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In der Sammlung von Schloss Fasanerie gibt es interessante Exponate zu entdecken. - Collage: O|N

EICHENZELL Was verbirgt sich auf Schloss Fasanerie? (3)

Frühere Trinkkulturen: Ein Schluck Schnaps aus der Bibel gefällig?

05.10.20 - In den osthessischen Museen verbergen sich unzählige Schätze aus verschiedenen Epochen. Manche sind in den Ausstellungen präsent, andere sind in den Depots verstaut. Doch welche Exponate stechen durch ihre Eigenheit und Hintergrundgeschichte heraus? Die nächste Station führt O|N auf Schloss Fasanerie nach Eichenzell (Landkreis Fulda). Was hat es mit einem Miniatur-Revolver, einer Schnapsbibel und einem Spucknapf auf sich? 

Waffe im Miniaturformat 

Andreas Dobler ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter.

Hessens schönstes Barockschloss beeindruckt in vielerlei Hinsicht: Durch seine Geschichte, Architektur und seinen prachtvollen Garten. Ein echtes Kunstkammerstück zückt der Wissenschaftliche Mitarbeiter Andreas Dobler im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS hervor: Eine theoretisch voll funktionsfähige Steinschlosspistole im Miniaturformat aus der Zeit um 1600. "Das Objekt zeichnet sich durch seine Größe, Technik und meisterliche Handwerkskunst aus", so Dobler. "Dieses Exponat befindet sich bei uns wohlbehütet in einer Vitrine und entspricht technisch einer richtigen Waffe - ausprobiert haben wir es jedoch nicht", fügt der Kurator scherzhaft hinzu. 

Die Miniaturpistole. Fotos (3): Schloss Fasanerie

Foto: Maria Franco

Das Kunstkammerstück gehörte Kaiserin Friedrich.

Die Miniaturwaffe sei in ihrer Art etwas sehr Seltenes. "Es wird angenommen, dass Michel Mann aus Augsburg diese Mini-Pistole anfertigte." Dieser sei vor allem durch die Herstellung von kleinen Metallkästchen bekannt. "Solche Exemplare befinden sich heute in bedeutenden Sammlungen wie im Grünen Gewölbe in Dresden oder im Bayerischen Nationalmuseum - und sind in der Tat eine Besonderheit." 

"Es wird angenommen, dass Michel Mann aus Augsburg diese Mini-Pistole anfertigte." ...

Das Exponat auf Schloss Fasanerie gehörte Kaiserin Friedrich. Sie lebte von 1840 bis 1901. "Sie war eine der größten Kunstsammlerinnen ihrer Zeit und nahm die Pistole im 19. Jahrhundert in ihre Sammlung auf", sagt Dobler. Über den eigentlichen Zweck kursieren nach wie vor verschiedene Theorien. "Es ist nicht zu 100 Prozent geklärt, ob sie eine Funktion erfüllen sollten und wenn ja welche. Einige gehen davon aus, dass diese Pistolen als Anerkennung an verdiente Militärs verliehen wurde." Die wahrscheinlichere These sei, dass sie bewusst als Kuriosität hergestellt wurde, um dann in einem Kunst- und Wunderkammer ausgestellt zu werden. 

Bibel aus Ton: Wärmflasche oder Schnapsbibel?

Wärmflasche oder Schnapsbehältnis? Fotos (3): Schloss Fasanerie

Das Wappen schließt auf einen adligen Besitzer.

Aus dem späten 16. Jahrhundert sticht eine weitere Kuriosität hervor, ebenfalls aus der Sammlung von Kaiserin Friedrich. Eine Bibel, gefertigt aus weißem Ton, die in Siegburg hergestellt wurde: "Entweder nutzte man den Gegenstand als Wärmflasche oder als Schnapsgefäß. Sie ist jedenfalls für beide Zwecke geeignet." Wer der ursprüngliche Besitzer war, ist nicht bekannt. "Auf der Vorderseite ist ein Wappen zu sehen, das auf einen adligen Besitzer schließen lässt. Es muss also ein spezieller Auftrag gewesen sein, obwohl keine zusätzlichen Initialen auszumachen sind."

Die "Bibel" passt auch ins Bücherregal.

Die erste Verwendungsmöglichkeit als Handwärmer ist relativ simpel: "Man füllte heißes Wasser in die Öffnung, verschloss diese mit einem Stopfen - und schon konnten die Hände gewärmt werden." Die interessantere Variante ist die mit dem Schnaps einfüllen. "Früher gab es eine ausgeprägtere Trinkkultur, für die man sich die lustigsten Scherzgefäße ausdachte. Es existierten dafür sogar Zimmerbrunnen." Der Schnaps konnte direkt in die Bibel eingefüllt, heimlich zwischen den Büchern im Regal versteckt und bei Bedarf getrunken werden. "Das Ganze ist natürlich mit einem Augenzwinkern zu verstehen", erklärt Dobler zu dem Objekt abschließend.

Edler Spucknapf im Philippsruher Zimmer

Der Spucknapf aus fürstlichem Haushalt. Fotos (3): Schloss Fasanerie

Das Exponat stellt eine Edelvariante dar.

Der vergoldete Holzspucknapf gehört eindeutig nicht in eine Wohnungseinrichtung des 21. Jahrhunderts. "Er war ein spezielles Accessoire der fürstlichen Wohnkultur des 19. Jahrhunderts." Zu der Zeit gab es Spucknäpfe in den verschiedensten Ausführungen - hauptsächlich in öffentlichen Gebäuden. "Hier, im Philippsruher Zimmer, haben wir es jedoch mit einer Edelvariante aus fürstlichem Haushalt zu tun. Inwieweit dieses Exemplar wirklich Verwendung fand, können wir nicht mehr nachvollziehen." Damals habe jedoch ein erhöhter "Spuckbedarf" geherrscht, vor allem aufgrund des ausgeprägten Genusses von Kautabak.

Das Philippsruher Zimmer.

Im Jahr 1842 entstand dieser Spucknapf in Russland. "Die Mechanik funktioniert leider nicht mehr reibungslos. Wird die Klappe jedoch - normalerweise über das Stielende - geöffnet, liegt ein Metallnapf frei, der nach Verwendung herausgenommen und gereinigt werden kann", führt Dobler weiter aus. Gedacht war er für eine Zimmerausstattung, die Landgraf Friedrich Wilhelm und Großfürstin Alexandra im Jahr 1842 als Mitgift vom Brautvater Zar Nikolaus I. erhielten.

"Alexandra brachte von ihrem Vater ganze Zimmereinrichtungen mit Tischwäsche, Porzellan- und Silberservicen mit in die Ehe - darunter diesen besonderen Einrichtungsgegenstand. Leider starb sie jedoch schon bald nach der Hochzeit an Tuberkulose." Ihre Nachfolgerin, Landgräfin Anna, übernahm schließlich mit der Mitgift auch den Spucknapf mit mechanischem Deckelöffner. (Maria Franco) +++

 

 

 

 

 

 


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