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Neubaustrecke Fulda - Gerstungen: Pro Bahn will Verbesserung der Infrastruktur
28.06.23 - Mit dem Bau der Schnellfahrstrecke Fulda - Bad Hersfeld - Gerstungen plant die DB Netz eine Beschleunigung der ICE-Linien. Frei werdende Trassen auf den Bestandsstrecken sollen dem Nahverkehr (SPNV) und dem Güterverkehr (SGV) zugutekommen.
Die beiden Fahrgastverbände PRO BAHN Hessen und PRO BAHN Thüringen begrüßen in einer Pressemitteilung die Notwendigkeit der Baumaßnahme und die Schaffung zusätzlicher Kapazitäten für den gesamten Schienenverkehr.
"Wir stellen jedoch die Frage, ob das Verhältnis aus finanziellem Aufwand und betrieblichen Nutzen dieses Bauprojektes allen vorhandenen Eisenbahnverkehrsarten in ausreichender Erforderlichkeit zugutekommt oder ob das geplante Verkehrsprojekt nicht zu einseitig dem Fernverkehr dient?", schreibe sie in der Pressemitteilung und für die parlamentarische Befassung die Behebung existierender Engpässe, die Schaffung zusätzlicher Kapazität insbesondere im Bahnhof Gerstungen und eine bessere (höhenfreie) Verknüpfung der Bestandsstrecke mit der Neubaustrecke (NBS) an deren östlichen Ende an.
Bestandteil vom DB Hochleistungsnetz
In dem Standpunktepapier fassen sie zusammen: "Der Korridor Fulda - Bad Hersfeld - Eisenach / Bebra ist bereits heute Bestandteil des DB Hochleistungsnetzes und neben der Rheinschiene eine der wichtigsten und hoch ausgelasteten Schlagadern für den SGV. Das Neubauprojekt in Form der NBS begrüßt PRO BAHN länderübergreifend, da damit die Zielvorgaben aus dem Deutschlandtakt vor allem für den SPFV erreicht werden und eine, aus unserer Sicht, wünschenswerte SPNV-Ausweitung verbunden sein kann. Als "Verlierer" sehen wir den SGV, für den es mit diesem milliardenschweren Projekt kaum nennenswerte Verbesserungen geben wird. Auch regional bestehende SGV-Bestands- und Verlagerungspotentiale kommen bei den aktuellen Planungen schlichtweg zu kurz. Mögliche Verkehrsverlagerungen vom Lkw auf den SGV werden buchstäblich verbaut; und das in einer Gegend mitten in Deutschland, in der immer noch neue Güterverkehrszentren (Hubs) gebaut werden! Wir sehen außerdem die Gefahr, dass unter Umständen die verschiedenen Verkehrsarten des Schienenverkehrs gegeneinander ausgespielt werden. Das gilt es unbedingt zu vermeiden."
Weiter schreiben die beiden Landesverbände von Pro Bahn: "Auch weisen wir ausdrücklich darauf hin, dass die Vergleichsweise hohen Baukosten der tunnelreichen Trassierung geschuldet sind. Diese wiederum begründet sich aus Forderungen zum Lärmschutz, vor allem im Umfeld der Kurstadt Bad Hersfeld. Der Energiemehrbedarf für Fahrten in Tunneln ist zudem enorm. Die finanziellen Mehraufwendungen kommen also nur in bedingtem Umfang der Kapazitätssteigerung des Schienenverkehrs zugute. Diese sind aber dringend erforderlich, da der betrachtete Verkehrsraum eine erhebliche Drehkreuzfunktion im deutschen wie europäischen Eisenbahnverkehr innehat. Erhöht wird der Handlungsdruck durch noch immer nicht beseitigte Engpässe, die zum Teil auf die Zeit der deutschen Teilung zurückzuführen sind."
Notwendige Ergänzung der Infrastruktur
Pro Bahn erklärt weiter: "Für die parlamentarische Befassung des Projektes wünschen wir uns die notwendige Ergänzung der Infrastruktur des DB Projektes Fulda-Gerstungen, um das Ziel der Verkehrsverlagerung im Schienenpersonen- und Schienengüterverkehr ermöglichen zu können. Die notwendige Ergänzung der Infrastruktur ist die Grundlage dafür, dass zukünftig genügend Kapazität vorgehalten wird und damit die Grundlage für eine hohe Betriebsqualität und Pünktlichkeit gewährleistet werden kann. Den aktuellen Projektzuschnitt sehen wir dazu als nicht ausreichend und unterdimensioniert an."
Bei Fertigstellung des derzeit geplanten Projektes werden bestehende Engpässe nicht aufgelöst, teilweise sogar vergrößert und es wird nicht genügend Kapazität für die gewünschte, notwendige Verkehrsverlagerung geschaffen.
Verbesserungsvorschläge PRO BAHN:
- Durchführung einer Eisenbahnbetriebswissenschaftlichen Untersuchung (EBWU) für das durch Göttingen, Kassel, Fulda und Eisenach begrenzte Netz mit den Prognosen im Zugverkehr für 2040, zur Prüfung ob die Kapazitäten richtig dimensioniert sind.
- bereits identifizierte Engpässe im Knoten Fulda auflösen und in die Umsetzung aufnehmen
- Auflösung bestehender identifizierter Infrastrukturdefizite "Bebra Südeinfahrt" im Projekt Fulda-Gerstungen
- niveaufreie, statt wie bisher geplant, niveaugleiche Einmündung der NBS in die Bestandsstrecke an der östlichen Schnittstelle (gleich ob bei Ronshausen, Hönebach oder Gerstungen)
- Prüfung des durchgehenden zweigleisigen Neubaus bis Gerstungen, alternativ Wiedererrichtung des bis ca. 1945 vorhandenen dritten Gleises Bebra – Hönebach als "Kriechspur" für schwere Güterzüge
- Alternativprüfung eines dritten Gleises durch einen neuen (zusätzlichen) Hönebacher Tunnel bis Gerstungen
- Prüfung einer Verbindungskurve aus dem Raum Hönebach in Richtung Dankmarshausen/Heringen
- Ausbau der Kapazität des Bahnhofs Gerstungen in Form von zusätzlichen und längeren Gleisen für den lokalen Güterverkehr, seitenrichtige Puffergleise für den Durchgangsgüterverkehr und einer Serviceeinrichtung für den Güterumschlag
- Deutliche Erhöhung der Gleiskapazitäten für den SGV ins Werra-Kalirevier durch Reaktivierung der zweigleisigen Einmündung der Werratalbahn (Strecke 6707)
- Berücksichtigung der SPNV-Reaktivierung Bad Salzungen-Gerstungen-Vacha durch Errichtung (Vorplanung) entsprechender barrierefreier Bahnsteige. (hhb/pm) +++