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Warum genug nie genug ist - Gedanken von Christina LEINWEBER
01.03.15 - Das erste Stück Schokolade schmeckt doch bekanntlich am besten. Die nächsten Stücke führen zur Sättigung, die nächsten zu vielen Stücke zur Übersättigung. Betracht man diesen Vorgang als Wunschkurve, ist diese am Anfang ganz hoch, weil man unbedingt etwas – in diesem Fall Schokolade – haben möchte. Wenn wir die Schokolade dann essen, sinkt die Kurve irgendwann gen Null. Das Verlangen erlischt.
Dieses „Schokoladeessen“ kann sinnbildlich für alles stehen, was ein Mensch möchte: Zuerst ist das Verlangen enorm, das Streben danach hoch. Bei Erreichen des Zieles tritt ein Glücksgefühl ein, das nicht lange anhält, denn das Ziel ist ja bestiegen und damit existiert kein weiterer Reiz mehr. Vielmehr baut sich ganz rasch das Verlangen nach einem neuen Ziel auf.
Ist dieses immerwährende Streben eine Eigenschaft, die den Menschen ehrt? Oder ist sie ein Fluch, weil Glück nicht lange anhält? Streben und eben nicht Stillstand ist ein Prozess, der normal im Leben ist. Das Altern zwingt uns ständig zu Veränderungen. Ich denke, dass das Schwierige beim Streben ist, dass man ganz oft nicht mehr die bereits erklommenen Ziele betrachtet und den bisherigen Weg zu wenig würdigt.
Und das Fatale am Streben kommt eben auch oft zutage: wenn Ziele zu hoch gesteckt werden und das Ende in weiter Ferne liegt. Wünschenswert wäre aber dennoch, dass der Mensch, solange er lebt, immer neue Wege geht. Denn Stillstand ist ein Zustand und kein lebendiger Prozess. Und wenn der Weg mal falsch war, ist dies nach Goethes Zitat zu verkraften: „Es irrt der Mensch, solang er strebt.“ (Christina Leinweber) +++
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ZUR PERSON: Christina Leinweber, 1988 geboren in der osthessischen Bischofsstadt Fulda, neun Jahre katholisch-private Schulausbildung – so war der Weg zum Theologiestudium für sie vorbestimmt und beschlossen. Es ging dann für vier Jahre Studium in die nächste Bischofsstadt Paderborn - hat inzwischen ihr 1. Staatsexamen in der Tasche und ist seit Anfang November 2013 im Schuldienst des Landes Hessen. Ihre Tätigkeit als Kolumnistin bei osthessen-news.de möchte sie auch in Zukunft fortsetzen. Sie selbst bezeichnet sich als liberal-theologisch und kommentiert (seit 112 Wochen) in der Serie "NACHGEDACHT" Dinge des Alltags aus ihrer persönlichen Sicht. +++