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Warum wehren sich Frauen zu selten oder spät gegen Übergriffe? - Symbolbild: pixabay

KOMMENTAR "Frauen ticken leider anders"

Das brave Geschlecht: Warum halten wir zu oft unseren Mund?

08.08.23 - Nicht jedes Gerichtsverfahren, über das ich berichte, beschäftigt mich gefühlsmäßig so heftig, wie das gegen den bis dahin unbescholtenen 27-jährigen Physiotherapeuten, der am Montag schuldig gesprochen wurde. Wie berichtet, sah es das Gericht als erwiesen an, dass der Angeklagte drei Frauen während der Massage im Intimbereich und der Brust berührt hat. Der Mann hatte bis zum Schluss vehement bestritten, die ihm vorgeworfenen Taten begangen zu haben. Seine Massagetechnik und das übliche Vorgehen hatte er dem Gericht sogar mit einer Handtuchattrappe demonstriert und machte bei seiner Aussage einen seriösen und glaubwürdigen Eindruck.

Die bohrenden Fragen des Verteidigers an die beiden ersten Opfer waren also berechtigt und im Sinne seines Mandanten. "Wenn er Sie doch im Intimbereich angefasst hat, warum haben Sie dann nicht sofort protestiert? Warum sind Sie denn nicht aufgestanden und gegangen?" Ja warum? Alle drei Opfer sind nicht etwa verschreckte Häschen, sondern gestandene Frauen mitten im Berufsleben. Sie konnten sich bei der zum Teil peinlichen Befragung vor Gericht exakt artikulieren, wirkten ruhig und besonnen. Keine Spur von "Belastungseifer", es gab weder hasserfüllte noch rachsüchtige Äußerungen über den Angeklagten. Eher ein nachträgliches Kopfschütteln über das eigene passive Verhalten. "Ich weiß selbst nicht, warum ich nicht entsprechend reagiert habe, ich war wie in Schockstarre!" Dieser Begriff sei so häufig gefallen, dass der Verteidiger darin sogar einen Beweis für eine Absprache sehen wollte.

Erst anschließend wurde es ihnen bewusst ...

Es ist erschreckend, was diese Frauen - und viele andere weibliche Opfer - übereinstimmend schildern: Sie waren sich ihrer eigenen Wahrnehmung nicht sicher, wussten nicht, wie sie sich verhalten sollten, wollten einfach "nur weg". Erst anschließend wurde ihnen bewusst, dass ihre Verstörung eine strafbare und nicht hinnehmbare Ursache gehabt hatte. Eine Anzeige bei der Polizei, deren Grund man objektiv nicht beweisen kann, ist sicher genauso unangenehm wie eine Aussage vor Gericht, wenn man sich den Fragen nach der eigenen unzulänglichen Reaktion stellen muss. Gut, dass sich alle drei Opfer dem ausgesetzt haben, weil sie nicht wollten, dass es einer anderen Frau genauso ergeht wie ihnen selbst.

Einen besonders schlechten Nachgeschmack hinterließ die "Männerphantasie" des Verteidigers, der glaubte, das Motiv für die Anzeige im vermeintlichen sexuellen Defizit einer lesbischen Frau, ihrer heimlichen Sehnsucht nach einem "richtigen Mann", gefunden zu haben. Mir ist nach diesem Prozess bestens nachvollziehbar geworden, warum Frauen sich lieber von Frauen massieren lassen wollen. (Carla Ihle-Becker) +++


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