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WIELOCHS WIRRE WELT (65) Besges, Zell, Istergiesel und Keulos

Wenn Wahlkämpfer auf taube Ohren stoßen

06.02.15 - Was ist der Unterschied zwischen Künstlern und Politikern? Künstler lassen eine Veranstaltung schon mal ob mangelnder Resonanz ausfallen, Politiker treten immer auf, egal ob jemand kommt oder nicht. Mit Fingerspitzengefühl, Flexibilität und Einfühlungsvermögen reagieren sie spontan auf die jeweilige Situation, wie sich gerade bei den zahlreichen Wahlkampf-Terminen in Fulda und Künzell zeigt. Nicht jeden Tag warten die großen Bühnen auf dem Uniplatz oder in den Bürgerhäusern. Denn auch in Keulos, Wissels, Zell, Istergiesel oder Malkes gehen die Bewerber für den Rathaus-Posten auf Stimmenfang.

Gerade mal vier Rentner, der Wirt und eine Bedienung lauschen mehr oder weniger interessiert den Worten des Kandidaten im Gasthaus „Zum wilden Ochsen“. Doch der Politiker ist Profi, zieht sein Programm routiniert durch und verzichtet selbst im kleinen Nebenzimmer der Wirtsstube nicht auf Mikrofon und Lautsprecher, mit denen sonst Helene Fischer die Esperantohalle beschallt. „Ich freue mich riesig, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Parteifreunde, liebe Vertreterinnen und Vertreter der örtlichen Gremien, verehrter Ortsvorsteher, liebes Wirtepaar, liebe politisch motivierten Bürgerinnen und Bürger unserer Region, verehrte Medienvertreter, dass Sie heute Abend so zahlreich erschienen sind, um gemeinsam mit mir die Weichen auf Veränderung für einen politisch nachhaltigen Wechsel in unserer Heimat zu stellen“, plärrt der Kandidat mit dem Schalldruck eines Düsenjets in die 25 Quadratmeter große Stube. „Fortschritt durch Rückschritt, meine Damen und Herren“, präsentiert er seinen Wahlkampf-Slogan, legt eine im Skript vorgesehene Pause ein, damit die Zuhörer frenetisch jubeln können, und blickt erwartungsfroh in die Runde.

„Franzi, bring mir noch einen Dirty Harry Lakritz“, gibt einer der Senioren seine Bestellung auf. „Ich bin pieseln“, verabschiedet sich ein anderer. „Is’ das der Silbereisen?“, fragt seine schwerhörige Frau den Wirt. Der vermeintliche Silbereisen redet sich jetzt in Rage, haut immer wieder mit der Faust auf das Stehpult. „Wir sind die Zukunft. Und diesen Appell richte ich ausdrücklich hier und jetzt an die vielen Kinder und Jugendlichen im Saal.“ Stille. Nur die Klospülung nebenan rauscht. „Wer von Ihnen, meine Damen und Herren, sucht denn immer noch verzweifelt einen Ausbildungsplatz bei einem Arbeitgeber in der Region?“, will der Politiker von den über 80-Jährigen wissen. Zeitgleich fragt die Bedienung im Flüsterton, ob’s noch ein Bierchen sein darf. Alle Arme schießen in die Höhe. „Sehen Sie, meine Damen und Herren, das ist das desaströse Ergebnis der jetzigen Arbeitsmarktpolitik unseres amtierenden Bürgermeisters“, fühlt sich der Kandidat in seinem Wahlprogramm bestätigt. „Entscheidend ist, was hinten rauskommt, meine Damen und Herren“, wird er noch lauter. „Dünnpfiff“, ärgert sich der Rentner, der gerade vom WC-Gang zurückkommt.

„Engstirniger Dünnpfiff war gestern. Das Bohren dicker Bretter verlangt große Visionen. Schluss für unseren Bürgermeister, diesen…“ – „Franzi, Kleinen Feigling, bitte.“ – „Genau, diesen Feigling, Wurzelpeter, Klosterbruder, elenden Kümmerling, Butzelmann.“ – „Die probier ich alle auf ex. Das wird ein Experiment.“ – „Die Zeit für missglückte Experimente ist ein für allemal vorbei, meine Damen und Herren“, will der Politiker endgültig den Saal zum Kochen bringen.

Im Hintergrund kicken mittlerweile die Bayern gegen Schalke auf Sky. „Über rechts ist gefährlich.“ – „Heimat darf kein Nährboden für rechte Ideologien sein!“ – „Singt der Flori nachher noch?“ – „Ich bitte Sie heute um Ihre Stimme.“ – „Schade, dann wohl nicht. Der ist offenbar heiser…“ (Jochen Wieloch)

HINTERGRUND: „Wielochs wirre Welt" erscheint heute am 65. Freitag in Folge bei OSTHESSEN|NEWS. Jochen Wieloch (38) blickt dabei pointiert, humorvoll und teilweise mit einer gehörigen Portion Ironie auf die Ereignisse, die die Menschen in der Region und im Land bewegen. Der Petersberger kennt sich als selbstständiger Redakteur in den Medien Print, TV und Internet bestens aus, ist Buchautor und als Spezialist für Unterhaltungselektronik gefragter Autor für zahlreiche Verlage, Magazine und Fachzeitschriften. Außerdem berät und betreut der 38-Jährige Unternehmen in allen Fragen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Neben dem ZDF, 3sat und dem Bayerischen Rundfunk arbeitete Jochen Wieloch unter anderem auch für die Motor Presse in Stuttgart und auto-tv in München. Für osthessen-tv.de stellt der Germanist neuerdings regelmäßig automobile Neuheiten in Filmbeiträgen vor.+++


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