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„Es bleibt alles gleich“- Gedanken von Christina LEINWEBER
15.02.15 - Weinend sprach ein Mädchen vor etwa zwanzig Jahren: „Die sind so gemein! Die machen mich dauernd fertig. Wird das irgendwann mal anders?“ Diese Worte werden womöglich jeden Tag irgendwo auf der Welt so gesagt. Eine Freundin spricht sie zur anderen. Oder ein Freund spricht sie zu seinem Kumpel. Das Mädchen vom Anfang müsste womöglich bereits Mitte zwanzig sein und könnte sich die Frage selbst beantworten: „Wird das irgendwann mal anders? Werden die mich irgendwann in Ruhe lassen?“
Die dargestellte Situation ist klar: Da macht eine Gruppe jemanden systematisch fertig. Es geht um zwei Systeme: eine Gruppe von starken und coolen Kids, eine Gruppe oder eine Person von schwächeren Kindern, die sich nicht wehren können. Ich behaupte, um auf die Anfangsfrage zurückzukommen, dass sich diese zwei Systeme nicht nur so in Kindergarten und Schule wiederfinden, sondern dass die Unterdrücker-Kinder irgendwann zu Unterdrücker-Erwachsenen werden und bei den Schwachen könnte es genauso sein.
Ich habe während der Schule, während dem Studium und nach dem Studium einige Erfahrungen zu diesem Thema machen können. Und überall habe ich auch unter Erwachsenen dieses Muster wiedererkannt. Da gibt es jemanden, ob Männlein oder Weiblein, der versucht, die Macht an sich zu reißen. Und leider gibt es immer wieder Dumme, die ihm blind hinterher laufen. Diesen machtgierigen Menschen ist das Los der anderen Mitläufer aber herzlich egal. Sie würden ihre vermeintlichen Freunde auch zum Zwecke ihrer selbst ans Messer liefern. Und da gibt es diese andere Fraktion, die es nicht schafft, sich gegen den oder die Starken zu wehren.
Dabei ist das Grundgefühl beider Seiten gleich: Angst! Der starke hat Angst, Macht zu verlieren und am Ende allein dazustehen – obwohl er doch eigentlich längst allein ist: Alle, die ihm folgen, stehen nicht wirklich zu seiner Person, sondern folgen ihm aus der Vermutung heraus, selbst hinten runter zu fallen und leisten blindes Gehorsam. Und die Schwachen haben auch Angst, noch weiter nieder gemacht zu werden. Es ergibt sich ein System aus Angst, das natürlich nicht überall so sein muss, das sich aber wohl nur zu oft immer wiederholt.
Um diesen Teufelskreis zu zerschlagen, müsste jemand dazwischen geraten - vielleicht etwas Göttliches? Jemand, der Angst nehmen kann? Jesus konnte die Angst von Menschen heilen. Und beide Seiten brauchen Hilfe: Der Starke müsste erkennen, dass er innerlich eigentlich leer geworden ist, weil die Macht und nicht die Liebe in seinem Herzen herrscht. Der Schwache müsste erkennen, dass er, so wie er ist, bereits liebenswürdig ist. Tja, und wieder einmal wäre es schön, wenn Jesu Handeln mehr Raum in unserer Welt hätte. Denn in Ruhe gelassen, wird man wahrlich nicht. (Christina Leinweber)+++
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ZUR PERSON: Christina Leinweber, 1988 geboren in der osthessischen Bischofsstadt Fulda, neun Jahre katholisch-private Schulausbildung – so war der Weg zum Theologiestudium für sie vorbestimmt und beschlossen. Es ging dann für vier Jahre Studium in die nächste Bischofsstadt Paderborn - hat inzwischen ihr 1. Staatsexamen in der Tasche und ist seit Anfang November 2013 im Schuldienst des Landes Hessen. Ihre Tätigkeit als Kolumnistin bei osthessen-news.de möchte sie auch in Zukunft fortsetzen. Sie selbst bezeichnet sich als liberal-theologisch und kommentiert (seit 110 Wochen) in der Serie "NACHGEDACHT" Dinge des Alltags aus ihrer persönlichen Sicht. +++