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Techniker Wolfgang Kinsel kurz vor der Sendung... - Fotos: Hans-Hubertus Braune
27.01.12 - FULDA
"Time to say Good-bye" heißt der letzte Titel zum Sendeschluss: Abschiednehmen tut weh - trotzdem gestatten sich die "Radiomacher" im Studio des Hessischen Rundfunks in der Fuldaer Bahnhofstraße 4 keine Larmoyanz. Obwohl Silvia Georg und Hermann Diel heute Nachmittag - exakt um 16.05 Uhr zum letzten Mal für eine Stunde mit dem Nordosthessenjournal auf Sendung gehen und regionale Neuigkeiten aus dem Sendegebiet zwischen Gersfeld und Willingen, Schlüchtern und Bad Karlshafen zusammengestellt haben, verbietet sich für die Radio-Profis, Gejammer über den Äther zu schicken. Sachkundig und fundiert wie stets berichten die Journalisten quasi von vor der Haustür - so Hermann Diel aus dem Übertragungswagen aus der Fulda-Aue vom Wunsch, die Landesgartenschau wieder in die Barockstadt zu holen.
Hintergrund für diesen massiven Einschnitt in den Programmablauf und die gewohnte Qualität ist der schon seit langem angekündigte Rotstift, der dem Sender in Frankfurt jede Menge Kosten einsparen helfen soll. "Neustrukturierung" des Programms heißt das Zauberwort: Das Hessenradio hr4 will seine Berichterstattung über Hessen- und Regionalthemen runderneuern und verändert dafür von Montag, 30. Januar, an sein Programmschema. Themen aus den hessischen Regionen sollen in Zukunft im gesamten Sendegebiet zu hören sein. „Vom frühen Morgen bis zum Abend steht Hessen im Mittelpunkt des Wortangebotes von hr4“, sagt Programmchef Rainer Götze. „Regionale Themen würden verstärkt nicht nur regional, sondern landesweit ausgestrahlt. HR4 sendet damit aus den Regionen für ganz Hessen.“ Hört sich nach Mehrwert an, bedeutete de facto aber weniger Sendezeit für die Berichterstattung aus der Region.
Eingedampfte Sendezeit zugunsten einer "Neustrukturierung" des Programms
Was sich konkret ändert: Die Sendefläche „hr4 - Bunt gemischt“ wird zukünftig durchgängig von 14 bis 20 Uhr ausgestrahlt. Die drei Regionalstudios in Fulda, Darmstadt und Gießen bieten zu festen und "gut auffindbaren" Zeiten jeweils um 9.30 Uhr, 12.30 Uhr, 14.30 Uhr und 16.30 Uhr - in fünf Minuten aufs Wesentliche reduzierte Informationen. Als Ersatz für die jetzt wegfallenden Sendungen um 12.30 und 16.05 Uhr sollen Regionalberichte, die der Sender als von überregionalem Interesse einschätzt, den ganzen Tag über im Gesamtprogramm von hr4 gesendet und wiederholt werden. Dieses "Eindampfen" des Programms soll die Herstellungskosten reduzieren, weil so an Regie und Technik gespart werden könne. Die gewohnte und beliebte regionale Berichterstattung mit fundierten Beiträgen und Hintergrundberichten, Interviews und Reportagen aus Osthessen muss also kurzen Informationsblöcken weichen.
Der massive Sparzwang habe zu „Prüfaufträgen im Haus“ geführt, hatte hr-Pressesprecher Tobias Häuser in Frankfurt gegenüber osthessen-news bereits vor einem Jahr erläutert. Der hr müsse in den nächsten Jahren in allen Bereichen drastisch sparen, die Regionalstudios seien da nicht ausgenommen. Die damals schon angekündigten Überlegungen, Räume oder gar komplette Studios aufzukündigen und sowohl die Sendezeit als auch die Technik samt Personal zu reduzieren, ist mittlerweile spruchreif. Weil die Studios in Fulda, Gießen und Darmstadt alle vor zehn bis fünfzehn Jahren ausgebaut und eingerichtet worden seien, könne jetzt an allen drei Standorten Raum eingespart werden. Mittlerweile brauche die Technik wesentlich weniger Platz und mittelfristig würden auch weniger technische Mitarbeiter benötigt, denn die Redakteure könnten dank moderner Technik deren Part mit übernehmen. Deshalb könnten die drei bislang großzügig geschnittenen Regionalstudios künftig mit weniger Fläche auskommen als bisher" meint der hr. Im Studio Fulda soll das zur Bahnhofstraße liegende Ladenlokal an den Hausbesitzer zurückgegeben und einem neuen gerwerblichen Mieter angeboten werden: Brötchen, Salami oder Handys statt Publikumsverkehr, der seit Einrichtung des Studios im Jahr 1986 für die Radiomacher auch eine ideale Kontaktstelle zu ihren Hörern bedeutet hat? Auch in Gießen und Darmstadt werden die dortigen Studios um jeweils eine Etage verkleinert.
Raumverknappung spart Mietkosten und leider auch den Publikumsverkehr
Lassen sich die geschätzten 14 Millionen Euro Defizit für das Haushaltsjahr 2012 mit gesparter Miete auffangen? Der sowieso geschrumpften Zahl von Mitarbeitern wird durch weniger Sendezeit auch die Verdienstmöglichkeit genommen. Zumal kaum einer von ihnen beim hr festangestellt ist, sondern als freie Mitarbeiter auf Honorarbasis beschäftigt wird. Die Streichung der hr4-Mittagssendung, die bis zuletzt eine hohe Einschaltquote verzeichnete, und jetzt der Nachmittagssendestunde und deren Ersetzung durch kurze Nachrichtenfenster führten dazu, dass die hessischen Regionen nur noch oberflächlich und eher durch spektakuläre Themen und Ereignisse abgebildet würden. Die Gebietsreporter seien dann zwangsläufig seltener in den Regionen unterwegs und damit weniger präsent für den hr und dessen Hörer, weil die geänderten journalistischen Präsentationsformen ein persönliches Erscheinen des Reporters an Ort und Stelle in vielen Fällen unnötig werden ließen, beklagen die Journalisten. Die geplanten regionalen Kürzungen würden den hr und dessen Image in Hessen beschädigen, fürchten sie. Von den Einschnitten seien auch das Entdecken, Recherchieren und Umsetzen von Themen der Videoreporter im hr-fernsehen in allen Sendeformaten betroffen. Den Hörfunkjournalisten aus dem hr4-Studio in Fulda, die sich förmlich "weggespart" fühlen, konnte man ihre Stimmung bei der letzten Abmoderation heute um 17 Uhr deutlich anhören. (Carla Ihle-Becker) +++
Sudioleiterin Silvia Georg (rechts) und Chefreporter Hermann Diel...
Silvia Georg moderierte heute die letzte Nachmittagssendung...
Die Büros im Erdgeschoss sollen geschlossen werden, um...
...Miete einzusparen...Onkel Otto muß dem Rotstift weichen...
Das hr-Studio in Fulda...
...in der Bahnhofstraße...
...wird für den Publikumsverkehr geschlossen.