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Das Werk in Uerzell: - Fotos: Konstantin Müller/Tobias Winge
01.09.13 - STEINAU
Wut, Ratlosigkeit und Zukunftsängste – Bei der Demonstration für den Erhalt der Alsa GmbH waren diese Gefühle allgegenwärtig. Begriffe wie „Görlitz" oder „Werksschließung" waren es, die den 250 Anwesenden Demonstranten die Kehle zuschnürten. Ganze 500 Kilometer in Richtung Osten an die polnische Grenze soll das Werk des Schuhbodenherstellers umziehen und in die zweite Produktionsstätte integriert werden. Die 281 Mitarbeiter der Alsa GmbH möchten die drohende Arbeitslosigkeit nicht in Kauf nehmen und protestierten somit unter dem Motto „Eine Region steht auf". Unterstützung von der politischen Seite haben die Arbeitnehmer durch Landrat Erich Pipa. In einer Rede vor dem Gasthof Darmstädter Hof in Uerzell motivierte er gemeinsam mit anderen politischen Vertretern aus der Region die Alsa-Belegschaft dazu, für ihre Rechte zu kämpfen. „Wer nicht kämpft hat schon verloren!" hieß es vom Landrat persönlich.
Die Angestellten tragen die Rechnung
Im Fokus der Kritik steht der Umgang von Birkenstock, dem Eigentümer des Uerzeller Werkes, mit seinen eigenen Mitarbeitern. Insbesondere Birkenstock-Unternehmenssprecher Jochen Gutzy bündelt die Kritik und erntete den Spott der Belegschaft, des Betriebsrates und der politischen Vertreter vor Ort. Laut Betriebsratsvorsitzendem Harald Hofmann habe er die Meldung über die Werksschließung in Uerzell publik gemacht, bevor die eigenen Angestellten überhaupt von ihrem Schicksal erfuhren. Der Begriff „Kommunikationspanne" kursiert häufig in diesem Zusammenhang von Seiten Birkenstocks. Laut Pipa handele es sich weniger um eine Panne, vielmehr sei die Aktion geplant gewesen. „Herr Gutzy ist für mich als Mensch asozial!", kommentierte der Landrat das angespannte Verhältnis zum Pressesprecher.
Des Weiteren herrscht in Reihen der Alsa-Belegschaft Unverständnis bezüglich des Angebotes, mitsamt dem Werk nach Görlitz zu ziehen. „Alsa hat jedem von euch die Pistole auf den Bauch gedrückt", hieß es von Daniel Müller von der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall). Auch die Begründungen auf Grund von Umsatzverlusten umzuziehen sei nicht nachvollziehbar. So habe die Alsa Gmbh im Jahre 2012 einen Umsatz von 58 Millionen Euro gemacht, was im Vergleich zu den vorherigen Jahren eine gute Billanz darstelle. Die unvorhersehbare Entscheidung der Geschäftsführung wirft bei den Betroffenen Rätsel auf.
Folgen für die Region
Nicht zuletzt für die 281 Angestellten und deren Familien stellt ein möglicher Umzug der Alsa Gmbh ein Problem dar, laut Bürgermeister der Brüder-Grimm-Stadt Walter Strauch, seien auch die Folgen für die Region deutlich spürbar. 281 Mitarbeiter – da gehe es nicht nur um jeden Einzelnen – sondern ebenso um Freunde, Familien und Kinder. Laut Pipa seien 800 Leute von der Werksschließung betroffen. Es herrscht zudem ein Überangebot von Immobilien in der Region. Eine „Massenflucht" nach Görlitz würde die Immobilienpreise weiter in den Keller senken lassen. Walter Strauch machte in seiner Rede deutlich, dass die Mitarbeiter bereits größtenteils in und um Uerzell verwurzelt sind. Walter Strauch zieht das Eigenheim im Main-Kinzig-Kreis einer „Hasenschachtel in Görlitz" vor.
Kein Sprint, sondern ein Marathon
Ein erstes Ziel ist bereits erreicht, so sei der Umzug des Werkes bis Ende 2013 vorerst abgewendet worden. Jetzt wollen sich Arbeitnehmer und Politiker für den Erhalt des Traditionsunternehmens einsetzen um Arbeitsplätze auf lange Zeit zu sichern. „Wir wollen keinen Kampf gegen Görlitz, die Zusammenarbeit hat in den letzten Jahren immer bestens funktioniert", sagte Betriebsratsvorsitzender Harald Hofmann. Man könne in Zukunft sowohl in Görlitz, als auch in Uerzell problemlos weiterproduzieren. Wichtig sei ab sofort, sich kontinuierlich für den Erhalt der Alsa GmbH stark zu machen. „Es wird ein langer, steiniger Weg. Es handelt sich nicht um einen Sprint, sondern einen Marathon.", sagte Müller zu den Mitarbeitern. Die Demonstranten fordern einen respektvolleren Umgang, schließlich hat jeder Einzelne von ihnen zum guten Ruf von Birkenstock beigetragen. Müller fordert: „Ein Unternehmen, dass mit einem sozialen Ruf wirbt, soll sich auch so verhalten!"(Konstantin Müller) +++
Hintergrund:
http://osthessen-news.de/n1235957/-aus-fuer-280-mitarbeiter-schuhbodenhersteller-alsa-will-nach-goerlitz-steinau-a-d-str-.html +++
Landrat Erich Pipa mit Heinz Lotz (Abgeordneter des Hessischen Landtags)
Bürgermeister Steinau an der Straße Walter Strauch und Betriebsratsvorsitzender Harald Hofmann.
Gut 250 Betroffene, Freunde und Verwandte fanden sich beim Gasthof Darmstädter Hof ein.
Bürgermeister Walter Strauch
Landrat Erich Pipa.