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09.10.08 - SINNTAL

IM WORTLAUT: Bürgermeister Carsten ULLRICH zur KNAUS TABBERT-KRISE

Der Wohnwagen-Hersteller Knaus Tabbert aus Jandelsbrunn ist in finanzielle Schieflage geraten und nach Unternehmensangaben werde heute beim Amtsgericht in Passau Insolvenzantrag gestellt. Davon betroffen ist auch das Werk im Sinntaler Ortsteil Mottgers. Dort sind 400 Menschen beschäftigt. Ausführlich berichtete osthessen-news auch am gestrigen Mittwoch ( http://www.osthessen-news.de/beitrag.php?id=1156182 ). Die schlechte Lage bei Knaus Tabbert betrifft eine ganze Region, und ein Aus würde einen großen Schaden besonders für die Menschen und den Handel in der Gemeinde Sinntal (Main-Kinzig-Kreis) bedeuten. Sinntals Bürgermeister Carsten Ullrich bezieht in einem offenen Brief Stellung. Die Redaktion von osthessen-news veröffentlicht die Stellungsnahme des Rathauschefes im Wortlaut:

"Nach meiner eigenen Recherche bei der Passauer Neuen Presse habe ich mich am Donnerstag, dem 4. September, mit der Werksleitung in Mottgers telefonisch in Verbindung gesetzt. Ziel meines Anrufs war es, mich über die Situation der Knaus-Tabbert Group und hier insb. die Auswirkungen auf das Werk in Mottgers zu informieren. In diesem Gespräch, wie auch bei den nachher stattfindenden Gesprächen, wurde die Situation zwar als sehr ernst dargestellt, aber es sollten von Seiten der Gemeinde bzw. des Bürgermeisters keinerlei öffentlichkeitswirksamen Aktionen ausgelöst werden, um die Gespräche mit den Banken sowie potentiellen Investoren nicht zu gefährden. Abgelehnt wurde meine Anfrage, mich gemeinsam mit der Fraktion der Sinntaler SPD vor Ort im Werk zu empfangen.

Am nächsten Tag (Freitag, der 5. September) meldete sich der Betriebsratsvorsitzende telefonisch bei mir. Er informierte mich aus der Sicht des Betriebsrates über den Sachstand. Während dieses Telefonats erfuhr ich, dass sich die Geschäftsführung an die Bayrische Landesregierung gewandt hatte. Der Betriebsratsvorsitzende bat mich mit Blick auf den Standort Mottgers, Kontakt mit der Hessischen Landesregierung aufzunehmen. Am gleichen Tag ließ ich dem Betriebsratsvorsitzenden meine Handy-Nummer zukommen mit der Bitte, mich unverzüglich zu unterrichten, falls es Neuigkeiten geben sollte.

Am Dienstag, den 9. September 2008 setzte ich mich mit dem Hessischen Wirtschaftsministerium in Verbindung. Dort wurde mir der bestehende Kontakt zum Bayrischen Wirtschaftsministerium in dieser Angelegenheit bestätigt. Da der Hauptsitz des Unternehmens in Bayern liegt, obliege die Federführung dem Bayrischen Ministerium. Das Hessische Ministerium hingegen sei lediglich „Juniorpartner“. Nach Schilderung meiner Befürchtungen für den hessischen Standort Mottgers und den damit verbundenen Konsequenzen für die knapp 400 Arbeitsplätze in unserer ländlichen Gemeinde mit geringer Kaufkraft wurde mir zugesichert, dass der Hessische Wirtschaftsminister telefonisch über die Situation unterrichtet wurde. Zunächst wäre jedoch erst das Unternehmen in der Pflicht, die Banken für die Erteilung neuer Kredite zu überzeugen. Falls es neue Erkenntnisse geben sollte, vereinbarten wir einen gegenseitigen Informationsaustausch.

Da ich nach dem Gespräch mit dem Ministerium den Betriebsratsvorsitzenden telefonisch nicht erreichen konnte, ließ ich ihm die Information zukommen, dass ich mit dem Hessischen Wirtschaftsministerium in Kontakt stünde.

Weiterhin versicherte ich mich, dass sowohl die SPD-Kreistagsfraktion als auch der SPD-Landtagsabgeordnete aus unserem Wahlkreis über die Situation der Knaus-Tabbert Group in Kenntnis gesetzt waren. Meiner Kenntnis nach, wurde auch von diesen Stellen versucht, einen Termin im Werk in Mottgers zu bekommen.

Unterstützend wandte sich mein Bürgermeisterkollege aus dem benachbarten Zeitlofs (Bayern) an das Bayrische Wirtschaftsministerium, da auch in Zeitlofs Beschäftigte der Knaus-Tabbert Group betroffen sind.

In der Folgezeit meldete ich mich mehrfach bei der Werksleitung in Mottgers, ohne jedoch tiefgreifend neue Informationen zu erhalten. Weiterhin versuchte ich über eine Woche lang den Vorsitzenden der Geschäftsführung in Jandelsbrunn zu erreichen. Dieses schwierige Unterfangen wurde schließlich am 15. September in Form eines persönlichen Gespräches im Beisein der Werksleitung „belohnt“. Neue Erkenntnisse erbrachte dieser Termin nicht. Meinem Wunsch auf Teilnahme an der anschließenden Betriebsversammlung wurde nicht entsprochen.

Um die finanzielle Situation des Unternehmens nicht zu verschärfen, hat der Gemeindevorstand am gleichen Tag, einem Stundungsantrag der Geschäftsführung zugestimmt.

Letztmalig versicherte ich mich vor meinem Urlaub (23. – 2.10.), ob während meiner Abwesenheit mit „dramatischen“ Entwicklungen zu rechnen sei. Dies wurde verneint.

Auch nach meiner Rückkehr erhielt ich keine wirklich neuen Informationen. Erst am heutigen Tag wurde ich von der Werksleitung darüber informiert, dass es absehbar „eng“ werden könnte. Es wäre aber kein Insolvenzantrag gestellt worden. Für den morgigen Donnerstag wurde ein erneuter Anruf vereinbart. Nach dieser Information setzte ich mich unverzüglich telefonisch mit dem Betriebsratsvorsitzenden in Verbindung. Als „Betriebsfremder“ wurde mir auch die Teilnahme an der Betriebsversammlung am kommenden Montag verweigert.

Zusammenfassend stand ich in regelmäßigem Kontakt zur Werksleitung und habe mich im Rahmen der Möglichkeiten für das Unternehmen und hier insb. für den Standort Mottgers eingesetzt. Auf einen öffentlichkeitswirksamen Aktionismus habe ich in Absprache mit der Werksleitung verzichtet, um die Verhandlungen mit den Banken und den potentiellen Investoren nicht zu gefährden. Dies bedeutet aber nicht, dass ich untätig war oder dass mir gar gleichgültig wäre, was mit den knapp 400 Arbeitsplätzen in unserer Gemeinde geschieht.

Der Verlust dieser Plätze wäre eine Katastrophe für die Gemeinde und die Menschen. Damit würden 1/3 der Arbeitsplätze in der Gemeinde Sinntal auf einen Schlag vernichtet werden, qualifizierte Fachkräfte arbeitslos und die schwache Kaufkraft noch weiter verschlechtert. Von den Zulieferern und dem Einzelhandel einmal ganz zu schweigen.

Abschließend stelle ich fest, dass uns die Werksleitung in den vergangenen Wochen mit Hinhaltetaktiken und halbherzigen Wahrheiten „Sand in die Augen gestreut“ hat, statt mit uns gemeinsam offen und ehrlich an Konzepten zur Standortsicherung zu arbeiten. Ob dies wissentlich oder unwissentlich geschah, vermag ich nicht zu beurteilen.

Die Ursache für die aktuelle Situation der Knaus-Tabbert Group ist jedenfalls nicht bei der Politik zu suchen, sondern liegt in den Managementfehlern der Geschäftsführung begründet. Fest steht in diesem Zusammenhang, dass es jetzt (wo das tatsächliche Ausmaß des Desasters öffentlich geworden ist) fast schon zu spät ist.

Die Geschäftsführung hat wie bereits in zurückliegenden Jahren ein miserables Krisenmanagement im Umgang mit den politisch Verantwortlichen in Sinntal an den Tag gelegt. Ausbaden müssen es nun die Beschäftigten, deren Familien und die gesamte Gemeinde. Deswegen gilt es jetzt mehr denn je für den Standort Mottgers und damit die Marke Tabbert zu kämpfen. Die Begriffe „Mottgers“ und „Tabbert“ sind eng verbunden mit Qualität, Innovation und guten Mitarbeitern. Genau das, was die Kunden an „ihrem“ Tabbert schätzen und was in Jandelsbrunn nie gewährleistet war.

Ich für meinen Teil werde am kommenden Montag zur Betriebsversammlung gehen und mich mit den Beschäftigten solidarisch erklären, auch wenn mir der Zutritt weiterhin verweigert werden sollte. Der Kampf um und für Tabbert in Mottgers ist erst dann verloren, wenn sich die Werkstore zum letzten Mal schließen." +++

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