
Diskriminierung im Amateurfußball: "Viele Schiedsrichter sind rassistisch"
25.03.25 - Rassismus ist in unserer Gesellschaft ein allgegenwärtiges Problem - und auch der Amateurfußball in Osthessen bleibt davon nicht verschont. Immer wieder kommt es zu Vorfällen auf und neben dem Platz, bei denen Spieler mit Migrationshintergrund beleidigt oder ausgegrenzt werden. Wie kann es sein, dass ausgerechnet der Fußball, der für Teamgeist, Fairness und Integration steht, zur Bühne für Hass und Diskriminierung wird?
Rassismus im Amateurfußball zeigt sich in verschiedenen Formen. Beleidigungen, Ausgrenzung und Benachteiligungen gehören zum traurigen Alltag vieler betroffener Spieler. Dabei sind nicht nur verbale Angriffe problematisch, sondern auch subtile Formen der Ausgrenzung innerhalb der Mannschaften und Vereinsstrukturen. Erst vor Kurzem kam es zu einer Auseinandersetzung nach rassistischen Vorfällen in einem Verbandsligaspiel mit osthessischer Beteiligung.
"Viele Schiedsrichter sind rassistisch"
Ein betroffener Trainer berichtet, dass seine Mannschaft wiederholt rassistischen Anfeindungen ausgesetzt ist. Aufgrund der Befürchtung von Sanktionen oder negativen Konsequenzen für ihn und seinen Verein möchte er sich nicht namentlich äußern. "Jede Mannschaft mit ausländischen Spielern ist von Rassismus betroffen", erklärt der Trainer. In seiner Mannschaft stehen viele Spieler unter Vertrag, die einen Migrationshintergrund haben. "Und dadurch haben wir massive Nachteile", muss der Trainer feststellen: "Wir haben ein gravierendes Rassismusproblem. Insbesondere dann, wenn Schiedsrichtergespanne kommen, die keinen Schiedsrichter mit Migrationshintergrund stellen. Viele Schiedsrichter sind rassistisch - aber sicherlich nicht alle." Immer wieder gebe es Unparteiische, die seine Spieler stigmatisieren, so der Coach: "Es gibt kein Spiel mit Provokationen ohne rassistischen Hintergrund. Der Fußball ist ein Spiegelbild der Gesellschaft." Der Trainer erklärt, dass Versuche, die Öffentlichkeit über diese Form von Diskriminierung zu informieren, jüngst zu Sanktionen geführt haben."Die Rassismus-Keule wird schnell ausgepackt"
Thorsten Eick, Kreisschiedsrichterobmann im Kreis Alsfeld, widerspricht diesen Vorwürfen: "Ich sehe das absolut nicht so. Solche Behauptungen weise ich definitiv zurück." Er betont, dass rassistische Vorfälle auf dem Platz keineswegs geduldet werden und Schiedsrichter in solchen Fällen konsequent eingreifen. Ihm zufolge würden viele Vorfälle nicht eindeutig als Rassismus erkennbar sein, sondern in der Hitze des Gefechts als Provokationen wahrgenommen werden. "Die Rassismus-Keule wird schnell ausgepackt", meint Eick: "Oft sind die Provokationen nicht rassistisch gemeint. Es sind Vorfälle, die vor 20 Jahren niemanden interessiert hätten." Dies zeigt, dass es unterschiedliche Perspektiven auf das Problem gibt und die Einschätzung von Rassismus auf dem Spielfeld nicht immer eindeutig ist. Eines liegt Eick besonders am Herzen: "Schiedsrichter sind neutral."Betroffene Spieler haben Angst
Betroffenen fällt es häufig schwierig, offen über Diskriminierung zu reden, weil sie negative Folgen fürchten - sei es durch sportliche Nachteile oder durch eine mangelnde Unterstützung von Verbänden. "Ich fürchte oft Rassismus - nicht nur im Alltag, sondern auch im Sport", erklärt ein Kreisoberliga-Spieler mit Migrationshintergrund aus dem Hersfelder Raum. Auch er möchte nicht namentlich genannt werden. Zur Schiri-Diskussion äußert sich der Spieler: "Ich finde nicht, dass alle Schiedsrichter generell rassistisch sind. Ich denke, das Problem liegt eher darin, dass sie oft nicht wissen, was wir als rassistisch empfinden. Ich weiß halt auch nicht, wann ich das letzte Mal einen Schiri mit Migrationshintergrund hatte." In einer Umfrage von 2021 vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft gaben nur rund 12 Prozent von 3400 befragten Fußball-Schiedsrichtern an, dass sie einen Migrationshintergrund haben. Das ist deutlich seltener als zum gleichen Zeitpunkt in der Gesamtbevölkerung (27 Prozent). "Ich kann mich mit Problemen an den Verein wenden, der aber ausschließlich von deutschen Männern geführt wird. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich mit meinen Problemen verstanden werde. Ganz im Gegenteil: Mir wird empfohlen, rassistische Provokationen während eines Spiels zu ignorieren und wegzuhören.""Wir dulden keinen Rassismus"
Die Fußballkreise, der Hessische Fußball Verband und der DFB arbeiten seit Jahren akribisch an einer Lösung für das anhaltende Rassismusproblem. "Ich habe aber nicht das Gefühl, dass mir nachhaltig geholfen wird", äußert oben zitierter Spieler. Es gibt klare Richtlinien, die es ermöglichen, Spiele bei diskriminierendem Verhalten sofort abzubrechen. Außerdem kann jede Form von Rassismus in einem Spielerbogen des DFB eingetragen werden. "Wir bekommen es auch nur dann mit, wenn der Schiedsrichter solche Vorfälle entsprechend vermerkt", schildert Thorsten Beck, Kreisfußballwart im Kreis Fulda: "Für uns ist es schwierig, diese Vorfälle mitzubekommen." Sollte ein Fall von Rassismus auftreten, wird dieser vom Kreissportgericht aufgearbeitet. "Und die Marschroute ist klar: Wir dulden keinen Rassismus. Es gibt auch Konfliktmanager, an die sich Betroffene wenden können", so Beck. In den Ausschüssen der Fußballkreise gibt es keinen Integrationsbeauftragten - anders sieht das auf Landesebene aus.Fair Play Hessen bekämpft Diskriminierung
Thomas Geiß ist Integrationsbeauftragter des Hessischen Fußball Verbandes und setzt sich mit seiner Sozialstiftung seit Jahren gegen Rassismus auf Sportplätzen ein. "Es ist kein neues Thema für uns", so Geiß: "Wir machen enorm viel Arbeit. Die Kreissportgerichte haben wir schon entsprechend geschult." Unter dem Dach von "Fair Play Hessen" werden alle Aktivitäten der Sozialstiftung des Hessischen Fußballs (SHF) zusammengefasst. "Fair Play Hessen" setzt sich für die Durchführung und Förderung von sozialen Aktivitäten im Fußball, insbesondere Maßnahmen zur Gewaltprävention, Integration und Fair Play ein. Vereine, Schiedsrichtervereinigungen und andere Institutionen können bei "Fair Play Hessen" mitmachen und bekommen beispielsweise Kurse angeboten. Auch Betroffene können sich bei "Fair Play Hessen" melden. In einem großen Netzwerk können sich Ausschüsse des HFV, Schiedsrichter, Topvereine, Kommunen, aber vor allem Amateurvereine in Hessen austauschen.Kommentar: Viele Vereine setzen sich gegen Rassismus ein, stoßen dabei jedoch auf strukturelle Probleme. "Fair Play Hessen" geht genau den richtigen Weg und setzt auf den direkten Austausch aller Beteiligten. Spieler mit Migrationshintergrund fühlen sich aufgrund von Rassismus benachteiligt - die Gründe dafür gilt es sorgfältig aufzuarbeiten. Der Amateurfußball in Osthessen steht vor der Herausforderung, Rassismus entschlossen entgegenzutreten. Dafür braucht es beispielsweise einen Integrationsbeauftragten auch auf Kreisebene. Die bisherigen Maßnahmen reichen nicht aus, um das Problem nachhaltig zu bekämpfen. Nur wenn Vereine, Verbände, Schiedsrichter und Spieler gemeinsam gegen Diskriminierung eintreten, kann der Fußball seine integrative Kraft entfalten. Denn eines ist klar: Fußball gehört allen - unabhängig von Herkunft oder Hautfarbe! (Constantin Butler) +++