorgungszentrum vom Rückenpatienten bis zum klassischen Krankenhausversorgungspatienten ein breites Spektrum behandelt werden können. Der Fachkräftewettbewerb wird aber nicht zuletzt durch die Krankenhausreform zunehmen."
Der neue Kreisbrandinspektor Marcell Büttner, seit 55 Tagen im Amt, berichtete über den "Operationsplan Deutschland" und die dafür nötigen zivilen Unterstützungsleistungen. Im Vogelsberg könne im Ernstfall mit einem hohen Durchsatz an militärischen Truppen gerechnet werden. Allerdings sei man durch die Erfahrungen aus Flüchtlingskrise und Coronazeit gut aufgestellt und habe entsprechende Zentren aufgebaut. Zivilverteidigung betreffe aber auch den Einzelnen - ein batteriebetriebenes Radio sei ein guter erster Schritt. (mau) +++