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"So habe ich mir die ehemalige Grenze nicht vorgestellt"
18.07.14 - "Das habe ich nicht gewusst, dass Deutschland so abgetrennt war... so habe ich mir die Grenze nicht vorgestellt... das muss ja schrecklich gewesen sein, da zu leben... schade, dass man das im Schulunterricht nicht erfährt..." Aussagen von Jugendliche aus Suhl und Würzburg, die am Donnerstag im Museum für Grenzgänger in Bad Königshofen waren und anschließend mit Kreisheimat- und Archivpfleger Reinhold Albert, eine Führung an die einstige Grenze, sowie nach Billmuthausen und Rieth machten. Zunächst aber erhielten die Schülerinnen und Schüler bei einem Kurzvortrag Einblick in die Zeit des sogenannten "kalten Krieges".
Sie erfuhren von den Grenzsperranlagen, von den tödlichen Minen und auch den Selbstschussanlagen und davon, dass immer wieder Menschen versuchten in den Westen zu kommen und dabei ihr Leben riskierten. Knapp 1.400 Kilometer war die einstige Grenze zwischen Deutschland und Deutschland von Lübeck bis Hof lang. "Das war doch auch ein enormer Landverlust," sagte die Schülerinnen und Schüler und erfuhren, dass diese Strecken direkt an der Grenze regelrecht gerodet waren. "Dort, wo heute wieder Bäume, Büsche, ja ein Wald vorhanden ist, war früher freies Schussfeld," sagte Kreiskulturreferent Hanns Friedrich, der durch das Museum für Grenzgänger führte und den Vortrag ausgearbeitet hatte.
Die Jugendlichen sahen Bilder von den ersten Sperranlagen, von Schlagbäumen, an denen sich zu Anfang noch die Menschen unterhielten. "Es war die sogenannte grüne Grenze", erklärte der Referent. Lebensgefährlich wurde es, als in den späteren Jahren um 1970 die DDR dann Minenfelder anlegte. Auf eine Länge von rund zehn Kilometern lagen damals bis zu 60.000 Minen, erfuhren die Schülerinnen und Schüler aus Suhl und Würzburg. Ein Fernsehteam aus Würzburg hatte das Minenlegen gedreht und die Anzahl der Todesautomaten dann hochgerechnet. "Das wurde damals im Fernsehen, sogar von einem Sprecher aus der DDR bestätigt," wusste Hanns Friedrich.
Er ging in seinem Vortrag auf den Skulpturenpark am ehemaligen Grenzübergang Eußenhausen-Meiningen ein und zeigte Bilder von der "Goldenen Brücke", die direkt auf der einstigen Grenze steht, aber von der überlebensgroßen Skulptur "Der Erschossen". Er erinnerte an die zahlreichen Flüchtlinge, die entlang der einstigen DDR Grenze ihr Leben lassen mussten, nur weil sie in den Westen wollten. Die Jugendliche erfuhren dann beim Museumsrundgang an einem Modell mehr über den Aufbau der Grenzanlagen, von Wachtürmen, die der Windstärke neun nicht standhielten, aber auch von Hundelaufanlagen, Signalanlagen und Stolperdrähten. Angesprochen hat Hanns Friedrich aber auch Bräuche und Sprache, die sich auf beiden Seiten erhalten hatten. "Oft war es eine Reise in die Kinderzeit, wenn wir damals nach Thüringen fuhren."
In einer Diskussion ging es dann darum zu erfahren, wie das Leben an der einstigen deutsch-deutschen Grenze war und wie es heute ist. Kreisheimat- und Archivpfleger Reinhold Albert, beruflich einst Grenzpolizist war hier der richtige Ansprechpartner. Er berichtete unter anderem auch davon, dass die deutsche Einheit es mit sich brachte, dass Firmen aus dem Westen in den Osten siedelten, so wie die Firma Köberlein aus Bad Königshofen. "Das kostete der Stadt an die 200 Arbeitsplätze". Gleiches geschah mit einer Waffenfabrik in Münnerstadt, die ebenfalls nach Thüringen umsiedelte, weil es entsprechende Fördergelder gab. Albert zeigte aber auch auf, dass sich die neuen Bundesländer heute in einem schmucken "Kleid" zeigen. Beispiel in der Nähe seien Meiningen und Suhl aber auch Berlin und Dresden.
Andrea Friedrich berichtete davon, wie schwierig es war, in die DDR zu Besuchen einzureisen und wie es war, wenn man Geschenke mitbringen wollte. Sie erinnerte an die strengen Grenzkontrollen, aber auch an die Freude, die im Osten herrschte, wenn man dort frisches Obst oder auch Kleidung mitbrachte. Einmal sei es sogar gelungen einen Walkman für Bekannte in Thüringen so organisieren. Heute sei dies alles nicht vorstellbar. Das wusste auch Dr. Margot Metzner, Leiterin der Volkshochschule Suhl, Sie berichtete davon, dass ihr erst bei der Grenzöffnung bewusst wurde, wie eingesperrt man eigentlich war. "Als ich zum ersten Mal über den Grenzübergang Henneberg fuhr und das Schild "Freistaat Bayern" las, brach ich in Tränen aus." Schade nur, so die Schülerinnen und Schüler, dass man davon zu wenig im Schulunterricht erfährt.
Der Nachmittag sah die interessierten Schülerinnen und Schüler dann auf der Fahrt ins ehemalige Grenzland. Reinhold Albert führte sie zunächst nach Rieth, wo noch Reste der einstigen Grenzsperranlagen vorhanden ist. "Es ist dies wirklich ein historischer Ort," sagte Albert und berichtete von den Sperranlagen, aber auch von den Wallfahrern, die aus Dankbarkeit hier ein großes Kreuz errichten ließen, das an die friedliche Wiedervereinigung erinnert. Wie das war, als ganze Dörfer ausgesiedelt und abgerissen wurden, erfuhren die Schülerinnen und Schüler am Gedenkort Billmuthausen, bevor man über den Fachwerkort Ummerstadt, Erlenbach und Gompertshausen wieder zurück in Richtung Würzburg fuhr. Eine Exkursion in die Geschichte Deutschlands, die aber für Jugendliche sehr wichtig ist, wie die Verantwortlichen der Akademie Frankenwarte Würzburg und der vhs Suhl einhellig sagten. (hf) +++