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REGION NACHGEDACHT (81)

Perfekt ist schwierig - Gedanken von Christina LEINWEBER

27.07.14 - Gestern habe ich eine neue, schöne Vase gekauft. Beim Auspacken zu Hause ist mir aufgefallen, dass sie einen kleinen Sprung oben am Rand hat. Den ersten Menschen, der mir begegnete, habe ich gefragt: "Ist das schlimm, sieht man das?" "Ja, da ärgerst du dich immer, wenn du drauf schaust." Okay, also Vase wieder eingepackt, in die Stadt gefahren, umgetauscht und mit einer neuen unterm Arm zufrieden nach Hause gefahren. Die Sache hat nur zwanzig Minuten gedauert, allerdings widme ich dennoch diesem Thema ein Nachgedacht: Denn was mir da passiert ist, war ein klassischer Fall von Streben nach Perfektionismus.

Warum habe ich die Vase mit dem kleinen Sprung nicht akzeptiert? Man hätte ihn aus der Entfernung nie gesehen, erst recht nicht, wenn Blumen drin sind. Vielleicht, weil ich mein verdientes Geld nicht für fehlerhafte Ware ausgeben möchte? Ein Grund, der möglich ist. Allerdings denke ich, dass so etwas nicht ausschlaggebend ist. Vielmehr ging es wohl darum, dass ich etwas Perfektes haben wollte und eben nicht etwas, das von Anfang an fehlerbehaftet ist. Die Vase sollte makellos sein, eben perfekt.

Als mir das bewusst wurde, dachte ich darüber nach, denn eigentlich finde ich Menschen, die immer alles perfekt haben wollen, grausam anstrengend. Wenn alles im Leben auf Perfektion abgezielt ist, will man auch die Menschen in seinem Leben fehlerfrei haben. Und da wird es fatal: Menschen sind nicht perfekt. Auch sie haben Makel, machen einmal Fehler. Und das ist doch auch vollkommen in Ordnung, oder? Warum darf dann meine Vase nicht einen Sprung haben?

Vielleicht ist ein gewisses Maß an Perfektionismus normal. Und auch wichtig: Wie könnten wir sonst an der Arbeit professionell sein, wenn wir dort nicht nach fehlerfreiem Handeln strebten? Wir sollten nur aufpassen, dass uns der Drang danach nicht auffrisst. Ohne Tadel zu sein, sind womöglich Momentaufnahmen unseres Lebens. Sie erfreuen uns. Auch schöne, perfekte Dinge tun es. Allerdings ist "perfekt" nicht immer die passende und wichtigste Zuschreibung für unser Leben. Denn es ist die größte Steigerung, die keine Veränderung und Entwicklung mehr zulassen würde. (Christina Leinweber) +++

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ZUR PERSON: Christina Leinweber, 1988 geboren in der osthessischen Bischofsstadt Fulda, neun Jahre katholisch-private Schulausbildung – so war der Weg zum Theologiestudium für sie vorbestimmt und beschlossen. Es ging dann für vier Jahre Studium in die nächste Bischofsstadt Paderborn - hat inzwischen ihr 1. Staatsexamen in der Tasche und ist seit Anfang November 2013 im Schuldienst des Landes Hessen. Ihre Tätigkeit als Kolumnistin bei osthessen-news.de möchte sie auch in Zukunft fortsetzen. Sie selbst bezeichnet sich als liberal-theologisch und kommentiert (seit 81 Wochen) in der Serie "NACHGEDACHT" Dinge des Alltags aus ihrer persönlichen Sicht. +++


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