


Stoffe, die Geschichte schreiben: Zwei Frauen holen "Räuber" in die Gegenwart
18.06.25 - Friedrich Schillers "Die Räuber" ist vieles: ein Sturm, ein Skandal, ein Drama der Extreme. Doch was passiert, wenn dieser Klassiker während der Bad Hersfelder Festspiele mit Songs der Toten Hosen verschmilzt? Zwei Frauen wissen es ganz genau: Heike Meixner, erfahrene Kostümbildnerin mit Stationen an großen Bühnen Europas, und ihre Assistentin Svenja Stannat, die zum ersten Mal in Bad Hersfeld arbeitet. Gemeinsam haben sie zahlreiche Kostüme entworfen – zwischen Geschichte, Gegenwart und der Wucht eines musikalischen Gewitters.
Was das Publikum erwartet, ist mehr als ein Kostümfeuerwerk. Regisseur Gil Mehmert lässt Schillers Drama mit Songs der Toten Hosen verschmelzen. Punkrock als Gegenkultur trifft auf die rebellische Energie des Sturm und Drang. Die Bühne wird zum Kampffeld der Freiheit – und die Stiftsruine nicht bloß Kulisse, sondern Teil des Stücks.
Von der Volksbühne in die Ruine Für Meixner ist "Die Räuber" keine gewöhnliche Produktion. Seit November tüftelt sie mit dem Regieteam um Gil Mehmert am visuellen Gewand des Stücks. Eine Herausforderung? "Zumindest eine, die ich sehr gerne angehe", sagt sie mit einem Lächeln. Aber: "Jetzt geht es richtig rund. Die Aufgabe ist, den Überblick zu behalten – und das finde ich absolut spannend."
Statt reiner Historie wagt Meixner den Spagat zwischen Vergangenheit und Gegenwart. "Wir haben uns entschieden, mit historischen Elementen zu beginnen und dann Stück für Stück heutige Bezüge aufzunehmen. Die Punk-Elemente sind da – aber wir haben sie nicht übertrieben." Schließlich geht es nicht um Kostümshow, sondern um Haltung. Und um das Zusammenspiel mit der Inszenierung: "Die Zusammenarbeit mit dem Regisseur ist sehr eng – wir sind immer auf demselben Stand."
Magie in der Natur
Bad Hersfeld sei für sie ein ganz besonderer Ort: "Die Ruine, die Natur, die Luft – das hat einfach Magie." Und auch wenn sie am Wochenende nach Hause fährt, gibt es unter der Woche nur eines: Theater. "Wenn ich hier bin, dann gibt es nichts Privates." Besonders bei Open-Air-Produktionen ist die Materialwahl entscheidend. "Bestimmte Stoffe kann man einfach nicht nehmen. Alles muss wetterfest sein. Und am allerwichtigsten sind die Schuhe – damit niemand ausrutscht."
Neustart ohne Routine
Svenja Stannat, die mit Meixner bereits in Berlin gearbeitet hat, ist zum ersten Mal in der Stiftsruine dabei. "Die Festspiele sind kein Theater mit laufendem Spielbetrieb. Es ist eine Welt, die sich jedes Jahr neu erfindet." Eine Herausforderung – aber auch eine Chance: "Die Bühne ist riesig, man spürt die Geschichte des Ortes. Alles sollte auch auf diesen Ort und das Publikum bezogen sein." Denn das Publikum in Bad Hersfeld sei ganz anders als in Berlin: "Hier kommen ganze Familien. Das verändert auch unseren Blick auf die Kostüme", so Stannat.
Die Regie im Schatten der Ruine
Und nicht nur das Publikum verändert den Zugang zur Arbeit. "Man sieht ganz klar, wie sehr die Ruine die Regie mitbestimmt", erklärt Stannat: "Die Wege auf der Bühne spielen eine riesige Rolle. Und ob Sonnenlicht oder Nacht – es wirkt alles ganz anders." Dass sie zu Beginn der Aufführungen die Stadt wieder verlässt, sei ebenfalls Teil des Systems: "Nach der Premiere übernehmen die Dresserinnen. Die kümmern sich dann um die Instandhaltung und Trocknung."
Schiller trifft Hosen
Für Heike Meixner und Svenja Stannat ist das Zusammenspiel von Ort, Musik, Text und Publikum keine Nebensache, sondern Kern der Arbeit. "Man versucht, so gut wie möglich alles zu planen – und trotzdem braucht man Flexibilität und eine klare Haltung", sagt Meixner. Vielleicht ist das auch das Geheimnis guter Kostümbildnerei: sichtbar machen, was zwischen den Zeilen steht. Und das tun sie – mit Nadel, Stoff und einer Prise Punk. (Constantin von Butler) +++FestspielGespräche: Zwischen Ruine und Rampenlicht - weitere Artikel



