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So laut ist das Becken von unten! Klangerfahrung in der Grundstufe -

GROSSENLÜDER Landesprojekt "JeKi"

Ein Instrument zu lernen bedeutet mehr als ein Instrument zu lernen

20.01.14 - Morgens in der Grundschule St. Georg in Großenlüder: Dreizehn Erstklässler und zwei Lehrerinnen treffen sich zum Grundkurs "JeKi". Das klingt ein bisschen wie eine asiatische Kampfsportart und hat auch etwas davon. Die Kinder nehmen Formation an und klatschen, stampfen und zischen rhythmisch. Sie bewegen sich im Takt. Bald wird klar, es ist Musik, worum es hier geht – eigentlich aber geht es doch, wie beim Kampfsport auch, um mehr: um die Entwicklung von Kompetenzen und von Persönlichkeit, um das Reifen beileibe nicht nur in einem Schulfach, um Körpererfahrung und Geistesbildung, um Identität und Miteinander.

Beim rhythmischen Teil zu Beginn der Stunde bleibt es nicht. Die Kinder bilden einen Stuhlkreis, erinnern sich, was sie beim letzten Mal gemacht haben. Instrumentenkunde ist an der Reihe, und es befinden sich auch viele Instrumente im Klassenraum. Dabei ist zunächst weder die empfindliche Geige noch gibt es Blasinstrumente – wahrscheinlich aus hygienischen Gründen – aber doch so allerlei, mit dem man Musik machen kann. Die Instrumente werden vorgeführt, ausprobiert, in Gruppen eingeteilt. Die Kinder sind mit Feuereifer dabei, sind stolz auf das, was sie schon wissen und können, die Lehrerinnen nutzen geschickt die stets nur kurzen Konzentrationsphasen der Kinder, um ihnen einen anderen Aspekt der Instrumente zu vermitteln.

Man merkt auch als Laie, dass Susanne Behounek viel Erfahrung mit Mutter-Kind-Gruppen und durch die musikalische Arbeit in Kindergärten gesammelt hat. Ruhig ist es nicht in solch einer Stunde, die Kinder probieren natürlich mit Hingabe aus, was man alles zum Beispiel aus einer Rahmentrommel herausholen kann. Aber einen unverhofften Moment der Stille und Konzentration gibt es doch. Bei den Metallinstrumenten erklärt ein Mädchen, sie könne ja schon etwas spielen, schnappt sich das kleine Xylophon und spielt ganz leise eine Melodie. Und schon ist er da, der Zauber der Musik, und die anderen Kinder stehen im Kreis, sind still und lauschen. Freilich nur kurz, aber gut. Am Ende zeigen die Kinder stolz ihre Hefte vor, in denen sie die Ergebnisse der letzten Stunde gesichert haben.


"Jedem Kind ein Instrument"

Dass es zwei Lehrerinnen sind, die diese Unterrichtsstunde halten, liegt im Prinzip dessen, was man "JeKi" nennt. "JeKi" steht für den Satz "Jedem Kind ein Instrument" und ist ein vom Land Hessen (genauer dem Hess. Kultusministerium und dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst) gefördertes Projekt mit dem Ziel, die musikpraktischen Anteile des Unterrichts zu intensivieren. Dabei kooperieren staatliche Grundschulen mit Musikschulen des Verbands deutscher Musikschulen in Hessen (VdMH), und so kommt es, dass Carmen Wehner als Grundschullehrerin und Susanne Behounek von der Lauterbacher Musikschule die Kinder zusammen betreuen. In der Grundstufe findet die oben beschriebene Wochenstunde Musik mit Hörerziehung, rhythmischer Schulung und dem Vermitteln von Fachwissen statt. "Grundmusikalisierung" nennt sich das in der Projektbeschreibung des Landes. Im zweiten Jahr werden diese Ergebnisse vertieft und erweitert, die Kinder lernen Instrumente kennen und können am Ende ihr Lieblingsinstrument wählen. Auch hier arbeiten Grundschullehrer und Musikschullehrer zusammen.

In der Jahrgangsstufe 3 gibt es dann schon drei Wochenstunden Musik. Die Grundschullehrkraft erteilt eine Stunde Musikunterricht, die Musikschullehrkraft bietet Kleingruppenunterricht auf dem Instrument an, das den Kindern dauerhaft ausgeliehen wird (das heißt, sie können es auch mit nach Hause nehmen um dort zu üben). In der dritten Stunde sollten laut Konzept die Kinder gemeinsam im Ensemble spielen. Leider ist dieses Angebot derzeit nicht finanzierbar, da die Landesmittel im laufenden Haushaltsjahr drastisch gekürzt wurden. In der Jahrgangsstufe 4 wird der Unterricht so fortgeführt und vertieft. Das System ist nicht starr, so können z.B. Kinder, die im Kindergarten schon eine musikalische Früherziehung genossen haben, die Grundstufe verkürzen.


38 Kinder beim JeKi-Projekt

An der Grundschule Großenlüder, die mit der Lauterbacher Musikschule kooperiert, gibt es 14 Kinder im Grundkurs, in Gruppen lernen zwei Kinder Klarinette, zwei Tenorhorn, eines Saxophon, drei die Violine, neun die Gitarre, eines Trompete und in zwei Gruppen insgesamt sechs Akkordeon. Somit beteiligen sich 38 Kinder am aktuellen JeKi-Projekt. Mit der Zusammenarbeit mit der vereinsgetragenen Lauterbacher Musikschule ist die Rektorin der St.-Georg-Grundschule, Barbara Tschöpe-Scholl, sehr zufrieden. Sie steht im engen Kontakt mit dem Musikschulleiter Klaus Scheuer und lobt die Zuverlässigkeit und Kompetenz der Lehrkräfte der Musikschule.

Ach ja, die Lehrkräfte. Nach der beschriebenen Grundkurs-Stunde ist für Carmen Wehner und Susanne Behounek längst nicht Feierabend. Während die erste sich ihren weiteren Grundschulstunden widmet, trifft sich die Musikschullehrerin mit drei Drittklässlern zum Akkordeonunterricht. Was im Konzept Kleingruppenunterricht auf dem Instrument heißt, bedeutet in der Praxis: Noten lesen lernen und die richtige Instrumentenhaltung üben. Die Kinder lernen kleine Melodien greifen und den passenden Akkord dazu finden. In der kleinen Gruppe geht es ruhiger und konzentrierter zu als im Grundkurs, aber nicht mit weniger Spaß. Die Kinder sind stolz auf "ihre" Instrumente und fragen den überraschend aufgetauchten Zuhörer gleich, ob sie ihm zeigen dürfen, was sie können.

Susanne Behounek ist sich sicher, hier mehr zu unterrichten als "nur" Musik und Akkordeon. Durch das Singen und Spielen von Liedern werde die Sprachkompetenz gefördert, durch das Ensemblespiel die soziale Kompetenz. Dass musikalische Bildung und Intelligenzentwicklung zusammen hängen, weiß man seit vielen Jahren. Auch andere Lehrer äußern sich auf diese Weise. Peter McAven, der nicht nur in Lauterbach einen hervorragenden Ruf als Gitarrenvirtuose genießt, unterrichtet mehrere Schüler in Klein- und Mittelgruppen. "Ich bin nicht nur Gitarrenlehrer, ich bin Musiklehrer", betont der freundliche Neuseeländer. So lernen die Kinder bei ihm ebenso das Notenlesen wie das wichtige auswendig Spielen kleiner Musikstücke, mit denen sie schon bald etwas vorspielen können, wie zum Beispiel "Happy Birthday". "Die Schüler bringen alle notwendigen Fähigkeiten mit", erläutert McAven, die Kunst bestehe darin, diese Ressourcen zu aktivieren. Mit den Mitteln von einfachen Improvisationen und Lied-Diktaten, dem Suchen und Finden von Melodien und mit Rhythmusübungen schult er Gehör und Musikverständnis sowie die Auge-Hand-Koordination der Kinder.

Peter McAven ist froh, dass die Kinder der St.-Georg-Schule mit recht neuen, passenden (kleineren) Gitarren ausgestattet werden konnten. Bei den Akkordeons von Susanne Behounek sieht es nicht ganz so gut aus. Einige der Instrumente sind in weniger gutem Zustand, so dass die Musikschule nun ein gutes gebrauchtes Akkordeon mit Tasche erworben hat und zur Verfügung stellt.


Wer finanziert das sonst?

In den Vorjahren wurden vom Land Hessen Sachkostenzuschüsse für die Anschaffung der Instrumente gezahlt (100%). Diese Anschaffungsphase ist ab 2013 zu Ende. Das heißt, es muss mit den bereits angeschafften Instrumenten gearbeitet werden. Gut, wenn die Schülerzahlen fest sind. Aber wenn es jetzt mehr Akkordeonwünsche gibt als im Jahr 2012 fängt es schon an, schwierig zu werden. Ähnlich sieht es mit den Personalkosten aus. Im Haushaltsjahr 2013 wird eine Personalkostenunterstützung durch das Land Hessen gezahlt. Es ist vorgesehen, die Musikschullehrkräfte in Anlehnung an den TVÖD zu bezahlen, also wie die Grundschullehrer. Wegen der oben schon erwähnten Kürzung der Landesmittel ist eine Deckung der Personalkosten bei angemessener Bezahlung nur noch durch eine Beteiligung durch Elternbeiträge möglich.

Aktuell werden gut 50% der Personalkosten durch die Elternbeiträge und knapp 50% durch die Landesmittel gedeckt. Die Musikschullehrer arbeiten insgesamt zu wesentlich ungünstigeren Bedingungen als ihre Grundschullehrer-Kollegen und fühlen sich oft als Lehrkräfte zweiter Klasse. Hier wäre eine bessere und vor allem kontinuierliche finanzielle Ausstattung des Projektes JeKi wünschenswert. Denn die Finanzierung ist zusätzlich von der aktuellen landespolitischen Situation und Haushaltslage abhängig. Aktuell ist die Finanzierung auf derzeitigem Niveau immerhin bis zum Schuljahresende 2013/2014 gesichert.

Für die Lauterbacher Musikschule ist das JeKi-Projekt mit der Grundschule in Großenlüder gut, weil es zu einer besseren Auslastung der Lehrkräfte beiträgt und die Schule in der Region bekannter macht. Den Werbeeffekt, den JeKi eigentlich haben kann, hat es für die Lauterbacher Musikschule kaum, denn die Kinder, die nach der Grundschule ihr Instrument weiter lernen möchten, kommen dazu aus Großenlüder kaum nach Lauterbach. Hier wird also Schülerakquise für andere Musikschulen geleistet. Die Grundschule in Lauterbach bietet aktuell kein JeKi an, während die Maarer Grundschule mit einer anderen Musikschule kooperiert. Dennoch sind die beteiligten Lehrkräfte der Lauterbacher Musikschule (Susanne Behounek: Grundkurse und Akkordeon, Klaus Scheuer: Horn und Trompete, Peter McAven: Gitarre, Caroline Henningsen: Saxophon und Klarinette, PoSuan Teo: Violine) froh, auf diese Weise ihren Bildungsauftrag zu entsprechen und hoffen auf eine Fortsetzung dieses Projektes.+++

Erste Melodien im Kleingruppenunterricht der Drittklässler


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