
THEATERmobileSPIELE: BÜCHNER.WOYZECK an der Konrad-Zuse-Schule
06.04.25 - "Still! … Es geht was!", so Woyzeck, der wohl bekannteste Erbsenesser, direkt zu Beginn des Theaterstücks. Es folgten 60 Minuten gespannte Stille im Klassenzimmertheater. In einer fesselnden Darbietung kämpfte sich Woyzeck, der von Julian W. Koenig - dem einzigen Schauspieler - verkörpert wurde, durch graue Kleiderberge, die Teil der Kulisse waren.
Alle weiteren Figuren wurden von Stabpuppen dargestellt, denen Julian W. Koenig mit verstellter Stimme und eindrucksvollem Mienenspiel gekonnt Leben einhauchte. Woyzeck, der von jeder einzelnen der Figuren auf eine eigene Weise gepeinigt und gedemütigt wurde, steht am Ende des Stücks allein: auf der einen Seite umstellt von den Puppen und auf der anderen Seite umgeben von einem Maschendrahtzaun.
Angelehnt an die ersten Völkerschauen, die etwa 30 Jahre nach Büchners Tod im Jahre 1837 abgehalten worden waren, sahen wir in dieser Darbietung das "Subjekt" Woyzeck – wie ein Tier in einem Käfig eingepfercht und zur Schau gestellt. Thorsten Kreilos, Intendant des Theaters, wählte dieses Setting, um die zeitlosen Sorgen und Nöte Woyzecks sichtbar werden zu lassen.
Der Zaun dient als doppelter Käfig, der symbolhaft für Woyzecks Psyche und für die Gesellschaft steht, dem inneren und äußeren Gefängnis, aus dem es für Woyzeck kein Entrinnen gibt. Schauspieler Julian W. Koenig sprach im anschließenden Künstlergespräch über die Beziehung, die man zwangsläufig als Schauspieler zu der Figur knüpft sowie von eigenen Schicksalsschlägen, die ihn mit dem Protagonisten verbinden. Auch erklärte er die besondere Bedeutung des Stückes, das sich jenen Menschen widmet, die – ebenso wie Woyzeck - im Abseits der Gesellschaft stehen: den Gemobbten, den Ausgegrenzten und den Geächteten.
Woyzecks Geschichte zeigt den Lebensweg eines Opfers, das letztlich selbst zum Täter wird. Warum? "Weil Woyzeck NICHTS mehr zu verlieren hat in seinem tristen Dasein.", so Koenig. Auf die Frage nach der Bedeutung des Zaunes antwortete der Schauspieler: "Der doppelte Zaun, von dem Woyzeck umgeben ist, steht für eine doppelte Abgrenzung: Woyzeck abgetrennt von der Welt und die Welt abgetrennt von Woyzeck. Wir sind froh über diese Abtrennung, denn keiner von uns möchte ein solches Leben führen – den Ekel beim Essen der Erbsen, die Schmach der Ehrverletzung durch den Tambourmajor, die Demütigungen, die Woyzeck durch Hauptmann und Doctor erfahren muss." Gerade das Fragmentarische des Stücks sei hilfreich, so Julian W. Koenig, um die Vieldeutigkeit der angesprochenen Themen erfahrbar zu machen. So entziehe sich das Stück jeder Kategorisierung, jedem Schwarz und Weiß, jedem einzig Richtigen und Falschen. Es verbleibt - so wie es auch im Bühnenbild sichtbar dargestellt wird - in einer Grauzone.
Wie schon beim letzten Mal halfen die Schülerinnen und Schüler beim Auf- und Abbau der beeindruckenden Kulisse mit und konnten die Aufführung auf diese Weise hautnah miterleben. Thorsten Kreilos‘ Interpretation des Stücks, das sowohl Thema der Abitur- als auch der Fachoberschulprüfung 2025 ist, hilft den Schülerinnen und Schülern, sich in Woyzecks Welt einzufühlen und trägt wesentlich zum Verständnis des Stoffs bei. Wir bedanken uns daher bei Julian W. Koenig von THEATERmobileSPIELE für die gelungene Inszenierung sowie bei Abteilungsleiterin (BG) Petra Stephanblome, die zum wiederholten Mal die Planung und Organisation der Aufführung übernommen hat. DANKE und … Ja, es geht was … an der KonradZuse-Schule!
Hintergrund
THEATERmobileSPIELE ist ein in Karlsruhe ansässiges und in ganz BadenWürttemberg und über dessen Grenzen hinaus tätiges Profitheater, das sich dem mobilen Klassenzimmertheater verschrieben hat. Mehr Informationen unter:
https://www.buehnenspiele.de/aktuelle-produktionen/b%C3%BCchner-woyzeck/ . (Text Marietta Gimpel) +++