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Macht die Reaktivierung der Bahnstrecke Bad Hersfeld - Alsfeld Sinn?
01.08.22 - Die Verkehrswende wird derzeit in vielen Regionen diskutiert. Wie kann der öffentliche Nahverkehr verbessert werden? Vor einigen Jahrzehnten wurden unrentable Bahnstrecken stillgelegt, vielerorts abgebaut und bestenfalls Radwege auf den ehemaligen Gleisen angelegt.
Mittlerweile sollen einige Bahnstrecken reaktiviert werden. Der Kreistag im Landkreis Hersfeld-Rotenburg hat vor wenigen Tagen einstimmig für einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen nach einer Runde im Ausschuss votiert. Die Reaktivierung der Bahnstrecke von Bad Hersfeld über Niederaula und Breitenbach am Herzberg nach Alsfeld soll vom hessischen Verkehrsministerium und den betreffenden Verkehrsverbünden Nordhessischer Verkehrsverbund (NVV) und Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) gutachterlich geprüft werden.
Allerdings ist die ehemalige Bahnstrecke lediglich nur noch teilweise vorhanden. "Der Abschnitt von Breitenbach am Herzberg über Niederaula nach Bad Hersfeld ist jedoch heute noch Bahnstrecke und wird zurzeit mehrmals im Monat für den Güterverkehr, meist für Holztransporte, genutzt. Die Strecke könnte die stark befahrene Bundesstraße 62 entlasten und einen wichtigen Beitrag zur Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Gleise und somit zur Einsparung von C0² leisten. Für Berufspendlerinnen und Berufspendler, Schülerinnen und Schüler, Fernreisende mit Umsteigebeziehungen in Bad Hersfeld und/oder Gießen sowie Freizeitfahrgäste käme die Nutzung einer solchen Schienenverbindung infrage", heißt es im Antragstext.
Früher gab es die Verbindung und wurde laut Aufzeichnungen aus dieser Zeit auch gut angenommen: Die damalige Gründchenbahn zwischen Niederaula und Alsfeld wurde zwischen den 1914 und 1916 in mehreren Abschnitten in Betrieb genommen. In Niederaula gab es Anschluss an die Knüllwaldbahn Bad Hersfeld-Treysa. Zwischen 1974 und 1994 wurde die Strecke nach und nach stillgelegt. Heute fahren zwischen Bad Hersfeld und Breitenbach am Herzberg Güterzüge der Holzlogistik und der Güterbahn GmbH (HLG) aus Bebra.
Nahverkehr mit Anbindung zum ICE-Bahnhof im Fokus
"Unser Ziel ist eine möglichst optimale Anbindung an den ICE-Bahnhof in Bad Hersfeld", sagt Bürgermeister Thomas Rohrbach. Der Rathauschef aus Niederaula plädiert ebenso für eine Prüfung der verschiedenen Möglichkeiten im öffentlichen Nahverkehr - und damit auch, ob eine Reaktivierung der Bahnstrecke sinnvoll ist, oder nicht.Sein Amtskollege Stefan Paule aus Alsfeld hat wenig Verständnis für den entsprechenden Antrag im Kreistag im Landkreis Hersfeld-Rotenburg. Der Grund: Zwischen Eifa und der Kreisgrenze gibt es nichts zu reaktivieren. Der Streckenabschnitt sei entwidmet und längst abgebaut. "Da stehen unter anderem Gartenhäuser", sagt Paule auf Anfrage von OSTHESSEN|NEWS. Der Streckenabschnitt müsste für eine Aktivierung komplett neu geplant werden. Das dauert Jahrzehnte und kostet viel Geld. Zwischen Alsfeld und dem Stadtteil Eifa sei eine Reaktivierung theoretisch möglich, sagte Paule. Aber auch das sieht der Bürgermeister kritisch, unter anderem wegen des Streckenverlaufes im Stadtteil Altenburg und der notwendigen Querung der Bundesstraße 62.
Eher machbar ist dagegen eine Reaktivierung der Bahnstrecke zwischen Bad Hersfeld und Breitenbach am Herzberg. Hier sind die Gleise vorhanden und werden von einem Holzzug genutzt. Eine Verknüpfung mit dem Logistikknoten Niederaula kann ein Ansatz sein, wenn denn die Branche dies tatsächlich will. Für den möglichen Personenverkehr fehlt hier ebenfalls die Infrastruktur für Bahnsteige und Parkplätze etwa für Pendler. Ein weiteres Thema sind die zahlreichen Bahnübergänge.
Expressbuslinie X 33 fährt entlang der ehemaligen Bahnstrecke
Paule ist Sprecher der kommunalen Arbeitsgemeinschaft Nahverkehr Vogelsbergbahn (AGNV). Im Mittelpunkt des Interesses steht dabei die Vogelsbergbahn von Fulda nach Gießen. Alsfeld ist aber auch ein Knotenpunkt dreier Espressbuslinien mit Direktverbindungen nach Marburg, Bad Hersfeld und Treysa. Dazu gehört seit Dezember 2019 die Buslinie X 33 von Alsfeld nach Bad Hersfeld - praktisch entlang der ehemaligen Bahnstrecke über Schwarz und Grebenau. Die Linien werden vom Busunternehmen Käberich (Niederaula) betrieben. Die Busse fahren von Montag bis Freitag von morgens bis abends im Stundentakt - und damit mit einer durchaus guten Taktung - und am Wochenende. Wochentags hält der Bus alle zwei Stunden in Schwarz.
Auf Nachfrage von OSTHESSEN|NEWS zur Auslastung der Expressbuslinien erklärte der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV): "Aufgrund der Corona-Sondersituation haben wir in diesem Zeitraum auf groß angelegte Zählungen verzichtet, da diese zur Nachfrageplanung ungeeignet und bereits jetzt überholt wären. Allgemein sind wir sehr zufrieden mit der Nachfrage der Expressbuslinien." (Hans-Hubertus Braune) +++