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- Fotos: Miriam Rommel

TANN/RHÖN Unzumutbare Zustände?

"Es riecht nach Kuhfladen" - Flüchtlingsrat erhebt falsche Rassismusvorwürfe

22.07.17 - Störender Geruch von Kuhfladen, mangelnde Mobilität, Langeweile und insgesamt unzumutbare Verhältnisse für Flüchtlinge in Tann: der von der Uno-Flüchtlingshilfe geförderte hessische Flüchtlingsrat möchte auf schlimmste Zustände in Flüchtlingsunterkünften hinweisen. Man wolle denen eine Stimme geben, „die andere Sorgen und Nöte haben als Einheimische“, erklärt uns ein Mitarbeiter des Projektes „Lagertour“. Aus diesem Grund habe die Organisation unter anderem auch eine Flüchtlingsunterkunft in Tann/Rhön besucht und die dortigen Lebensumstände anschließend äußerst kritisch bewertet. Dass sie mit dem entstandenen Bericht, „Einsamkeit in der Idylle“ erheblichen Schaden anrichten, war den Verantwortlichen aber offenbar nicht klar.

Elisabeth W. ist schockiert. Die rüstige Rentnerin engagiert sich seit knapp zwei Jahren ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe in Tann. Ein- bis zweimal in der Woche, je nachdem wie es ihre Zeit zulässt, besucht sie die neuen Bewohner der Rhönstadt. Aus eigenen Mitteln hat sie ein paar einfache Deutschbücher gekauft und setzt viel Ehrgeiz und Liebe in den Versuch, den Flüchtlingen die deutsche Sprache näherzubringen. Regelmäßig bietet sich Elisabeth außerdem als Fahrdienst an und begleitet Asylsuchende bei Arzt- oder Behördengängen. Damit könnte nun Schluss sein.

Ein wundervoller Ausblick

 Denn in dem kürzlich veröffentlichten Artikel hessischen Flüchtlings-rats mit dem Titel „Isolation in der Idylle“ wird wahrheitswidrig be-hauptet, dass es in Tann überhaupt keine ehrenamtlichen Unterstützer gebe. Schlimmer sei aber noch, dass dort rassistische Anfeindungen im Alltagsleben an der Tagesordnung seien. Asylsuchende würden mit Flaschen beworfen und beschimpft werden. Außerdem passiere es häufig, dass Auto- oder Motorradfahrer versuchten, die Flüchtlinge anzufahren. Generell seien die Tanner den Neuankömmlingen gegenüber unfreundlich, heißt es in dem Bericht. Als Beweis für diese unglaublichen Aussagen dient der Projektgruppe ein eigener kurzer Aufenthalt in der Unterkunft sowie Aussagen von Asylsuchenden.

Die Strecke in die Innenstadt

 „Ein Schlag ins Gesicht“
Mit diesen Vorwürfen konfrontiert, bricht die ehrenamtliche Helferin Elisabeth W. in Tränen aus. Sichtlich schockiert über die haltlosen Anschuldigungen stellt die Seniorin ihre weitere Tätigkeit für die Flüchtlinge in Frage. In Tann, das bestätigt auch Bürgermeister Mario Dänner, gibt es nachweislich zahlreiche Menschen, die wie Elisabeth ihre freie Zeit ehrenamtlich nutzen, um die Asylsuchenden zu unterstützen. „Der Artikel der Projektgruppe dürfte für diese Leute ein echter Schlag ins Gesicht sein“, erklärt Dänner. Die meisten Tanner Bürger stünden dem Flüchtlingszuzug offen gegenüber. "Dass sie nun unter Generealverdacht gestellt werden, allesamt rassistisch zu sein, ist eine bodenlose Frechheit", sagt der Bürgermeister.

„Kein Flüchtling muss Nebenkosten oder Putzmittel bezahlen“

Auch Jürgen Stelzer vom Landkreis Fulda widerlegt Vorwürfe des Artikels, der von einer Frankfurter Psychologin verfasst wurde. Im Text wird die Aussage mehrerer Flüchtlinge aufgegriffen, die sich darüber beschweren, monatlich rund 50 Euro an Stromkosten sowie für Putzmittel in der Unterkunft bezahlen zu müssen. „Das ist schlicht und einfach gelogen“, erklärt Stelzer. „Der Betreiber kommt für die Strom- sowie für sämtliche Nebenkosten auf.“ In den meisten Flüchtlingsunterkünften im Landkreis, so sagt er, sorgten angestellte Putzkräfte für Ordnung und die Putzmittel werden vom Betreiber kostenlos gestellt.

Das nächste größere Wohngebiet liegt rund 400 Meter von der Unterkunft entfernt ...

Der Bus fährt täglich und nach Bedarf

Die Bushaltestelle ist direkt vor der Tür


„Es ist eine Flüchtlingsunterkunft, kein Hotel“

Die Verfasserin behauptet in dem im Internet verbreiteten Artikel weiter, dass Besucher der Asylbewerber 40 Euro Besucherpauschale entrichten müssten, sollten sie in der Unterkunft übernachten wollen. „Auch das ist nicht richtig“, erklärt Stelzer. „Die beiden Häuser sind nach wie vor eine Flüchtlingsunterkunft. Hier dürfen, schon aus versicherungstechnischen Gründen, überhaupt keine Besucher übernachten.“ Dass sich der Betreiber an die gesetzlichen Vorgaben hält, davon ist Stelzer überzeugt.

Viele Bewohner halten sich Haustiere


Weiter steht im Bericht des Flüchtlingsrates, dass die Männer in der Unterkunft nun den Führerschein erwerben und ein Gemeinschaftsauto anschaffen möchten, da sie aufgrund fehlender Busverbindungen weder Deutsch- noch Integrationskurse besuchen könnten. Die Strecke bis zur Bushaltestelle sei außerdem nicht hinnehmbar weit entfernt, erklärt uns auf Anfrage ein Mitarbeiter in Frankfurt. Auch diese Behauptung ist falsch. Fakt ist nämlich, dass bereits vor rund zwei Jahren eine Bushaltestelle direkt vor der Unterkunft errichtet wurde. Die Betreiber der Flüchtlingsunterkunft haben außerdem, um den Bewohnern mehr Unabhängigkeit von den Fahrzeiten zu bieten, einen Kleinbus angeschafft. Mit diesem können sich die Asylsuchenden täglich und nach Bedarf fahren lassen.

Ihr Geruch stört...

 „Es riecht im Sommer nach Kuhfladen"
Über die Sauberkeit in der Unterkunft beklagen sich die dort wohnenden jungen Männer nicht. Viel mehr ist es der Geruch von Kuhfladen auf einer nahegelegenen Weide, den die Flüchtlinge nicht weiter hinnehmen wollen. Der Flüchtlingsrat berichtet, die Bewohner seien sich aus den genannten Gründen sicher, dass die Unterkunft nicht zur Unterbringung von Geflüchteten geeignet wäre. „Um das Los anderen Asylsuchenden zu ersparen“, heißt es im Text der Projektgruppe, und um weiteren Zuzug zu verhindern, würden sich die Bewohner nun weigern, Neuankömmlinge in den vorhandenen Zimmern aufzunehmen.

Die beiden Wohnhäuser, in denen derzeit Flüchtlinge untergebracht sind, wurden in den 60er Jahren gebaut. Erst lebten dort Zollbeamte samt Familien, später wurde das gesamte Anwesen mehrfach renoviert und als Appartements an ortsansässige Bewohner und an Dauerurlaubsgäste als Zweitwohnung vermietet. Das weitläufige Grundstück ist umzäunt, Kinder haben hier unzählige Möglichkeiten zum Toben und Spielen. Für die Erwachsenen gibt es eine Sitzecke unter altem Baumbestand. Viele der Flüchtlinge halten sich Haustiere, Blumen blühen in großen Töpfen vor den Fenstern.

 Als wir den hessischen Flüchtlingsrat jetzt mit der Realität und der Tatsache konfrontieren, dass der Bericht „Isolation in der Idylle“ offenbar lediglich das subjektive Empfinden Einzelner widerspiegelt und in keinem Punkt zutrifft, gibt sich die Projektgruppe überrascht. „Das wird alles so stimmen, wenn es da steht“, wird uns gesagt. Man sei ja immerhin ein paar Stunden vor Ort gewesen, hätte beispielsweise in dieser Zeit keine ehrenamtlichen Helfer gesehen, also sei man davon ausgegangen, dass es diese dort auch nicht gebe. Der Mitarbeiter fordert dann von uns, wir sollten in unserem Artikel doch erwähnen, dass sich die Freiwilligen mehr um die Flüchtlinge bemühen sollten, weil deren Engagement nicht ausreichend sei. Wir konfrontieren ihn dagegen mit dem Vorwurf, dass in der Bewertung des Flüchtlingsrates eine gesamte Bevölkerungsgruppe, nämlich die Tanner, unter Generalverdacht gestellt würde, rechtsradikal zu sein. „Dies wurde uns so mitgeteilt, also ist es so", lautet die Antwort.

Enormer Schaden

Der Flüchtlingsrat möchte mit dem Projekt „Lagertour“ laut Aussagen auf der eigenen Homepage darauf hinweisen, unter welchen Umständen  Asylbewerber in Hessen leben müssten. „Thematisch fokussieren wir uns vor allem auf Lagerzwang und Massenunterbringung“, heißt es hier. Außerdem wolle man die Verbindung zwischen Betroffenen und Unterstützern stärken. Diese Absicht ist aber definitiv gründlich misslungen. Stattdessen schadet dieser völlig falsche Rundumschlag sowohl den Flüchtlingen als auch den Helfern - und auch dem Ruf des Flüchtlingsrates. Die Ehrenamtlichen in Tann, die Menschen, denen Rassismus vorgeworfen wird, der Bürgermeister sowie der Landkreis, der für die Unterbringung zuständig ist, sind mit Recht verärgert. Rechtliche Schritte einzuleiten, so wird uns von einer Stelle mitgeteilt, „behalten wir uns definitiv vor.“ (mr) +++


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