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81 Jahre nach Reichspogromnacht wird jüdischen Opfern gedacht
08.11.19 - Düster ist die Stimmung, als Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld am Donnerstagabend einen Gedenk-Kranz vor der Tür der Alten Synagoge Am Stockhaus niederlegt. Das mag am November-Wetter liegen. Die Sonne hat sich den ganzen Tag nicht blicken lassen und in den Abendstunden hat es auch noch begonnen zu regnen. Aber der wahre Grund für die bedrückende Stimmung am Donnerstagabend ist ein anderer: Die zahlreich erschienenen Menschen gedenken den Opfern von Antisemitismus.
81 Jahre mögen wie eine sehr lange Zeit erscheinen. Dementsprechend erscheint es lange her, dass die Nazis mehr als tausend Synagogen und Betstuben in Deutschland und Österreich angezündet, Juden misshandelt, ausgeraubt und getötet haben. Auch in Fulda. Aber hier ist die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 am Donnerstagabend plötzlich ganz nah, als vor der Alten Synagoge Am Stockhaus den Opfern der Untaten von damals gedacht wird.
Zu gedenken ist wichtig, so lautet die einstimmige Meinung. Denn ohne Erinnerungskultur kann sich Geschichte leicht wiederholen. Dafür, dass die Untaten von damals nicht in Vergessenheit geraten und die Menschen immer wieder daran erinnert werden, was passiert, wenn Hass die Oberhand übernimmt, sorgt zum Beispiel Ethan Bensinger. Er lebt in den USA, doch in Fulda ist er stark verwurzelt. Teile seiner Familie lebten hier lange Zeit – und fielen den Nazis zum Opfer.
Seine Worte rührten die zahlreich erschienenen Fuldaer bei der Gedenkfeier zutiefst. So auch Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld, der die besonders hohe Bedeutung der Gedenkfeier in diesem Jahr bekräftigte. Denn, wenn in diesem Jahr das 1275. Stadtjubiläum gefeiert wird und die Menschen die zahlreichen Festivitäten auskosten, sei es doch wichtig, auch an die dunklen Kapitel der Fuldaer Geschichte zu erinnern.
Und die gab es in den fast tausend Jahren, die die jüdische Gemeinde zur Barockstadt gehört: Etwa als die Juden für die Pestseuche verantwortlich gemacht und umgebracht wurden. Oder als ihnen die Straße Am Stockhaus als Wohnort zugewiesen und von beiden Seiten abgeriegelt wurde. Aber die Gedenkfeier im Jahr 2019 sei auch besonders bedeutsam, weil erst vor wenigen Wochen ein schlimmer Angriff auf die Synagoge in Halle verübt wurde. „Ich hätte mir im vergangenen Jahr nicht vorstellen können, wie dramatisch das Gedenken in diesem Jahr angesichts der Tat sein würde“, so Wingenfeld.
Dass am Donnerstagabend so viele Menschen vor der Alten Synagoge erschienen sind, um den Opfern von heute und damals zu gedenken und ihre Solidarität zu zeigen, macht deutlich, dass dem Hass und dem Antisemitismus kein Platz eingeräumt werden soll – auch wenn er da ist, laut Wolfgang Hengstler von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit sogar in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Umso wichtiger, dass all jene, die den Hass nicht tolerieren wollen, zusammenhalten und eine Stimme finden, heißt es am Donnerstagabend.
„Ich wünschte, die jungen Menschen würden einen Friday for Future gegen Antisemitismus und Fremdenhass veranstalten“, so Hengstler. Einen Anfang machten die Schüler der 13. Klasse der Winfriedschule, die sich eine Menge Gedanken um den Hass und das Gedenken gemacht haben und diese am Donnerstag bei der Gedenkfeier vortragen: „Wir haben die Verpflichtung, die Rückkehr von Hass zu verhindern und dürfen nicht vergessen, was geschah. Wir sind alle Menschen und eine Gemeinschaft.“
Diese Worte versinnbildlichen dann auch die Geistlichen, die ihre Gebete sprechen: Bischof Dr. Michael Gerber, Bengt Seeberg, Dekan der evangelischen Gemeinde, Ijaz Janjua, Iman der Ahmadiyya Gemeinde, und Rabbiner Michael Edvabny. (Suria Reiche) +++