
Knallhart-Reform beim Bürgergeld: Statements zum Koalitionspaket
10.10.25 - Die Koalition hat Reformen beim Bürgergeld beschlossen (wir berichteten). Konkret wird dabei das Bürgergeld durch die Grundsicherung abgelöst. Damit gibt es nun scharfe Sanktionen: Wer gegen die Regeln der Jobcenter verstößt, einen Termin nicht wahrnimmt oder eine Arbeitsaufnahme verweigert, wird bestraft. Die Maßnahmen reichen sogar so weit, dass auch die Bezüge komplett gestrichen werden können.
Das betrifft besonders die Landkreise und deren Jobcenter, die für die Bürgergeldempfänger verantwortlich sind. OSTHESSEN|NEWS hat deshalb die Landräte der Region gefragt, wie sie zu den neuen Sanktionen stehen und ob sich diese auf den Haushalt der Landkreise auswirken werden.
Bernd Woide (CDU), Landrat des Landkreises Fulda:
Was halten Sie von den verschärften Maßnahmen?
"Aus meiner Sicht wäre es besser gewesen, der Bund hätte es von vornherein bei der Grundsicherung nach Hartz IV belassen. Dann müsste er nicht beim Bürgergeld zurückrudern. Das Bürgergeld ist aus verschiedenen Gründen aus dem Ruder gelaufen. Das hat die Bundespolitik erkannt und ihre ersten Schlüsse daraus gezogen. Die Motivation von Menschen, eine Arbeit aufzunehmen, ist ganz unterschiedlich: Bei manchen ist die Vermittlung einfacher, bei anderen braucht es mehr Zeit und mehr Maßnahmen. Die Verschärfung der Mitwirkungspflichten und von Sanktionen bei fehlender Mitwirkung von Leistungsberechtigten sind grundsätzlich positiv zu bewerten, das ist auch die überwiegende Meinung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unseres Kreisjobcenters. Eine bessere Termintreue kann zu einer verbesserten Zusammenarbeit zwischen Leistungsberechtigten und Fallmanagern in den Jobcentern führen. Diese verbesserte Zusammenarbeit könnte dann wiederum eine schnellere und zahlenmäßig höhere Arbeitsmarktintegration bewirken.
Die 'bekennenden Arbeitsverweigerer' – das ist eine sehr kleine Gruppe – werden die höheren Sanktionen empfindlich treffen, sofern die Sozialgerichte weitreichende Sanktionen bestätigen. Bei einer beträchtlichen Gruppe von leistungsberechtigten Personen wird aber vermutlich bereits die Androhung von Sanktionen dazu führen, dass Termine weitaus häufiger eingehalten und eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Leistungsberechtigten und Jobcenter eintreten werden."
Wie würde sich das auf den Landkreis auswirken? Besonders mit Blick auf den Haushalt.
"Allgemein hat die Regelung relativ wenig Auswirkungen auf den Haushalt des Landkreises. Die Bürgergeldkosten werden überwiegend vom Bund getragen. Lediglich bei weitreichenderen Sanktionen, die über mehrere Monate hinweg andauern, werden die Kosten der Unterkunft gestrichen, nur dies hätte einen marginalen Einfluss auf den Haushalt des Landkreises. Bei den erhofft vermehrten Integrationen in den Arbeitsmarkt würden sich jedoch die Kosten des Landkreises etwas verringern."
Dr. Jens Mischak (CDU), Landrat des Vogelsbergkreises:
Was halten Sie von den verschärften Maßnahmen?
"Die Einigung ist zu begrüßen. Dass es mehr Leistungsanreize braucht, um Beschäftigungen (wieder) aufzunehmen, ist im Prinzip seit langem Konsens unter den politischen Verantwortungsträgern auf kommunaler Ebene. Unterstützt werden müssen diejenigen, die nicht arbeiten können, und nicht diejenigen, die nicht arbeiten wollen. Deswegen braucht es mehr Mitwirkungspflichten bei den Antragstellern und in der Konsequenz auch schärfere Sanktionen, wenn sich die Antragsteller teilweise oder ganz der Mitwirkung entziehen. Dass diese Punkte jetzt gesetzlich geregelt werden sollen, ist eine gute Nachricht für alle Erwerbstätigen, die durch ihre Steuerzahlungen dazu beitragen, dass das System finanziert wird.
Wie würde sich das auf den Landkreis auswirken? Besonders mit Blick auf den Haushalt.
Die angedachten Sanktionen in Höhe von 30 und 60 Prozent werden sich nicht auf den Haushalt des Vogelsbergkreises auswirken, da die Regelleistung zu 100 Prozent vom Bund finanziert wird. Die letzte Sanktionsstufe (alle Leistungen fallen weg) hätte Auswirkungen auf den Haushalt des Vogelsbergkreises, da sich der Bund nur anteilig an den Kosten der Unterkunft beteiligt. Wie viele Personen aber von solch einer Sanktion betroffen wären, ist nicht prognostizierbar. Ebenso ist noch nicht abzusehen, welche Auswirkungen der Wegfall der Karenzzeit beim Vermögen und die Absenkung des Schonvermögens haben wird."
Der Landkreis Hersfeld-Rotenburg äußert sich wie folgt gegenüber unsere Anfrage:
Der Sprecher des Kreises will sich nicht auf die Frage der Bewertung dieser Maßnahmen äußern.
Wie würde sich das auf den Landkreis auswirken? Besonders mit Blick auf den Haushalt.
"Das Bürgergeld wird hauptsächlich aus Bundesmitteln (Steuergeldern) finanziert und nicht von den Kommunen, die stattdessen die Jobcenter betreiben und die Zahlungen abwickeln. Auch wenn die Kommunen für die Einrichtung und den Betrieb der Jobcenter mitverantwortlich sind, tragen sie nicht die Kosten für die Bürgergeldleistungen selbst, sondern nur anteilig nach bundesweit einheitlichen Sätzen. Die Finanzierung erfolgt weit überwiegend zentral durch den Bund.
Die Gelder, die den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts und zusätzliche Bedarfe, zum Beispiel für Schwangere oder Alleinerziehende werden zu 100 Prozent bundesfinanziert. Für die Unterkunft hingegen tragen die Kommunen etwa 38 Prozent.
Die in mehreren Schritten geplanten prozentualen Leistungskürzungen wirken sich aufgrund der Finanzierungssystematik daher zunächst auf die Gelder zur Sicherung des Lebensunterhalts und zusätzliche Bedarfe (Bundesmittel) aus. Erst beim letzten Schritt, der vollständigen Leistungsversagung, wirken sich die Sanktionen auch auf die anteiligen kommunalen Mittel bei den Kosten der Unterkunft aus. Die Wirkung der neuen Sanktionsregeln haben daher nur einen sehr geringen Effekt auf die kommunalen Haushalte. Da beim Nachholen der Mitwirkungspflichten die vollständigen Leistungskürzungen wegfallen und die Kunden wieder einen Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung haben, ergeben sich durch die geplanten Sanktionen auch keine signifikanten Auswirkungen auf den Personalkörper der Jobcenter, die weit überwiegend vom Bund finanziert werden."
Können Sie abschätzen, wie viele Personen dies im Landkreis betreffen würde?
"Nein. Da der genaue Gesetzestext dem Kommunalen Jobcenter noch nicht vorliegt, kann hierzu keine valide Aussage getroffen werden. Insgesamt bewegt sich beim Kommunalen Jobcenter die bisherige Quote der Leistungskürzungen, wie auch bereits vor der letzten Bürgergeldreform mit bis dato schärferen Sanktionsregeln, unter dem Bundes- und Hessendurchschnitt. Es war und ist es Strategie des Kommunalen Jobcenters mit den Kunden auf Augenhöhe zu kommunizieren. Da wo es angezeigt ist, werden entsprechend der gesetzlichen Regelungen Leistungskürzungen ausgesprochen."
Und auch für die Wirtschaftsverbände spielt die Reform eine große Rolle. MIT-Kreisvorsitzender Florian Wehner erklärt dazu:
"Die MIT Fulda begrüßt die beschlossenen Verschärfungen beim Bürgergeld beziehungsweise der künftigen Grundsicherung für Arbeitssuchende ausdrücklich. Damit wird ein zentrales Wahlversprechen von CDU/CSU und der MIT umgesetzt. Leistung und Eigenverantwortung sind zentrale Werte unserer sozialen Marktwirtschaft. Wer staatliche Unterstützung erhält, muss auch bereit sein, aktiv an seiner Rückkehr in Arbeit mitzuwirken. Folgerichtig sind daher konsequente Sanktionen bis hin zur vollständigen Einstellung der Leistungen für diejenigen, die sich einer zumutbaren Mitwirkung dauerhaft verweigern. Es ist richtig, dass die Bundesregierung wieder stärker auf das Prinzip "Fördern und Fordern" setzt. Das stärkt die Gerechtigkeit gegenüber den vielen Menschen, die täglich arbeiten, Verantwortung übernehmen und mit ihren Steuern den Sozialstaat finanzieren.
Gerade in unserer Region ist es wichtig, dass Arbeitsanreize erhalten bleiben und Fachkräftepotenziale besser genutzt werden. Osthessen ist geprägt von leistungsstarken mittelständischen Unternehmen, die dringend motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suchen. Wenn mehr Menschen den Weg in Beschäftigung finden, stärkt das nicht nur den Einzelnen, sondern auch unsere heimische Wirtschaft und die kommunalen Strukturen. Wir unterstützen daher die Richtung der Reform: Arbeit muss sich wieder lohnen – und Engagement soll sich auszahlen."
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) sieht im Koalitionspaket ein"Signal des Aufbruchs". Er erklärt in einem Statement gegenüber der Deutschen Presse-Agentur:
"Das Bürgergeld wird zu einer neuen Grundsicherung umgestaltet und sieht harte Sanktionen für Terminverweigerer vor. Das Ziel ist klar: mehr Eigenverantwortung, weniger Bürokratie, mehr Menschen in Arbeit." (Moritz Pappert) +++
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