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26.08.10 - BAD NEUSTADT/S

5.000 Ärzte in Bayern wollen heute und morgen ihre Praxen schließen

Fast 5.000 Ärzte in Bayern haben angekündigt, am heutigen Donnerstag und morgen, Freitag, ihre Praxen zu schließen. Die im Bayerischen Hausärzteverband angeschlossenen Mediziner wollen damit zugleich zwei Themen in die Öffentlichkeit tragen: einerseits protestieren sie gegen die - von der Politik verursachten - immer schwieriger werdenden Arbeitsbedingungen. Zum anderen wollen sie auf den zunehmenden Nachwuchsmangel, insbesondere auf dem Land, hinweisen.

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Die Hausarztverträge machen die Allgemeinmediziner zu einer Art „Lotsen" durch das Gesundheitssystem: Die Patienten gehen zuerst zu ihrem Hausarzt, der sie untersucht und - falls notwenig - zu einem Facharzt überweist. Dafür bekommen die Allgemeinärzte ein höheres Honorar. Dies will Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) aus Kostengründen wieder auf das Niveau des Vertrags senken, der vor der Einführung des Hausarztmodells gültig war.

Damit stößt der Minister bei Wolfgang Hoppenthaller, Vorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes und Vize-Chef des Bayerischen Hausärztetages, auf Widerstand und scharfe Kritik. Auf dem Bayerischen Ärztetag kürzlich in Bad Gögging, wo die Streikpläne das beherrschende Thema waren, hatte Hoppenthaller sogar damit gedroht, das Kassenarzt-System zu verlassen: „Wenn jetzt nicht Ruhe einkehrt, dann bleibt den Hausärzten nichts anderes übrig, als aus diesem System auszusteigen."

Auch im Flächenlandkreis Rhön-Grabfeld soll gestreikt werden. Auf eines kann sich die Bevölkerung indes getrost verlassen: die notärztliche Versorgung ist laut Dr. Günter Fröhling (Hohenroth) in jedem Fall gesichert. Weil sich viele Ärzte im Landkreis derzeit ohnehin in Urlaub befinden, können aber die Anzahl der "bestreikten" Praxen oder ihre Namen nicht genau benannt werden.

In Bad Neustadt jedenfalls haben sich die Praxen von Dr. Janina Betcher in der Bauerngasse 26 und von Dr. Jochen Wondra, Gartenstraße 55, als zusätzliche Anlaufstellen für Patienten, deren Ärzte streikbedingt nicht zu erreichen sind, zur Verfügung gestellt. Zwar beteiligt sich die Gemeinschaftspraxis Dres. Heinz, Bayer und Leber am Streik, doch für den bereits eingeteilten Bereitschaftsdienst steht Dr. Peter Heinz nach wie vor bereit.

Dass die Versorgung der Bevölkerung nicht leidet, versicherte auch Dr. Ruth Maisch aus Fladungen. Zuständig für das obere Streutal seien sicher zwei Praxen geöffnet. Das gleiche gelte auch für die Bereiche Bischofsheim und Bad Königshofen. „Versicherte sollten den Anrufbeantworter ihres jeweiligen Arztes abhören, eventuell hängt auch ein Schild vor der Praxistür."

"Die streikenden Ärzte sind allesamt verpflichtet, ihren Vertreter anzugeben, sonst verstoßen sie gegen ihre Vertragsarztpflichten“ erklärte Kirsten Warweg, Pressesprecherin der kassenärztlichen Vereinigung Bayerns in München. Auch müsse dringend ein Ersatzdienst angegeben werden. „Wenn man absolut nicht weiterkommt, kann man sich an die Kassenärztliche Vereinigung wenden: Telefon 01805 / 191212.“

Solange der Vertreter ein Vertragsarzt ist, der alle behandelt, die gesetzlich krankenversichert sind, werden keine Zusatzkosten fällig, sagte Warweg. Wer bereits für diese beiden Tage einen Termin bei seinem Hausarzt vereinbart hat, sollte sicherheitshalber noch zuvor in der Praxis anrufen.

„Bei freier Berufswahl ist man doch nicht frei“ beklagt Dr. Ruth Maisch (Fladungen) eine stetig zunehmende „Gängelei“ seitens der Politik mit immer schlechter werdenden Bedingungen und noch dazu angekündigten Einsparungen. Für Nachfolger sieht sie schlechte Zeiten. Obgleich der Beruf eines Hausarztes ein "sehr schöner, sogar wunderschöner“ sei, machten die stetigen Veränderungen und die zunehmende Bürokratie zu schaffen. Sie selbst ist seit gut 17 Jahren "Hausärztin mit Leib und Seele."

Besondere Sorge hat sie wegen des Nachwuchsmangels bei Hausärzten. Auf den ersten Blick sehe ja alles noch recht gut aus: über 8.000 Allgemeinmediziner gebe es derzeit im Freistaat. Sämtliche Landkreise gälten als versorgt. doch fast jeder vierte Hausarzt sei heute schon um die 60 Jahre alt. Viele praktizierten nur noch, weil sie keinen Nachfolger finden könnten und ihre Patienten nicht im Stich lassen wollten. Absolut kontraproduktiv seien da die derzeit vom Bundesgesundheitsminister geplanten Reformen mit der Abschaffung von Hausarzt-Verträgen mit den Krankenkassen. „Diese frei ausgehandelten Verträge sind die letzte Chance, um ein Hausärzte-Sterben vor allem auf dem Lande zu verhindern“, meint Dr. Maisch.

Mit den Verträgen seien massive Einbußen der letzten Jahre ausgeglichen worden. „Wenn diese Verträge fallen, wird es bald keine Hausärzte auf dem Land mehr geben“ befürchtet sie. Stattdessen werde die Tendenz zu Medizinischen Versorgungszentren in der Hand von Kapitalgesellschaften weiter wachsen - ähnlich dem Verschwinden der Tante-Emma-Läden auf dem Land.“ (ger) +++

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