Nach Aneurysma: Christin Benke erobert ihr eigenständiges Leben zurück
01.07.24 - Christin Benke war eine junge Frau von Mitte 30, als im Jahr 2016 von einem Tag zum anderen ihr Leben ein anderes war. Ein Aneurysma war im Hirn geplatzt – zum Glück fand man sie rechtzeitig, und sie wurde sogleich notoperiert. Sie überlebte, und doch musste sie unter ganz neuen Rahmenbedingungen ihr Leben neu beginnen.
Das fiel ihr anfangs sehr schwer: Zwar war sie geistig völlig wach, aber durch mehrere Schlaganfälle im Zuge der Hirn-Operation, mit welcher die Blutung gestoppt worden war, war sie nun links halbseitig gelähmt. Sie war auf Hilfe und Pflege angewiesen. An eigenständiges Wohnen war damals vor acht Jahren nicht mehr zu denken. "Ich war völlig hilflos", berichtet Christin Benke. "Zwar gingen die Reha-Maßnahmen schon bald los, um gegen die körperlichen Einschränkungen anzugehen, aber das kam für mich viel zu früh. Ich befand mich in einer absoluten Selbstfindungsphase: Was geht noch, was geht nicht mehr? Wie will ich jetzt weiterleben?"
Die Rettung kam durch Christins Schwester. "Die sagte zu mir: Also entweder kommst du da jetzt raus aus deinem Loch, in das du dich verkrochen hast, oder du bist wirklich verloren!"
Christin kroch also aus ihrem Loch und traf einige Entscheidungen. Ohne Hilfe ging zu dem Zeitpunkt noch nicht viel, also zog sie ins damalige Caritas-Pflegeheim in Hilders-Steinbach. Als so genanntes Taubblindenheim war diese Einrichtung spezialisiert auf Menschen mit Sinneseinschränkungen und mit großem Hilfebedarf. Das Zurückgezogen-sein in die Rhön half ihr, sich zu sammeln und auf sich zu konzentrieren. Kleine Fortschritte in Bezug auf die körperlichen Möglichkeiten machten ihr Mut.
Dass die Pflegeeinrichtung dann mitsamt ihren Bewohnerinnen und Bewohnern nach Fulda auf den Neuenberg – direkt neben die Caritas-Werkstatt in der St.-Vinzenz-Straße – umzog, war womöglich eine glückliche Fügung für Christin. Denn in dieser Nachbarschaft fiel ihr der nächste Schritt zurück ins eigenständige Leben schon leichter, und sie entschloss wieder zu arbeiten. Im Jahr 2019 machte sie ein Praktikum im Berufsbildungsbereich der Werkstatt. Ab 2020 war sie wieder dauerhaft in Arbeit: Wie alle anderen durchlief sie zunächst dann regulär die Phase im Berufsbildungsbereich, in dem geprüft wird, welches Arbeitsfeld aufgrund der Neigungen und Fähigkeiten eines jeweiligen Kandidaten am ehesten in Frage kommt. "Montage, Näherei, ich habe alles ausprobiert", sagt Christin, aber mir war schnell klar, dass ich gerne wieder in mein Berufsfeld zurückwollte!" In ihrem früheren Leben war Christin Benke Sekretärin gewesen.
Gab es eine Möglichkeit, entsprechende Aufgaben als Werkstattmitarbeiterin wahrzunehmen? "Wir freuen uns immer, wenn unsere Mitarbeitenden eine so klare Vorstellung davon haben, was sie gerne machen und erreichen wollen", betont Vanessa Hohmann, zuständige Fachkraft für berufliche Integration und Inklusion. "Wir bemühen uns dann, gemeinsam mit der Klientin oder dem Klienten diese Wünsche möglichst weitgehend umzusetzen". Im Falle von Christin schuf das Werkstattteam einen auf sie zugeschnittenen Arbeitsplatz im Bereich der Pforte, am Eingang der Werkstatt. Hier ist der Rollstuhl kein Problem, Christin kommt überall ebenerdig und bequem hin. Beweglichkeit ist auch erforderlich, denn im Eingangsbereich ist Christin nicht nur für die Begrüßung und Weiterleitung ankommender betriebsfremder Menschen zuständig. Sie macht auch Telefondienst und ist für die Post verantwortlich. "Und wenn es Leerlauf gibt, klappere ich die benachbarten Büros der Werkstattleitung und des Sozialen Dienstes ab und frage, ob sie was für mich haben – ich finde schon immer eine Aufgabe, die ich übernehmen kann", lacht sie.