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Berthold Wittich ist an der ehemaligen innerdeutschen Grenze aufgewachsen. Die Grenzöffnung im November 1989 war für ihn als Privatperson und damaliger Bundestagsabgeordneter gleichermaßen bedeutsam - Foto: Gudrun Schmidl

LUDWIGSAU 25 Jahre Mauerfall (4)

Berthold WITTICH folgt den Spuren seiner Kindheit und Jugend

03.10.14 - Kurz nach Mitternacht kam der damalige SPD-Bundestagsabgeordnete Berthold Wittich aus dem Ludwigsauer Ortsteil Friedlos von einer Veranstaltung im nördlichen Bereich seines Wahlkreises nachhause. Es war Sonntag, der 12. November 1989, als gegen 0.30 Uhr sein Telefon klingelte. Am anderen Ende überbrachte ihm Hans-Otto Kurz, ein Freund der Familie, die sensationelle Botschaft, dass die Öffnung der innerdeutschen Grenze zwischen Philippsthal und Vacha noch an diesem Tag bevorstand. „Dann sehen wir uns heute früh“, verabredete sich Berthold Wittich mit Hans-Otto Kurz, der als Büroleiter im Landratsamt über die Ereignisse zeitnah informiert war.

Mit einem Gefühl überschwänglicher Freude und großer Dankbarkeit eilte Berthold Wittich wenige Stunden später nach Philippsthal, wo er gemeinsam mit Landrat Norbert Kern, Bürgermeister Fritz Schäfer als „Hausherr“, Heringens Bürgermeister Roland Hühn und hunderten erwartungsfrohen Menschen in Feierlaune dem Abbau der Mauer entgegenfieberte. „Ich erkannte viele Bürgerinnen und Bürger aus dem Werratal, denen ich früher begegnet bin. Von der Woge der Begeisterung habe ich mich anstecken und tragen lassen“. „So ein Tag, so wunderschön wie heute…“, wird zur Hymne dieses historischen Tages, „Welch ein Wahnsinn“ drückt am ehesten die Emotionen der Bürgerinnen und Bürger aus, die kaum das Ende der Arbeiten erwarten können.

und auf dem zweiten Bild Berthold Wittich in offizieller Mission bei der Grenzöffnung ...

Zu sehen ist Berthold Wittich bei seiner Bewerbung um die 2. Kandidatur als Bundestagsabgeordneter ...

Ein Rückblick: Pioniere und Bedienstete der DDR demontieren die Mauer zwischen dem Haus auf der Grenze – der Hossfeldschen Buchdruckerei – und der Werrabrücke mit schwerem Gerät. Der BGS hat einen Flutlichtwagen aufgefahren und ganz selbstverständlich arbeiten die Deutschen von hüben und drüben Hand in Hand. Kurz vor 8.00 Uhr an diesem nebligen Morgen ist es so weit, zu Fuß können die Menschen wieder über die Brücke gehen. Landrat Norbert Kern und Werner Bergmann, Vize-Landrat im Landkreis Bad Salzungen, reichen sich die Hand. Norbert Kern, Fritz Schäfer, Hans-Otto Kurz und Berthold Wittich beschließen, nach Vacha zu laufen, um das Rathaus in Augenschein zu nehmen. Am Ende der Brücke kommt ihnen Vachas Bürgermeister Werner Mäder entgegen.

Berthold Wittich ist in Heringen aufgewachsen und genoss in diesen bedeutungsvollen Stunden das jahrzehntelang verwehrte Wiedersehen mit den vertrauten Orten, Straßen und Plätzen seiner Kindheit und Jugend. Er erinnerte sich besonders an die Besuche auf dem Christmarkt in Vacha, den er in Begleitung seiner Eltern und seines Bruders zu Fuß über den Wald – am Schwarzen Stock vorbei- erreichte.

„Meine Begleiter traten den Rückweg an, ich bin jedoch in Vacha geblieben“, erzählt Berthold Wittich. Er entschloss sich, den Cousin seiner Frau Irmhild zu besuchen, um ihm die unglaubliche Neuigkeit zu überbringen. Tatsächlich hatte sich das Ereignis in Vacha noch nicht herumgesprochen, und so erntete er von Klaus Lang und seiner Familie zunächst nur ungläubige Blicke. Jahrzehntelang konnte sich das Ehepaar Wittich mit seinen Verwandten nur im Rahmen des kleinen Grenzverkehrs treffen, jetzt stieß Berthold Wittich in deren Zuhause mit Rotkäppchensekt auf „die Wiedervereinigung der Menschen in Ost und West“ an. Der Schwiegervater von Klaus Lang fuhr den unerwarteten Besucher aus dem Westen zu entfernten Verwandten nach Unterbreizbach. Es wurde später Nachmittag, bis Berthold Wittich nach Philippsthal zurückkehrte und von dort seine Frau anrufen konnte.

Die Freudenhymne „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ begleitete auch die Grenzöffnungen zwischen
Philippsthal-Unterbreizbach, Widdershausen-Dankmarshausen, Kleinensee-Großensee, Hönebach-Großensee, Leimbach-Dippach, und Willershausen-Pferdsdorf, bei denen Berthold Wittich als Bundestagsabgeordneter und Privatperson gleichermaßen vor Ort war. Seine Pateneltern lebten in Dippach und sein Vater stammte aus Willershausen. So wurde Berthold Wittich an der Grenze zwischen Willershausen und Pferdsdorf (Kreis Eisenach) die besondere Ehre zuteil, gemeinsam mit Bürgermeister Gerald Beck das Band, das die bisherige Trennung symbolisierte, durchzuschneiden. Mit dem Zitat von Willy Brandt „Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört“ eröffnete Wittich seine Ansprache, um die er gebeten wurde.

Seit 1987 war Berthold Wittich Mitglied des Deutschen Bundestages und damit noch junger Abgeordneter, als im November 1989 die innerdeutsche Grenze geöffnet wurde. Sein Wahlkreis 128 umfasste neben dem Kreis Hersfeld-Rotenburg die Altkreise Hünfeld (heute Fulda) und Melsungen (Schwalm-Eder) mit 98 Ortsvereinen. Am 1.12.1989 bewarb sich der damals Sechsundfünfzigjährige zum 2. Mal um die Bundestagskandidatur für die Bundestagswahl 1990. Um in seinem Wahlkreis und DDR-Grenzregion nach diesen Ereignissen konkret helfen zu können, forderte Wittich die Auflegung eines Sonderprogramms „Grenzraumförderung“ sowie die Neuordnung aller Planungsdaten und die Überprüfung aller Entwicklungspläne. Er nannte folgende Projekte, die durch solch ein Sonderprogramm gefördert werden sollten: Kurzfristiger Ausbau der bestehenden Übergänge, Ausbau der geplanten Übergänge im Raum Heringen, Wildeck und Hohenroda, Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs in Abstimmung mit den Verkehrsträgern der DDR, Entsalzung der Werra, Reduzierung der Umweltbelastung durch Einsatz moderner Filtertechnik, Abwasser- und Wasserverbund, Industrieansiedlung, Klein- und Mittelbetriebe, Errichtung eines grenzüberschreitenden Informations- und Rettungsdienstes zwischen den Kaliwerken sowie den Ausbau der B 62 zwischen Philippsthal und Vacha.

25 Jahre nach diesen Ereignissen zieht Berthold Wittich Bilanz: „Weil ich in Heringen aufgewachsen bin, nur 2 km von den tödlichen Sperranlagen des Eisernen Vorhangs entfernt, sind für mich im Blick zurück auf meine 12-jährige Tätigkeit als Mitglied des Deutschen Bundestages der Wegfall von Mauer und Stacheldraht und die Öffnungen der innerdeutschen Grenze im Ostteil meines Wahlkreises die herausragenden Ereignisse. Die Begegnungen mit Verwandten, Bekannten und Schulkameraden an diesen historischen Tagen im November 1989 waren geprägt von Wiedersehensfreude und Zusammengehörigkeitsgefühl“. (Gudrun Schmidl) +++


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