Schweren Herzens: Friedhelm Bier (81) schließt sein Einrichtungshaus
13.11.24 - Es herrscht reger Betrieb an diesem Donnerstagnachmittag in der Breitenstraße 24 in Rotenburg an der Fulda. Im Erdgeschoss des Fachwerkhauses befindet sich das Einrichtungshaus Bier. Die Kunden kommen teils von weit her. Mittendrin sitzt Diplom-Ingenieur Friedhelm Bier in einem Sessel, plaudert mit einem Paar.
Wenig deutet darauf hin, dass hier bald Schluss ist. Leider. Wieder schließt ein inhabergeführtes Geschäft - ein herber Verlust für jede Innenstadt. Biers Ehefrau Susanne hatte das Einrichtungshaus lange Zeit mit Herzblut geführt. Im Frühjahr dieses Jahres verstarb sie, für Friedhelm Bier ein "so schmerzhafter Verlust". Alleine möchte er das Geschäft nicht weiterführen. Zu viele Emotionen, zu viele Erinnerungen hängen hier an jedem einzelnen Möbelstück, Teppich oder Leuchter.
Zeitlose Möbel direkt von den internationalen Messen
Das Einrichtungshaus Bier führt keine Ware von der Stange, keine Billig-Masse. Das Ehepaar Bier hat alle Ausstellungsstücke persönlich ausgesucht und eingekauft. Sie waren europaweit auf Messen beispielsweise in Paris, Mailand, Köln, Kopenhagen oder Stockholm unterwegs. "Uns war immer wichtig: Es muss wertig sein, es muss zeitlos sein und nachhaltig produziert sein", sagt Bier. Sie haben das ausgesucht, was sie auch persönlich angesprochen hat. Das kam und kommt bei den Kunden bestens an.
Die Qualität hat natürlich ihren Preis. "Hier wackelt kein Tischbein", sagt Bier. Dafür haben die Menschen über Jahrzehnte etwas von ihrem Sofa, Schrank oder Leuchter. Der direkte Kundenstamm kommt aus der Region zwischen Fulda und Kassel. "Wir haben uns oft an den großen Tisch vorne gesetzt, Kaffee getrunken, Kuchen besorgt, oder auch mal Wurst", sagt Bier und erzählt von der engen Kundenbindung. Doch Rotenburg habe sich verschlechtert, was vor allem mit dem Herz-Kreislauf-Zentrum (HKZ) zusammenhänge. "Das HKZ ist praktisch tot", sagt der Diplom-Ingenieur. Angehörige von Patienten waren oft in der Stadt unterwegs und schauten auch in das Einrichtungshaus. Diese Art von Angebot gibt es nur ganz selten. "Sie hatten ja Zeit", sagt Bier. Und so lieferten die Biers beispielsweise auch nach Köln, Hannover oder Hamburg.
Mit Eiche rustikal hat es angefangen
Ende dieses Jahres ist nach über 70 Jahren Schluss. Friedhelm Bier schließt das Haus. Er hatte den Betrieb nach seinem Studium von seinem Vater übernommen. Dieser war Schreinermeister. Damals war es ein reines Möbelgeschäft. Mit Eiche rustikal habe es angefangen. Im Laufe der Jahre wandelte sich das Geschäft in der zweiten Generation zu einem einzigartigen Einrichtungshaus. Friedhelm Bier hatte versucht, einen Nachfolger zu finden. Doch für dieses Konzept braucht es ein enormes Fachwissen. "Es gibt niemanden, der das machen will", sagt Bier.
Schweren Herzens verkauft er nun all die feinen Schränke, Sitzmöbel, Tische, Leuchten und Wohnaccessoires zum halben Preis - und damit unter dem Einkaufspreis. Er habe alle Kunden angeschrieben. Das Interesse ist groß. Er öffnet das Geschäft jeweils am Donnerstag und Freitag von 14 bis 18 Uhr. Bis Weihnachten möchte er den Laden einigermaßen leer haben und die Fläche vermieten. "Es gibt Interessenten, aber noch ist nichts sicher", sagt Bier. Ihm gehört das Haus mit der Ladenfläche und den fünf Wohnungen. Dazu gehört neben dem ebenerdigen Geschäft auch ein großer Parkplatz. Dies sei eine Rarität in der Stadt.
Sein Mobiltelefon klingelt, ein Kunde fragt, ob es noch Leuchter gibt. "Ja, ein paar", sagt Bier und "ja, morgen haben wir auch geöffnet." Friedhelm Bier ist mittendrin, seine Leidenschaft, seine Herzlichkeit sind spürbar. "Es hat viel Arbeit gemacht, aber auch sehr viel Spaß." Das ist auch an diesem Donnerstagnachmittag so spürbar. (Hans-Hubertus Braune) +++