Mit über 700 Theaterauftritten ist Erol Sander heute ein Bühnenprofi – trotz früher Lampenangst. - Fotos: Carina Jirsch

BAD HERSFELD Wie aus Angst eine Stütze wurde

Die Kraft der Bescheidenheit: Erol Sanders Weg zum erfüllten Leben

05.07.25 - Wenn Erol Sander in der Rolle des Benedikt auf der Bühne der Bad Hersfelder Stiftsruine steht, dann ist da nicht nur ein erfahrener Schauspieler am Werk – sondern ein Mensch, der sein Publikum erreichen will. Mit Selbstironie, Tiefe und Charme zieht er in "Die Sommernachtsträume" die Zuschauer in eine Welt, in der Liebe, Intrigen und Humor aufeinandertreffen. Doch der Mann hinter der Rolle hat noch weitaus mehr Facetten. Wer ihm begegnet, spürt schnell: Hier steht einer, der für seinen Beruf lebt – und gleichzeitig großen Wert auf Familie, Demut und das echte Leben legt.

Sander ist derzeit viel beschäftigt. Die Proben und Aufführungen fordern ihm einiges ab. "Ich bin ganz schön im Stress die Tage", sagt er offen im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS – und meint das nicht negativ. Denn was andere als Belastung empfinden würden, ist für ihn "Vergnügen, Spaß und Leidenschaft". Drei Schlagwörter, die sich ohnehin wie ein roter Faden durch seine Biografie ziehen.

Vom Model in Paris zum TV-Kommissar in München – und schließlich zur Theaterbühne ...

In „Die Sommernachtsträume“ jongliert Sander mit Selbstironie, Humor und der ...

Familienmensch mit klaren Werten.

Ein Beginn voller Herausforderungen

Geboren in der Türkei, kam Erol Sander im Alter von fünf Jahren gemeinsam mit seiner Mutter und seiner Schwester nach Deutschland. Die Anfänge waren nicht leicht: "Ich war erstmal damit beschäftigt, die deutsche Sprache zu lernen", erinnert er sich. Seine Mutter habe damals Unglaubliches geleistet. "Ein großer Dank an sie – wie sie das gemeistert hat, ist beeindruckend." Nach der Ankunft folgte das Leben im Klosterinternat, das Abitur machte er in München. Dort beobachtete er erstmals die Theatergruppe seiner Schule. Doch statt selbst auf die Bühne zu gehen, hieß es für ihn zunächst: Sprache und Alltag meistern. Dass aus dem stillen Beobachter eines Tages ein gefeierter Schauspieler werden würde, ahnte damals niemand.

Erol Sander im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS.

Als der Traum vom Schauspiel Realität wurde

Der Weg dorthin begann – wie bei so vielen – eher zufällig. "Mit viel Glück", wie es Sander demütig beschreibt - wohl wissend, "dass es Chancen gibt, die man ergreifen muss." Eine Frau sprach ihn auf der Straße an und wollte ein Foto für eine Brillenwerbung machen. "Sie hat mir 500 Mark geboten – das war unglaublich." Sander sagte zu, modelte bald weltweit: Paris, Mailand, Miami, New York. Er arbeitete mit einigen bekannten Designern, stand vor den Kameras großer Kampagnen. Doch die Bühne ließ ihn nie los. In Paris wurde er schließlich von einer Produzentin für eine Daily Soap entdeckt. Und dann kam der Anruf seiner Schwester: In München werde ein türkischer Kommissar gesucht. Sander bewarb sich – und bekam die Hauptrolle. "Danach ging die Post ab", sagt er trocken. RTL zahlte ihm sogar seine technische Schauspielausbildung. Der Junge, der einst nur gebrochenes Deutsch sprach, wurde plötzlich zum TV-Star. "Ich war ein Repräsentant für viele Gruppen in Deutschland."

Die Bühnenangst wurde zur Stütze

Theater jedoch blieb lange außen vor. "Bis 2007 habe ich Theater verneint. – ich hatte es noch nicht gelernt." Erst die Karl-May-Spiele in Bad Segeberg brachten die Wende. Als er dort zum ersten Mal auf der Bühne stand, spürte er: Das ist seine Welt. "Die Amerikaner haben Walt Disney, wir haben Karl May", sagt er schmunzelnd. Inzwischen hat er über 700 Theateraufführungen gespielt – und sich von der Anfangsangst zum Bühnenliebhaber entwickelt. "Ich habe mir diese Angst gedreht – sie ist jetzt eine Stütze."

Heute weiß er: Theater und Film – das gehört beides zu ihm. "Ich brauche die Abwechslung. Es macht Spaß, stimmlich kräftig zu bleiben und Emotionen in verschiedenen Tönen wiederzugeben." Er liebt es, Menschen mit Geschichten zu führen. "Es ist faszinierend, Emotionen aus dem Publikum herauszukitzeln – das ist mein Leben."

Gefühle formen, Publikum führen

In Bad Hersfeld spielt er nun in "Die Sommernachtsträume" die Rolle des Benedikt – eine Figur, die ihm nicht ganz unähnlich ist. Auch Benedikt hat ein Bild von sich zu tragen, einst schön und charmant, aber innerlich auf der Suche nach Liebe. "Das Herz sucht immer Liebe und Zuneigung", sagt Sander. Und wie der Benedikt auf der Bühne, kennt auch der echte Erol Sander Enttäuschungen, Rückzüge – aber eben auch Hoffnung und Humor. "Wir jonglieren mit Selbstironie", sagt er über das Stück, das er als "bunt, voller Liebe, mit allem, was dazugehört" beschreibt: Intrigen, Ehrlichkeit, Verwirrung – die ganze Palette."

"Auf Augenhöhe" – das Geheimnis des Erfolgs

Das Publikum liebt es – auch, weil es für einige Stunden abschalten kann von den vielen Krisen auf der Welt. Schon in den ersten Vorstellungen habe man gespürt, wie sehr es die Menschen berührt. "Das Stück unterhält total", so Sander. Die Inszenierung sei gelungen, das Ensemble ein Traum: "Es ist extrem harmonisch – wir spielen zusammen, wissen genau, was wann zu tun ist." Dreißig Schauspieler auf einer Bühne – das sei kein Zuckerschlecken, sagt er, aber: "Es funktioniert, weil wir alle auf Augenhöhe sind."

Das besondere Flair in Bad Hersfeld

Und dann ist da noch diese Kulisse: die Stiftsruine. "Etwas sehr Mächtiges", sagt Sander. Als das Ensemble an der Mauer stand, sei ihnen bewusst geworden, wie viele Generationen schon an diesem Ort vorbeigelaufen sind. Auch das mache den Reiz aus: Geschichte erleben – im wahrsten Sinne des Wortes.

Vier Kinder und der Traum vom großen Familientisch

Privates bleibt in diesen Wochen selten, aber wenn möglich, fährt er nach Hause. Denn bei allem Erfolg und aller Leidenschaft fürs Schauspiel ist Familie für ihn das höchste Gut. "Der Lebenssinn ist Familie, Kinder, glücklich sein – und nicht nur Gier und Macht", sagt er. Sein Traum war es immer, vier Kinder zu haben. "Jetzt habe ich vier. Ich habe mir immer eine Familie an einem großen Tisch gewünscht – das sind Momente, die unbezahlbar sind." Wenn er durch die Straßen von Bad Hersfeld geht und um ein Foto gebeten wird, ist er dankbar – und sagt: "Das sollte sich jeder Schauspieler bewahren."

"Ich bin der, der ich bin", bringt es Sander auf den Punkt. Demut und Dankbarkeit seien für ihn zentral. Seine Arbeit ist ein Traum, keine Frage. Aber ein Traum, der auf harter Arbeit, Leidenschaft und der Fähigkeit, Mensch zu bleiben, basiert. "Die Sommernachtsträume" sind noch bis zum 17. August in der Stiftsruine Bad Hersfeld zu sehen – mit einem Ensemble, das harmoniert, einem Publikum, das lacht und einem Benedikt, in dem ganz viel Erol Sander steckt.

Kommentar von Constantin von Butler

Kommentar: Erol Sander zu begegnen, ist wie ein Gespräch mit einem guten Freund: offen, herzlich, mit Tiefgang und Humor. Was auf der Bühne so leichtfüßig wirkt, hat viel mit Disziplin, Lebensklugheit und Demut zu tun. Er ist keiner, der sich selbst inszenieren muss – sondern einer, der etwas zu sagen hat, ohne laut sein zu müssen. Gerade in einer Zeit, in der vieles um Klicks und Aufmerksamkeit kreist, wirkt seine Haltung wohltuend bodenständig. Und wenn er von seiner Familie spricht, dann spürt man, was ihn wirklich antreibt: nicht Ruhm, sondern Liebe. In Bad Hersfeld zeigt er, wie man große Rollen spielt – und dabei ganz Mensch bleibt. (Constantin von Butler) +++

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