Impulse von Stefan Buß: Ein kleiner Dank

04.10.23 - Es war einmal ein kleiner Dank, der sich ganz schrecklich langweilte. Er hatte unendlich viel Zeit und auch sonst alles, was man sich denken und wünschen konnte. Aber niemand brauchte ihn, und so kam er sich reichlich überflüssig vor. Einem kleinen Dank, den niemand braucht, ergeht es genauso wie einem Menschen, den niemand braucht. Er hat nicht nur großen Kummer, er verkümmert auch.

Der Stadtpfarrer bei O|N. Archivfoto: O|N/Hendrik Urbin

Was sollten die Leute auch mit einem kleinen Dank anfangen, sagte er sich, wo es doch so viele schöne und große Sachen im Leben gab. Manchmal aber, in stillen Stunden, träumte er davon, groß zu sein, erwachsen zu werden und wichtig und wesentlich zum Leben dazuzugehören. Dann malte er sich ein traumfarbenes Bild von der großen Dankbarkeit, die unter den Menschen herrschen sollte. Aber wenn er aus seinen Träumen erwachte, kam er sich nur noch kleiner vor und die Wirklichkeit war groß und langweilig wieder da.

So nahm er eines Tages seinen ganzen Mut zusammen und fragte seinen Schöpfer: "Warum bin ich so klein und warum lebe ich überhaupt, wenn sich doch niemand um mich kümmert?" Gott antwortet ihm: "Daß dich niemand braucht, heißt nicht, dass dich niemand nötig hat. Du lebst, weil ich die kleinen Leute liebe. Das Kleine bezwingt das Große. Das Allerzarteste verwandelt das Allerhärteste. Ein kleiner Dank ist viel wichtiger als eine große Forderung." Der kleiner Dank erwiderte: "Aber wäre es nicht schön und wichtig, wenn auch ich unter den Menschen groß wäre?" "Keiner kann allein aus eigener Kraft groß werden. Groß und erwachsen wird man nur in der Begegnung mit anderen. Und das ist ein schwerer Weg und eine lange Wanderschaft", sagte Gott.

Und so machte sich der kleine Dank auf den Weg. Am leichtesten würde er wohl bei einem kleinen Menschen ankommen, dachte er sich und sprach einen Schüler an. "Guten Tag, ich bin ein kleiner Dank und wollte mal fragen, ob du mich brauchen kannst, damit ich in deiner Welt groß und wichtig werde?" Der Schüler antwortet: "Einen kleinen Dank soll ich gebrauchen können? Wozu ? Meine Eltern haben keine Zeit für mich. Ich habe zwar einen Fernseher, ein Laptop und 2 Gameboys, aber mir ist immer langweilig. Soll ich vielleicht für die Hausaufgaben danken? Nein, kleiner Dank, ich brauche dich nicht!"

Traurig lief er weiter und traf einen Mann, der sein Auto wusch. Er stellte sich und fragte, ob er vielleicht Verwendung für ihn habe. Der Mann aber antwortete: "Jetzt schlägts aber 13! Ich habe mir alles selbst erarbeitet und strenge mich Tag für Tag an, um meine Familie zu ernähren. Wer bedankt sich denn bei mir? Sieh zu, dass du weiterkommst. Ich habe keinen Platz für dich." Noch bekümmerter als vorher schlenderte der Kleine mutlos weiter. Wenn Kinder und Erwachsene mich nicht gebrauchen können, dann kann ich vielleicht bei alten Menschen ankommen. Und so besuchte er eine alte Dame. "Guten Tag, ich bin ein kleiner Dank und wollte fragen, ob sie wohl Verwendung für mich haben?"

Die alte Dame sagte: "Ein Dank. Das war schön, früher, als die Menschen noch Zeit hatten dankbar zu sein für das Leben und ihre Mitmenschen. Aber heute! Wofür sollte ich dankbar sein? Ich bin einsam und enttäuscht von meinem Lebensabend. Meine Kinder haben mich fast vergessen. Ich bin alt und schwach. Ich habe Grund zur Traurigkeit – nicht zur Dankbarkeit." Enttäuscht lief der kleine Dank weiter. Traf noch einen Lehrer, einen Pfarrer, einen Umweltschützer und einen Politiker. Dann kam er auch zu mir. Was er mir erzählte, ging mir schon ans Herz, aber ich hatte einfach keine Zeit für ihn. Und doch konnte ich ihn nicht vergessen. Ich weiß leider nicht, wo er hingegangen ist. Wenn er zu Euch kommt, dann grüßt ihn von mir, nehmt euch etwas Zeit für ihn und helft ihm dabei groß zu werden. (Stefan Buß) +++