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REGION WIELOCHS WIRRE WELT (56)

Nikolaus knöpft sich unsere Bürgermeister vor – Arbeit für Knecht Ruprecht

05.12.14 - Die Bürgermeister der Region stehen heute stramm. Am Vorabend des Nikolaustages kommt der Mann mit dem Bart ins Fuldaer Stadtschloss. Dabei hat er nicht nur lobende Worte im Gepäck.

„Ho ho ho. Na, Thommi, warst du auch schön brav?“, fragt der Nikolaus Bad Hersfelds Bürgermeister Thomas Fehling und schaut in sein goldenes Buch. „Wie ich hier lesen muss, magst du keine Freytage. Dafür genießt du deine freien Sams- und Sonntage umso mehr“, tadelt der Besucher im roten Gewand. Fehling versteckt sich ängstlich hinter einer Säule. „Du kommst aus der Stadt der Festspiele. Kannst du mir denn ein Gedicht aufsagen?“, fragt der Nikolaus. Damit hatte Fehling gerechnet. Erleichterung macht sich bei ihm breit. Zum Glück hat er sich seit Wochen intensiv vorbereitet. Der Bürgermeister atmet zweimal tief durch, baut sich vor seinen Kollegen auf und legt theatralisch los: „Als Frontmann vor dem Weihnachtsmann, reist du alljährlich bei uns an.“ Gespannte Stille. Alle warten auf die nächsten 200 Verse, auf noch mehr inhaltlichen Tiefgang, auf waghalsige Wortspiele und atemberaubende Stilmittel. Doch es kommt nichts mehr. Der stolz strahlende Fehling ist fertig. „Mehr habe ich nicht von dir erwartet“, reagiert der Nikolaus milde und blättert in seinen Unterlagen. „Deine Frau hat dich sehr gelobt. Du hilfst ihr neuerdings bei der Hausarbeit. Sie sieht dich regelmäßig mit dem Wedel.“

Als nächstes tritt der Hünfelder Bürgermeister vor. „Wer bist du?“, fragt der Nikolaus streng und schaut in sein Buch. Die Schwenk-Seite ist leer. „Stefan, du bist ein unbeschriebenes Blatt. Seitdem Eberhard weg ist, wird Hünfeld in der Öffentlichkeit nicht mehr wahrgenommen“, kritisiert der heilige Mann. Schwenk setzt zum langen Monolog an und referiert über die neue Schmutzabwasserbeseitigungssatzung in der Haunestadt. Doch der Nikolaus ist schon lange beim nächsten Kandidaten.

Ungläubig schaut er auf ein Foto in seinem Buch. Er reibt sich die Augen und guckt noch einmal hin. Eine Folterstange aus Metall ist da zu sehen, errichtet für Senioren. Daneben klebt ein Portraitfoto von Petersbergs Bürgermeister Karl-Josef Schwiddessen. „Knecht Ruprecht“, gibt der Nikolaus seinem Mitarbeiter einen Einsatzbefehl. „Und sei bitte nicht zimperlich!“

„Gerhard, du bist alt geworden“, knöpft sich der Nikolaus jetzt Fuldas Oberbürgermeister Möller vor. „Ich musste in diesem Jahr alles alleine machen“, rechtfertigt sich der Boss der Barockstadt. „Wie mir berichtet wurde, hast du die Cornelia und den Wolfgang aus dem Paradies vertrieben“, liest der Nikolaus nachdenklich aus seinen Notizen vor und legt eine Mandarine zurück in seinen Sack. „Es ist wohl besser, wenn du einen Jüngeren ran lässt. Ich halte mich da raus, aber – unter uns – der Heiko ist ein richtig Guter“, hat der himmlische Mann einen Tipp parat. Als politischer Routinier mit jahrzehntelanger Erfahrung weiß Möller sofort, woher hier der Wind weht. Da will jemand den amtierenden Ersten Kreisbeigeordneten skrupellos aus dem Amt loben, diesen ganz dezent entsorgen. Der Rathauschef muss seinen Parteikollegen warnen, greift zum Handy, navigiert zu „W“ wie „Wingenfeld“ und wählt. Im selben Moment vibriert beim Nikolaus die Manteltasche.

Möller wird stutzig. Ist das Zufall? Ohne zu fragen angelt er sich das Nikolaus-Handy. Ein Blick genügt, dann schnauft er erleichtert durch. Im Display steht weder wie befürchtet „Gerhard“ oder „Mölli“ noch „Mein bester Freund“, sondern lediglich „Nervensäge ruft an“. „Und ich dachte schon… Du brauchst dringend Urlaub“, lacht Möller über sich selbst und freut sich über einen „Sommerlad“-Gutschein aus dem Nikolaus-Sack. (Jochen Wieloch)


HINTERGRUND: „Wielochs wirre Welt" erscheint heute am 56. Freitag in Folge bei OSTHESSEN|NEWS. Jochen Wieloch (38) blickt dabei pointiert, humorvoll und teilweise mit einer gehörigen Portion Ironie auf die Ereignisse, die die Menschen in der Region und im Land bewegen. Der Petersberger kennt sich als selbstständiger Redakteur in den Medien Print, TV und Internet bestens aus, ist Buchautor und als Spezialist für Unterhaltungselektronik gefragter Autor für zahlreiche Verlage, Magazine und Fachzeitschriften. Außerdem berät und betreut der 38-Jährige Unternehmen in allen Fragen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Neben dem ZDF, 3sat und dem Bayerischen Rundfunk arbeitete Jochen Wieloch unter anderem auch für die Motor Presse in Stuttgart und auto-tv in München. Für osthessen-tv.de stellt der Germanist neuerdings regelmäßig automobile Neuheiten in Filmbeiträgen vor. +++


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