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- Fotos: Dietmar Kelkel
22.08.13 - STEINAU a.d.Str.
"AUS" für 280 Mitarbeiter? Schuhbodenhersteller ALSA will nach Görlitz
Es gibt schlechte Nachrichten für 280 Mitarbeiter in der Alsa-Niederlassung in Uerzell bei Steinau an der Straße. Der – laut eigenen Angaben – führende Hersteller von Laufsohlen und Fußbettungen in Europa schließt seine Niederlassung im Main-Kinzig-Kreis und zieht in das 500 Kilometer entfernte Görlitz. In der östlichsten deutschen Stadt hat das Unternehmen bereits seit 2009 einen Zweitsitz. Grund für diese Entscheidung sei eine effizientere Produktion im Zweitwerk, zudem könne sich die Firma dort räumlich vergrößern, die Räumlichkeiten in Uerzell seien lediglich angemietet, erklärt Unternehmenssprecher Jochen Gutzy. Zudem gäbe es im Uerzeller Werk seit längerem einen „starken Optimierungsbedarf". Das Görlitzer Werk sei von enormer Größe und biete genug Platz um beide Standorte zu vereinen.
Der wohl namhafteste Abnehmer der Schuhbodensysteme "made in Germany" ist Birkenstock. Die Alsa GmbH ist eine 100%ge Tochterfirma von Birkenstock. Die Gebäude in Uerzell gehören Birkenstock und Alsa muss Miete dafür zahlen. Mit Hilfe der Alsa GmbH plant der deutsche Schuhhersteller bis 2020 seine Produktion zu verdoppeln. Den Mitarbeitern stehe ja die Option offen, mitsamt dem Werk gen Osten zu ziehen, meinte der Unternehmenssprecher.
Sowohl der Wirtschaftsausschuss, als auch der Betriebsrat wurden am letzten Freitag über die kommende Werksschließung informiert. Da in der Alsa GmbH in drei Schichten gearbeitet werde und viele Mitarbeiter am Freitag nicht mehr erreichbar waren, habe man entschieden, am darauffolgenden Montag eine Betriebsratsversammlung einzuberufen. Die Nachricht von der Schließung des Werkes sickerte jedoch schon am Samstag durch und wurde von den lokalen Medien publiziert. Gutzy sprach gegenüber osthessen-news von einer „Kommunikationspanne".
Die Entscheidung sei endgültig gefallen und laut Pressesprecher „richtig im Interesse des Unternehmens". Die Verlagerung des Standortes soll bis Jahresende abgeschlossen sein. Gutzy selbst spricht von einem „ambitionierten Zeitplan".
Allerdings: so einfach wie es sich die Geschäftsleitungen vorstellen, wird es wohl nicht werden. Sowohl der Betriebsrat wie auch die Mitarbeiter, aber auch Kommunalpolitiker bis hin zum Landrat haben massiven Widerstand gegen die Umzugspläne angemeldet. Hinzu kommt, dass im Osten das Lohnniveau deutlich niedriger ist: bis zu fünf Euro pro Stunde, hieß es aus Mitarbeiterkreisen. Von "Billiglohn" war in diesem Zusammenhang die Rede. Und noch etwas wird den "massenhaften Personalumzug" an die polnische Grenze verhindern: die meisten Beschäftigten sind teilweise seit Jahrzehnten dort in "Brot und Lohn", haben in der Kinzig-Region ihre Familien und lassen sich auch wegen des Durchschnittsalter von über 40 Jahren nicht einfach "verschieben".
Es herrscht Ratlosigkeit im Betriebsrat
Im Gespräch mit osthessen-news äußerte sich der Betriebsratsvorsitzende Harald Hofmann. Von Seiten des Betriebsrates sei die Entscheidung umzuziehen nicht nachvollziehbar. Am vergangenen Freitag habe man sich morgens noch über Zukunftspläne unterhalten, direkt darauf folgte dann die Hiobsbotschaft. Zudem sei laut Hofmann der Standort zwischen Fulda und Frankfurt mit der Anbindung an die A66 ideal. „Viel zentraler kann man nicht produzieren", äußerte sich der Betriebsratsvorsitzende zu den drastischen Maßnahmen der Alsa GmbH. Auch den von Gutzy genannten „starken Optimierungsbedarf" sieht Hofmann als überwindbare Hürde.
Zusätzlich zum Unverständnis bezüglich der geplanten Werksschließung betrachtet Hofmann das Angebot für die Mitarbeiter, mit dem Unternehmen nach Görlitz zu kommen, äußerst kritisch. Dort gäbe es Abweichungen bezüglich Bezahlung und Arbeitszeiten, anstelle einer 37-Stunden Woche in Uerzell, arbeite man dort 40 Stunden wöchentlich. Der Betriebsratsvorsitzende bezweifelt, dass viele Angestellte auf das Angebot des Schuhbodenherstellers eingehen werden. Zu viele Arbeiter seien in der ländlichen Region um Uerzell mit Haus, Hof und Familie verwurzelt. Unternehmenssprecher Gutzy hofft auf die jüngeren, flexibleren Mitarbeiter. Auch hier sieht Hofmann schwarz: Keine 20 Mitarbeiter, die jünger als 30 sind, sollen in der Produktion tätig sein. Der Altersschnitt liege bei 46,4 Jahren. Zwar gäbe es eine finanzielle Unterstützung seitens Alsa für die Mitarbeiter, die den Schritt in Richtung Osten wagen, konkret festgelegt sei aber noch nichts.
Die Alsa kritisierte ebenfalls die nicht gegebenen baulichen Voraussetzungen des Uerzeller Standortes, laut dem Betriebsratsvorsitzenden sei bei Landrat und Baudezernent Erich Pipa aber nie eine Bauvoranfrage gemacht worden. Pipa aber würde jegliche Umbaumaßnahmen unterstützen.(km)+++