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20.10.11 - Bad Neustadt

Pfarrer A. FRIEDRICH: Gegner des Nationalsozialismus in der Stadtpfarrkirche

Pfarrer Alois Friedrich, geboren am 13. August 1868 in Königshofen im Grabfeld, wirkte nicht nur vier Jahrzehnte als Dechantpfarrer der Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Bad Neustadt: Der geistig hochstehende Mann ging als scharfer Kämpfer gegen den Nationalsozialismus in die Annalen der Geschichtsbücher ein.

Auf dem Foto: Die Ausstellung zur Geschichte der Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt erinnerte auch an Dechantpfarrer und Geistlicher Rat Aloys Friedrich, einem mutigen Bekenner gegen den Nationalsozialismus. Foto: Partl

In der jüngsten Ausstellung zur Entstehungsgeschichte der Stadtpfarrkirche machten Stellwände auf das Schicksal des Dechantpfarrers (Dekan) Alois Friedrich aufmerksam. Wegen Abhörens ausländischer Sender wurde er inhaftiert. Er starb am 17. September in 1944 in Bad Neustadt, nur drei Wochen nach seiner Haftentlassung. Unter dem Vorwand von Luftschutzbestimmungen durfte sein Leichnam seinerzeit nicht in der Kirche aufgebaut werden, der er so lange Zeit vorstand. Friedrich erhielt die Priesterweihe am 1. August 1891, war danach Kaplan in Westheim, Elsenfeld, Dettelbach und Brückenau, ab 1897 wirkte er als Pfarrer von Nordheim am Main. Nach Bad Neustadt kam er 1904, schon ein Jahr später wurde er hier zum Dekan ernannt.

In der Ausstellung wurde daran erinnert, dass „die totale Gleichschaltung bei der Kirche ihre Schranken erfuhr“. Dechantpfarrer Friedrich bemühte sich in seinen Predigten um die klare Scheidung der Geister. Er zog deutliche Grenzen zwischen dem christlichen Glauben und der seiner Überzeugung nach „recht verworrenen Weltanschauung des Nationalsozialismus“. Auch nach außen soll er Zeichen gesetzt haben gegen den Zeitgeist. Bei der Fronleichnamsprozession 1933 brach er mit der alten Tradition, nach die beiden Bürgermeister zu beiden Seiten des Priesters unter dem Traghimmel einherschritten, um das Allerheiligste zu begleiten.

Pfarrer Friedrich wollte, dass die Begleitung künftig von der katholischen Kirchenverwaltung selbst übernommen werde, wenngleich er den Stadtrat sehr wohl zur Teilnahme an der Fronleichnamsprozession einlud. Dies jedoch fasste die NSDAP-Stadtratsfraktion als Provokation auf, sie blieb der Prozession daher geschlossen fern. Als Pfarrer Friedrich am Sonntag nach Fronleichnam in der Frühmesse das Verhalten der Nationalsozialisten missbilligte und erklärte, sie hätten damit dem Satan einen Dienst erwiesen, schrie ihm der im Mittelgang stehende Kreisleiter ein lautes „Pfui“ entgegen und verließ mit seiner Gattin das Gotteshaus. So vermerken es überlieferte Schriften.

Der Geistliche mißbilligt öffentlich die Nationalsozialisten

Pfarrer Friedrich musste in der Presse am 21. Juli 1933 einen Schmähartikel hinnehmen, in der dessen angebliche „verwerfliche Kanzelpolitik“ gegenüber der Regierung angeprangert wurde. Dem „auf Staatskosten amtierenden Geistlichen“ wurde weiter persönlicher Hass und „Aufwiegelung der Leute“ vorgeworfen. Am Abend des 26. Juni 1933 zogen örtliche NSDAP-Mitglieder und SA-Männer unter Führung von Kreisleiter Ingebrand vor das Pfarrhaus in Neustadt und erhoben laut Protest gegen ein von Pfarrer Friedrich herausgegebenes „Flugblatt“. Die „Kundgebung“ verlief ohne weitere Störung.

Über ein Jahr später, am 17. Oktober 1934 erhob Ingebrand erneut „Klagen“ im Stadtrat über den Geistlichen Rat Friedrich, der seit langer Zeit den Nationalsozialismus „in offener und versteckter Form“ bekämpfe. In der Sonntagspredigt vom 14. Oktober 1934 habe er ein Lied der Parteiorganistion (gemeint war das blutrünstige Lieder SS „Wetzt die langen Messer…“) scharf verurteilt, das Judentum in Schutz genommen und abfällige Äußerungen über Gliederungen der Partei gebraucht. Friedrich galt als einer der wenigen, die es noch wagten, kraft persönlicher Autorität und Integrität, öffentlich Kritik an den der NSDAP zu äußern. Je sicherer die Naziherrschaft wurde, desto weniger Rücksicht habe der inzwischen greise Geistliche in der Gemeinde erfahren.

Haft wegen "Hörens feindlicher Radiosendern"

Am 1. Oktober 1935 wurde er gesundheitlich angeschlagen pensioniert. Ein Jahr später wurde ihm nach seinem Eintreten für die jüdischen Mitbürger die Ehrenbürgerschaft aberkannt. 1944 wurde Friedrich wegen „Hörens von Feindsendern“ kurze Zeit inhaftiert. Der mutige Pfarrer starb drei Wochen nach seiner Haftentlassung am 17. September 1944 an deren Folgen. Ihm ärztlich verordnete Medikamente waren ihm in der Haft verweigert worden. Friedrich wurde auf dem Stadtfriedhof Bad Neustadt beigesetzt. Nach dem Ende des „Tausendjährigen Reiches“, als wieder demokratische Verhältnisse das kommunale Leben bestimmte, wiederruf der neue Stadtrat am 3. Oktober 1946 die Aberkennung der Ehrenbürgerwürde. Die Pfarrgemeinde Mariä Himmelfahrt hält das Gedenken an ihren mannhaften Bekennerpfarrer am Priestergrab auf dem Stadtfriedhof in Ehren, ohne Hass oder Richten gegen die früheren, doch als warnende Mahnung für kommende Geschlechter. (ger)+++

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