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Thomas Schneider im Gespräch mit den Autoren... - Fotos: Dietmar Kelkel

SCHLÜCHTERN Blick in die Welt der Fremden

Autorenlesung bei der Europa Union mit Parallelen zur Flüchtlingskrise

19.01.16 - Als Conny Froboess 1962 sang: „Eine Reise in den Süden ist für andere schick und fein, doch zwei kleine Italiener möchten gern zu Hause sein“, traf der Schlager den Zeitgeist und griff erstmals die Thematik der Gastarbeiter auf. Ein halbes Jahrhundert später widmen sich die Autoren Delio Miorandi und Claus Langkammer in ihrem Fortsetzungsroman „Antonio – Im Land der Verheißung“ den Lebensumständen der ungeliebten italienischen Gastarbeiter in Deutschland. Für 350 Mark in einem heruntergekommenen Bus auf einem Schrottplatz zu leben und aufzupassen, dass nichts gestohlen wird, war für viele Einwanderer eine Verheißung.

Zeitzeuge Delio Miorandi, der 1958 als Jahrgangsbester der Universität Bologna ein Jahresstipendium für die Universität Frankfurt erhielt und bei Theodor Adorno studierte, hatte seine Gespräche mit damaligen Wirtschaftsmigranten in den Holzbaracken am Flughafen und seine eigenen Erfahrungen in einem Tagebuch festgehalten. Noch vor Beendigung seines Soziologiestudiums betreute er bei Opel in Rüsselsheim die italienischen Gastarbeiter. Für seine ehrenamtliche Integrationsarbeit erhielt er das Bundesverdienstkreuz. Journalist Langkammer hat die Begebenheiten dieser Zeit zu einem Blick in die Welt der Fremden verwoben. Das Ergebnis ist ein ergreifender Roman über Menschen in Not.

Beim Monatstreffen der Europa-Union im Stadthotel Schlüchtern stellten die beiden Autoren das Werk vor. Vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingskrise eine Zeitreise mit wenigen Gewinnern und vielen Verlierern, mit Menschen wie Sozialarbeiter Antonio Belmonte, der sich in die bundesrepublikanische Gesellschaft integrieren konnte, und illegalen Einwanderern wie Mauro, der dem Frondienst sizilianischer Großgrundbesitzer entkommen wollte, um seiner Frau und den Kindern ein besseres Leben zu bescheren.

Delio Miorandi und Claus Langhamamer stellen ihrern Fortsetzungsroman Antonio vor... ...

„Die Kälte“ lautete die Überschrift des Kapitels, das Langkammer vortrug. Menschliche Kälte, Ausbeutung und Überlebensängste eines Illegalen. 300 Mark hat Mauro für den Schlepper bezahlt, der ihn von der Schweiz nach Deutschland bringen soll. Eingepfercht in ein muffiges Erdloch haust er dort mit sieben Leidensgenossen. „Einen Illegalen trifft es mit aller Härte. Wird er erwischt, wartet die Abschiebung. Welche Furcht, welche Qualen. Wie kommt ein Mensch damit zurecht, wenn er nicht weiß, was der Morgen bringt?“, hinterfragte Claus Langkammer.  Zunächst Hilfsarbeiter im Straßenbau und in den Weinbergen gingen viele später zu Opel wie der Protagonist Antonio. Der Tagelöhner „ging über den Regenbogen“, war offen und motiviert. „Aus einem Fiat Topolino ist ein Jaguar geworden“, beschrieb Delio Miorandi seinen Romanhelden. „Dieses Mäuschen konnte nicht lesen und schreiben. Aber er hatte Vertrauen zu Menschen, war ein strahlender Typ. So ging er seinen Weg, war nach einem Dutzend Jahren Betriebsrat. Antonio war ein Mensch, der andere bereichert hat.“

Interessierte Zuhörer...

Im Gespräch mit Osthessen-News berichtete Miorandi, dass er viele seiner Landsleute in den primitivsten Baracken besucht habe. „An manchen Wänden stand noch Handschriftliches von Zwangsarbeitern der Nazi-Diktatur. Die Wörter habe ich nicht verstanden. Aber dieses Eingepferchtsein an Orten mit grausiger Vergangenheit und die Tatsache, dass man sie zu niedrigsten Arbeiten herangezogen hatte, sagte mir genug. Ich erkannte, dass es notwendig ist, meine Eindrücke aufzuschreiben.“

Der Fortsetzungsroman Antonio solle aufrütteln, sei aber auch eine Verbeugung vor den Menschen, die aus Not ihre Heimat verließen und in Deutschland zum Wirtschaftswunder beitrugen. In die Romanfigur Antonio hat der 77-Jährige auch seine eigene Geschichte integriert. „Antonio war bereit zu lernen, Regeln, Normen und Werte anzunehmen.“

Thomas Schneider, Vorsitzender der Europa Union Schlüchtern-Gelnhausen, teilte den rund zwei Dutzend Zuhörern mit, dass verschiedene hessische Landkreise dieses Buch bei Einbürgerungsfeiern als Präsent überreichen wollen. Dieses Buch sei Zeitgeschichte, würdige die Menschen und ihre Lebensleistungen und helfe, die Gegenwart zu erklären.  +++


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