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Die Baustelle am Stadtschloss-Turm. - Fotos: O|N-Archiv

FULDA / GREBENHAIN Aus dem "Schwarzbuch"

Steuerzahler-Bund: Kritik an "Krone" auf Stadtschloss und an Aussichtsturm

18.10.23 - Der Bund der Steuerzahler (BdSt) hat am Dienstag sein Schwarzbuch "Die öffentliche Verschwendung 2023/24" veröffentlicht. Es handelt sich um die 51. Ausgabe der Publikation, in der alljährlich 100 exemplarische Fälle von Steuergeldverschwendung enthüllt werden. Mit dabei sind auch elf hessische Beispiele, darunter eines in Fulda und eines in Grebenhain.

"Das Schwarzbuch zeigt seit fünf Jahrzehnten anhand konkreter Beispiele auf, welche Fehler zu Verschwendung führen. Damit wollen wir dazu beitragen, ähnliche Fälle in Zukunft zu vermeiden. Dass uns das immer wieder gelingt, zeigt das Kapitel Erfolge", erklärt Joachim Papendick, Vorsitzender des BdSt Hessen.

So soll die "Krone" aussehen.

600.000 Euro für eine "Krone" auf dem Stadtschloss-Turm

Der Steuerzahlerbund kritisiert im Schwarzbuch, dass Fulda seinem Stadtschloss eine "überflüssige" Krone aufsetze. Eigentlich waren nur die Instandsetzung und barrierefreie Erschließung des vom Verfall bedrohten Schlossturms vorgesehen – doch Fördermittel machen nun eine umfassende historische Aufarbeitung möglich. Außerdem soll der Turm in Anlehnung an seine historische Überdachung eine Krone aus Edelstahl erhalten, was die "immensen Gesamtkosten" von 4,8 Millionen Euro noch einmal um 600.000 Euro steigere. Eine gesicherte Aussichtsplattform ohne Krone würde ihren Zweck auch erfüllen – für deutlich weniger Geld, so der Steuerzahlerbund.

Das sagt die Stadt dazu

Die Stadt Fulda sieht die Erhaltung der historischen Bausubstanz in der Stadt als eine wichtige Aufgabe an. Dazu gehöre auch die Anpassung an heutige Erfordernisse (bspw. Barrierefreiheit) sowie eine eingehende Beschäftigung mit der Baugeschichte und die Umsetzung damit einhergehender Erkenntnisse. Vor diesem Hintergrund widerspricht die Stadt laut Pressestelle der kritischen Einschätzung des Steuerzahlerbundes, die dieser zur Sanierung des historischen Schlossturms sowie der künstlerischen Umsetzung der Turmhaube abgegeben hat, "und der offensichtlich fehlerhafte Annahmen zugrunde liegen".

Auf den Treppen des Schlossturmes Foto: O|N - Archiv / Rene Kunze

Blick aus luftiger Höhe über Fulda. Foto: O|N - Archiv / Rene Kunze

Die Stadt Fulda baut nicht - wie vom Steuerzahlerbund fälschlicherweise behauptet -  weil es Fördermittel gibt, sondern weil es notwendig ist, den Schlossturm umfassend zu sanieren.  Der Schlossturm aus dem 13. Jahrhundert gehöre zu den ältesten Teilen des Fuldaer Stadtschlosses und weise erhebliche bautechnische Mängel auf, so dass eine grundhafte Sanierung notwendig war. Ziel der Sanierung war es auch, eine neue Erschließung im Turm zu ermöglichen, da der Turm nicht nur als touristischer Anziehungspunkt, sondern auch als Erschließungsanlage des kompletten Verwaltungsgebäudes fungiere, das aktuell nur teilweise barrierefrei zugänglich ist. Zukünftig würden alle Etagen des Schlosses einschließlich der Kaisersaalterrasse und des Schlossgartens sowie die Aussichtsplattform auf dem Turm barrierefrei zugänglich sein.

Im Zuge der umfangreichen Untersuchungen, Gutachten und Abstimmungen mit dem Landesamt für Denkmalpflege wurden zunächst die Geschichte und Genese des Turms sowie seine jeweiligen Bauzustände untersucht. Der erste Turm der mittelalterlichen Abtsburg verfügte über einen Treppengiebel und ein Satteldach. Auf den mittelalterlichen Turm wurde zu Beginn des 17. Jahrhunderts ein oktogonaler Renaissance-Turm mit neuem geschwungenem Holzdach aufgesetzt. Dieser Turm war durch die neue Höhe weithin sichtbar und blieb fester Bestandteil des Schlosses. Erst Ende des 18. Jahrhunderts ging das Dach verloren. Fast 500 Jahre lang also war die Stadtsilhouette Fuldas neben zahlreichen Kirchtürmen geprägt durch die Dominante des weltlichen Schlossturms.

Im Rahmen der Sanierung ergab sich die wahrscheinlich einmalige Gelegenheit, die ursprüngliche Proportion des Schlossturms wiederherzustellen und an die eigentliche Wirkung des Turms zu erinnern. Dies geschieht durch ein künstlerisches Objekt, das die Außenkonturen einer Renaissancehaube andeutet und das auf der Aussichtsplattform unter Erhalt der historischen Balustrade errichtet wird. Diese Maßnahme wurde als eigenes Projekt in den Haushalt der Stadt Fulda aufgenommen und nach eingehender Beratung von der Stadtverordnetenversammlung beschossen.

Kostenexplosion für Sendemast mit Aussicht

Ein solcher Multifunktionsturm ist auf der Herchenhainer Höhe geplant. ...Foto: Pixabay

Um einen möglichen anderen Turm geht es im Schwarzbuch-Kapitel "Verschwendung droht": In Grebenhain, auf der Herchenhainer Höhe im Vogelsbergkreis, ist ein Funksendemast geplant, um das bundesweite 450-Megahertz-Funknetz auszubauen. Im Laufe der Planungen wurde daraus – auch dank mehrerer Fördertöpfe – ein Multifunktionsturm mit Aussichtsplattform. Das würde das Projekt für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler fünf Mal so teuer machen: Statt 167.000 Euro für den Mast sollen nun rund 800.000 Euro anfallen. Für den Bund der Steuerzahler wirkt der Sendemast wie ein Vorwand dafür, dass hohe Summen für ein fragwürdiges Bauprojekt fließen sollen. "Schließlich hat man auch ohne den Aussichtssturm einen guten Ausblick Richtung Süden", steht im Schwarzbuch.

Das sagt Bürgermeister Stang

Grebenhains Bürgermeister Sebastian Stang hat O|N auf Anfrage eine Stellungnahme zukommen lassen. Danach wurde der Bund der Steuerzahler "umfassend von uns im Frühjahr 2023 über das Projekt, die Hintergründe sowie die vielfältigen Chancen, die das Projekt bietet, informiert." Es sei daher sehr bedauerlich, ein halbes Jahr später aus der Presse mit dem Vorwurf der Steuerverschwendung konfrontiert zu werden.

"Zunächst ist richtigzustellen, dass durch Eintrittserhebung und Vermietung als Sendeturm die Umsatzsteuer rückerstattet werden wird, sodass hier sachbezogen nur die Nettokosten von rund 672.000 Euro zu betrachten sind. Von diesen werden weitere 140.000. Euro als Baukostenzuschuss vom späteren Betreiber des 450 MHz Netzes übernommen. In Summe sind es voraussichtlich 532.000 Euro öffentlicher Gelder, die in das Projekt investiert werden sollen. Natürlich kann und sollte man über den Einsatz öffentlicher Gelder diskutieren und abwägen. Dies ist auch in diesem Falle in einem breiten öffentlichen Forum unterschiedlicher Interessensvertreter bei der Erstellung des Regionalen Entwicklungskonzeptes für die Region Vogelsberg, aber auch auf Ebene der Gemeinde geschehen".

Fotos: O|N - Archiv / Rene Kunze

Eine sehr gut besuchte Bürgerversammlung hatte es Ende März in Grebenhain gegeben. ...

Der Grebenhainer Bürgermeister Sebastian Stang bei der Bürgerversammlung. ...

Im Ergebnis wurde das Projekt als Leuchtturmprojekt im Regionalen – Entwicklungskonzept aufgenommen. Sowohl aus Sicht der Regionalentwicklung, als auch des Tourismus, bietet das Projekt in vielfacher Weise eine große Chance für die Entwicklung der Region. Der annähernd 300 Grad Blick wird dabei weit ins Hessenland und nicht nur in den Süden gehen. Damit werde der Turm ein neuer touristischer Anziehungspunkt, in der ansonsten ländlich geprägten Region, werden. Darüber hinaus seien weitere Nutzungsmöglichkeiten des Turmes in der Projektskizze beschrieben.   

Stang: "Richtig gestellt werden muss daher auch, dass der Sendeturm kein Vorwand, sondern Anlass dafür war, sich Gedanken zu machen, wie man mehr erreichen kann, als einen weiteren Gittermast mit nur einem Nutzungszweck in die schöne Vogelsberger Landschaft gestellt zu bekommen. Die Kritik des BdSt an den reinen Ausgaben greift daher aus unserer Sicht zu kurz und muss dann konsequenterweise auf Dorfgemeinschaftshäuser, Freibäder, … bis hin zur Parkbank im Stadtpark angewendet werden, was den vollständigen Rückzug des Staates auf reine Pflichtaufgaben bedeuten würde. Dieser Auffassung kann man folgen, muss aber nicht! Insbesondere dann nicht, wenn eine Vielzahl von Menschen sich Gedanken um die Entwicklung einer Region gemacht haben und sich für ein solches Projekt aussprechen. In Anlehnung an ein Zitat von Aristoteles wonach das Ganze dann doch mehr ist als die Summe seiner Teile". (bl) +++


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