Gefährliche Körperverletzung, versuchter Totschlag oder doch Freispruch?
21.12.24 - Gefährliche Körperverletzung, versuchter Totschlag oder doch Freispruch? Im Prozess um die gewalttätige Auseinandersetzung im Schlossgarten am 12. Juli letzten Jahres, wurden am Donnerstagvormittag die Plädoyers der Staatsanwaltschaft, des Nebenklägers und der drei Verteidiger verlesen. Anfangs wurden mehrere Beweisanträge zurückgewiesen. Einer der drei Angeklagten wurde zudem von seinem Anwalt mit einem Zollstock vermessen, um seine tatsächliche Größe zu belegen.
Oberstaatsanwältin Dr. Christine Seban eröffnete die rund dreistündige Sitzung im Landgericht und unterteilte bei einer ausführlichen Darstellung in ihrem Plädoyer den gesamten Tathergang in drei Teile: Flasche, Messerstiche und Treppe. Dabei ging sie auf verschiedene Aspekte ein. Dass der Geschädigte beispielsweise an Schizophrenie leidet, sei irrelevant. "Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, dass seine Krankheit Auswirkungen auf sein Verhalten oder auf Aussagen hatte. Den sachverständigen Ärzten sind keine Symptome aufgefallen und das, obwohl der Geschädigte sieben Tage lang im Klinikum bleiben musste." Die Verletzungen seien jedoch lediglich "abstrakt lebensgefährlich" gewesen.
Unglaubwürdige Zeugen und Aussagen
Fakt sei außerdem, dass Zeugen und Aussagen der Angeklagten teilweise nicht passen und unglaubwürdig sind. Einige Zeugen hätten auch versucht, die Angeklagten zu entlasten, da sie eindeutig parteiisch seien. Die Aussagen des Geschädigten, der Theaterzeugen und der Sachverständigen seien hingegen überzeugend und schlüssig. Was sich jedoch herausstellte sei, dass laut DNA-Untersuchung von zwei vorgefundenen Stangen lediglich nur eine benutzt wurde. Eine "klare Beweislage" sei zudem auch, wer das Messer mit einer Klingenlänge von 10 Zentimeter führten. "Nach Aussagen des Geschädigten, der Zeugen und des Bluts am T-Shirt des Angeklagten als Indiz, sowie der eigenen Aussage des Hauptangeklagten, er habe 'ein kleines Baustellenmesser im Schlossgarten verloren', ist klar, dass er es auch selbst benutzt haben muss." Es sei lediglich der Tötungsvorsatz fraglich, da die Stiche in den Oberkörper, wenn auch abstrakt, lebensgefährliche Verletzungen zur Folge gehabt hätten. "Dagegen spricht jedoch der unbedeutende Anlass und der unvollständige Versuch, da sie zuletzt von dem Opfer abgelassen haben." Die Mittäterschaft der beiden anderen Angeklagten sei jedoch eindeutig nachgewiesen.
Staatsanwaltschaft plädiert auf gemeinschaftlich ausgeübte Gefährliche Körperverletzung
Die Staatsanwaltschaft plädierte daher auf eine gemeinschaftlich begangene gefährliche Körperverletzung für alle drei Angeklagten. Der Hauptangeklagte (zur Tatzeit 19) solle nach Jugendstrafrecht zu einer Strafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt werden, mit drei Jahren Bewährung. Es solle jedoch ein Dauerarrest von vier Wochen und ein Schmerzensgeld von über 300 Euro verhängt werden. Für den jüngeren Nebenangeklagten (zur Tatzeit 17) wird eine Strafe von einem Jahr und drei Monaten gefordert, ebenfalls mit drei Jahren Bewährung, sowie zwei Wochen Dauerarrest und ein Schmerzensgeld von 300 Euro nach Jugendstrafrecht. Beim dritten Angeklagten (zur Tatzeit 22) wird hingegen nach Erwachsenenstrafrecht eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren ohne Bewährung gefordert.
"Kein Zweifel an einem versuchten Totschlag" Nebenklage-Vertreter und Anwalt des Geschädigten, Rudolf Karras, verglich die Ereignisse passend zu den "Theaterzeugen" mit einer "Tragödie als Theaterstück", das in mehrere Akte unterteilt werden könne. Er stimmte den Punkten der Staatsanwaltschaft in fast allen Punkten zu, betonte jedoch: "Da liegt am Ende ein Mensch am Boden, blutend, kampfunfähig und wird malträtiert. Mit einem waffenähnlichen Stahlinstrument, also der Stange, wird in seinen Oberkörper, keinesfalls Unterkörper, wie ein Speer eingestoßen. Für mich besteht daher kein Zweifel an einem versuchten Totschlag." Dass die Angeklagten vom Geschädigten abgelassen haben, sei zudem kein freiwilliger Rücktritt gewesen, da die Zeugen sie daran hinderten, weiterzumachen. Er plädiert dabei bei zwei der Angeklagten auf gefährliche Körperverletzung und beim dritten auf vorsätzliche Tötung. Ermittelt werden müsse nur, wer am Ende tatsächlich die Stange derartig eingesetzt hat.
"Der Geschädigte war der Angreifer" - Freispruch nach Notwehr?
Christian Celsen, Verteidiger des Hauptangeklagten, plädiert derweil auf Freispruch seines Mandanten. Die Spuckattacke sei lediglich ein Missverständnis gewesen, der durch die Schizophrenie des Geschädigten ausgelöst wurde. Ebenfalls war der Geschädigte bis zur Flucht alleiniger Angreifer und holte dann "seine Jungs" für die Prügelei dazu. Auch als das Messer zu Einsatz kam, soll der Geschädigte darauf aufmerksam gemacht worden sein, "dies sei ihm aber egal gewesen." Unklar sei zudem, was genau im Treppenbereich passiert sein soll. "Auch die Gruppengröße unterscheidet sich bei den Aussagen. Die Gewalt auf einen wehrlosen Menschen steht fest. Es konnte jedoch nicht nachgewiesen werden, ob mein Mandant anwesend war oder diese Handlungen ausgeführt hat." Auch die Zeugen des Geschädigten hätten verfälschte und lückenhafte Aussagen getroffen. Demnach habe sein Mandant bei dem Schlag mit der Flasche aus Notwehr und beim Einsatz des Messers aus Notwehr oder Nothilfe zugunsten eines anderen gehandelt - die vorgeworfenen Stangenschläge habe ebenfalls niemand gesehen.